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"Floor on Fire" in Dresden - Hellerauer Hüftgeschüttel

Breakdance trifft Ballett: Das Format "Floor on Fire" beschert der Dresdner Tanzszene energiegeladene Abende

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Es ist ein Feuerwerk. Man weiß nicht, wo man zuerst hinschauen soll. So schnell, so viel saust an diesem Abend über die Bühne, hier kommt zusammen, was sonst nicht zusammengehört. Ein Tänzer dreht sich springend auf einem Bein, legt die Arme auf den Rücken und flattert mit den Händen. Ein Viererteam hebt einen Solisten in die Höhe, der von oben Küsse in die Luft pustet. Ein Breakdancer hüpft auf einer Hand. Überall Moves, Bewegung, wie ein einziger Rausch. Aus den Boxen erklingt eine Mischung von Hip-Hop bis Barock. Das Publikum klatscht rhythmisch mit.

Das ist sie also, „the real total craziness“, die sich der Moderator zum Finale gewünscht hat. Da wirkt es für einen Moment wie ein Programmfehler, dass die Show nun vorbei sein soll. Mehr als zwei Stunden haben 500 Leute mitgefiebert, mitgejubelt, mitgeklatscht. Jetzt applaudieren sie ein letztes Mal für jene Tänzer, die auf dem Siegerpodest zum Posen antreten. Glitzerschnipsel flittern hinunter, während der DJ schnell in den Partymodus überblendet: „Let's Twist Again“. Männer, Frauen, Kinder: Die Tanzfläche gehört euch!

Tanz gibt es das ganze Jahr über im Festspielhaus Hellerau, dem europäischen Zentrum der Künste. Aber kein anderes Format euphorisiert die Zuschauer dermaßen wie „Floor on Fire“ seit 2015. Bei kaum einem anderen Programm sieht das Publikum eine derartige Bandbreite an professionellem Tanz. An drei, vier Abenden in der Saison begegnen sich Breakdancer und Ballerinas im Wettbewerb, messen sich Hip-Hopper mit zeitgenössischen Tänzern. Vor allem für letztere kennt man das Festspielhaus auch jenseits der Stadtgrenzen.

Sein Ego und seinen Stil zurückzunehmen

Bei „Floor on Fire“ sind die Karten jedes Mal binnen Stunden weg. „Es ist die einzige Veranstaltung, für die wir keine Werbung machen müssen“, sagt Anna Bründl, künstlerische Mitarbeiterin der Intendanz. Sie hat das Format zusammen mit Breakern von „The Saxonz“ mitentwickelt, mit dem das Festspielhaus schon in Prag und Paris gastierte. Der Ursprung liegt im Breakdance, den Battles der B-Boys,die sich gegenseitig beweisen, wer am meisten draufhat. „Floor on Fire“ belässt es nicht dabei. „Es geht darum,“ sagt Bründl, „sich selbst, sein Ego und seinen Stil zurückzunehmen. Im Idealfall vergessen die Leute ihren eigenen Background, wachsen über ihre Grenzen hinaus und im Team kann etwas ganz Neues entstehen.“

Tanzen als Feuerwerk der Kunst

Eine enorme Bandbreite an professionellem Tanz

16 Tänzer und Tänzerinnen sind an diesem Abend am Start. Drei Stunden vor dem Start trudeln sie im Nebenraum der Bühne ein. Manche begegnen sich dort zum ersten Mal. Sie kommen vom Ballett der Dresdner Semperoper, ein Teil tanzt zeitgenössisch in der freien Szene, andere gehören zu „The Saxonz“, jener Breakdance-Company aus Sachsen, die zweimal deutscher Meister war. Dehnen, springen, Übungen mit Partnern, erster Schweiß läuft über Rücken und Stirn. Vom Organisationsteam kommt jemand mit einem Basecap, in dem 16 Zettel liegen.

Für die erste Runde werden Paare ausgelost. Die Vorgabe lautet, dass sich die Tanzstile mischen müssen. Im Laufe des Abends siebt eine Jury immer weiter aus, wobei klar ist, dass witzige Schnuten und sexy Hüftschüttelei mehr punkten als Innerlichkeit. Gewinner einer Runde dürfen sich einzelne Tänzer aus dem Verliererteam in die eigene Gruppe holen. Durch das ausgeklügelte System wachsen die Teams und kriegen ständig neues Blut. „Es ist wie Lotterie“, sagt Dalier Burchanow, der mit drei Kollegen vom Ballett des Theaters Halle für diesen Abend nach Dresden gekommen ist. „Man kann sich nicht vorbereiten.“

Drehungen mit wechselndem Sprungbein

Dieser Umstand macht es besonders Balletttänzern wie ihm schwer. Tag für Tag führen sie aus, was ein Choreograf sehen will, heute müssen sie improvisieren. Erschwerend kommt hinzu, dass der DJ wie immer bei „Floor on Fire“ einen unvorhersehbaren Stilmix auflegt, Salsa, Pop, Dance, Klassik – alles ist dabei. Da ist es umso bemerkenswerter, was Dalier, 28, schwarzes Haar, schwarze Jogginghose und rot gemustertes Laufshirt, mit seinem Körper anstellt. Überschläge mit einer Hand zu „Forever Young“, Drehungen mit wechselndem Sprungbein zu einem Rocksong der Red Hot Chili Peppers. Schongang geht anders.

Alexander Kelox Miller von den „Saxonz“, bei „Floor on Fire“ von Anfang an dabei, beschreibt es so: „Man kann sich nicht vorbereiten, du weißt nicht, was passiert. Du springst über deinen eigenen Schatten und dann kannst du einfach nur du selbst sein.“

Daliers Team hat sich inzwischen zu wenig aufeinander eingestellt, die Gegner waren einfach besser. Scheinwerfer strahlen auf die fünf Jurymitglieder, die mit ausgestreckten Armen abstimmen. Die Sieger entscheiden sich, die beiden Mittänzer von Dalier bei sich aufzu-nehmen. In diesem Moment könnte die Nebelschwade über der Bühne eine Zorneswolke sein. Das Publikum, verteilt auf zwei gegenüberliegenden Tribünen, schreit, buht, klatscht, klatscht weiter, als ließe sich so die Entscheidung noch einmal rückgängig machen. Vergebens. Dalier fällt im Halbfinale raus. Abgekämpft wird er sich nach der Show unter die Zuschauermenge mischen. Eine Frau, die seine Mutter sein könnte, wird ihm anerkennend auf die Brust klopfen und sagen, dass er, Dalier, für sie der eigentliche Gewinner des Abends ist.

Mehr Infos unter: www.hellerau.org

 

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