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Republikaner Boehner - Der Gegner ist nicht Obama, sondern die eigene Partei

Mitten in der US-Haushaltskrise versuchen die Republikaner den Sanierungskurs von Präsident Barack Obama zu blockieren. Außer einer: John Boehner, Sprecher des Repräsentantenhauses. Er zeigt sich kompromissbereit – doch seine eigene Partei lässt ihn nicht

Autoreninfo

Jacob Heilbrunn ist Senior Editor bei der amerikanischen Zeitschrift „National Interest“

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Amerikas Konservative ähneln ­Tantalos. Jenem König aus der griechischen Mythologie, den die Götter für seine Freveltaten damit bestraften, dass er bis in alle Ewigkeit in einem Teich unter einem Obstbaum stehen musste, ohne je das Wasser trinken zu können oder an die Früchte zu gelangen. Beinahe so ergeht es den Republikanern im Jahr 2013. Obwohl sie Barack Obama als Sozialisten und Bolschewiken verunglimpften, der mit seinen Steuer- und Krankenversicherungsplänen Amerika zerstöre, und obwohl sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen, haben es die Tantalos unserer Zeit nicht vermocht, den Mann aus dem Weißen Haus zu vertreiben. Im Gegenteil. Obama, der mächtigste und gerissenste Präsident seit Ronald Reagan, treibt die Republikaner vor sich her. Die USA erleben eine Haushaltskrise, und die Republikaner erwartet dabei ein Debakel.

Einer aber könnte vielleicht doch noch die Partei vor den extremen Rechten in den eigenen Reihen retten und zu einer gewissen Normalität zurückführen: John Boehner. Seit das Repräsentantenhaus die einzige Staatsgewalt ist, die noch von den Republikanern kontrolliert wird, ist dessen Sprecher zu Obamas großem Gegenspieler geworden. Und die Republikaner können heilfroh sein, ihn zu haben.

Blickt man in Boehners Vergangenheit, würde man ihn als stockkonservativ bezeichnen. Im Vorfeld der Kongresswahlen 1994 war er am Entwurf für den „Contract with America“ beteiligt, der dem Hitzkopf Newt Gingrich die Kontrolle über das Repräsentantenhaus verschaffte. 1995 verteilte Boehner in den Parlamentsfluren Wahlkampfspenden der Tabaklobby an die Abgeordneten – was er heute, wie er versichert, zutiefst bereut. Es ist wie mit allen Revolutionären, die lange genug an der Macht sind, auch Boehner ist inzwischen Teil des Establishments geworden. Im Vergleich mit den jungen Konservativen heute, die ihn beständig attackieren, weil er bereit ist, Kompromisse mit dem Präsidenten einzugehen, wirkt Boehner geradezu gemäßigt.

Boehner ist in Ohio als eines von zwölf Geschwistern aufgewachsen, eine katholische Familie mit deutschen Vorfahren. Bereits als Achtjähriger half John, die Kneipe zu putzen, die seine Eltern in Cincinnati betrieben.

Er ist kein asketischer Fanatiker, sondern genießt das Leben, raucht, liebt Rotwein – Obama schenkte ihm jüngst zum Geburtstag einen guten Brunello –, und er ist stets braun gebrannt. Während der Wahlkampf um die Präsidentschaft lief, hat er darauf verzichtet, in der Öffentlichkeit seinen Lastern zu frönen, denn der Mormone Mitt Romney, der keinen Alkohol trinkt, sollte der Held der Konservativen sein. Die Republikaner im Repräsentantenhaus hofften, dass Romney ihre Pläne Wirklichkeit werden lässt: Steuerkürzungen für die Wohlhabenden, das Ende der Sozialversicherung und der Gesundheitsfürsorge. Doch dann siegte ­Obama – die Republikaner haben immer noch Mühe, das zu begreifen.

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Nun kommt es zum Duell zwischen Boehner und Obama. Der Präsident hält an seinen Steuerplänen fest, und die Republikaner tun so, als seien Steuererhöhungen für die Reichsten unamerikanisch und gleichbedeutend mit der Versteigerung der Freiheitsstatue. So erklärte Boehner auf Fox News, dem Haussender der amerikanischen Rechten, dass er Obamas Steuerpläne für „Unsinn“ halte. 

Allerdings ist Boehners Empörung pures Theater. Er weiß genau, dass sein größter Feind nicht Barack Obama ist, sondern die Tea-Party-Republikaner, die die reine ideologische Lehre vertreten. Fast 100 Kongressabgeordnete kommen aus der Tea-Party-Bewegung. Es sind diese Fanatiker, die Boehner zur Geisel ihrer Unbeugsamkeit machen können, wenn es um Kürzungen im Bundeshaushalt geht.

Käme es auf ihn allein an, würde er sich schnell mit Obama einigen. Trotzdem täusche man sich nicht: Auch Boehner glaubt an das konservative Mantra, dass es in Amerika jeder schaffen kann. Schließlich hat es bei ihm funktioniert – er war der Erste seiner Familie, der studieren konnte. „Ich habe mein ganzes Leben dem amerikanischen Traum nachgejagt“, sagte er unter Tränen nach dem Sieg der Republikaner bei den Zwischenwahlen 2010. Nach seiner Lesart ist der amerikanische Traum gleichbedeutend mit Freiheit – der Freiheit, Reichtum und Einfluss zu erringen ohne Rücksicht auf den Preis, den andere dafür zahlen müssen. Mit dieser Philosophie hat es der Sprecher des Repräsentantenhauses weit gebracht: vom kleinen Jungen, der den Kneipenboden seiner Eltern wischt, zum Chef eines Verpackungsunternehmens und schließlich zu einem der einflussreichsten Politiker in Washington.

Als solcher hat Boehner registriert, dass die jüngste Präsidentenwahl auch ein Volksentscheid über das Wahlprogramm seiner Partei war, das die Mehrheit im Land ganz entschieden ablehnte. Sollten die Republikaner nun tatsächlich Obamas Wirtschaftspolitik torpedieren, dann wird dies nicht mit der Demontage des Präsidenten, sondern der Republikaner selbst enden. Meinungsumfragen belegen, dass eine überwältigende Mehrheit der Amerikaner den Republikanern die Schuld am Scheitern der Verhandlungen um den Haushalt geben würde. Ungeachtet dessen könnten die Konservativen dennoch versucht sein, ihren niedersten Beweggründen zu erliegen.

John Boehner wird verzweifelt versuchen, dieses Schicksal abzuwenden. Aber seine Partei wird ihn wohl nicht lassen. So könnte er sich als Führer ohne echte Gefolgschaft erweisen. Sollte es so kommen, verdiente er Mitleid und keine Häme. 

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