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Kirchen - Eine grundgesetzwidrige Sonderstellung

Der Fall Tebartz-van Elst hat eine Debatte über Kirchenfinanzen ausgelöst. Bei Günther Jauch diskutierten fünf Katholiken unaufgeregt und am eigentlichen Kern der Sache vorbei: der unscharfen Trennung von Kirche und Staat

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die Causa des Bischofs von Limburg sorgt für erhebliche Kollateralschäden innerhalb der katholischen Kirche. Weil Schadenfreude aber allemal eine hässliche Gemütsregung ist, möchte ich in diesem Fall von einem spiegelbildlichen Kollateralnutzen des Baukostenskandals für die Gesellschaft sprechen. Dieser Nutzen besteht darin, dass in diesem Land jetzt endlich wieder über Kirchenfinanzierung diskutiert wird. Zum Beispiel gestern Abend bei Günther Jauch.

Das Thema der Sendung hieß „Heilige Millionen – wozu braucht die Kirche so viel Geld“, wobei mir angesichts der Tatsache, dass da fünf Katholiken mit einem Moderator sprachen, der sich in Berlin vor drei Jahren für die „Pro Reli“-Initiative engagiert hatte, gewisse Zweifel an der Ausgewogenheit dieser Runde kamen. Diese Zweifel waren jedoch, wie sich herausstellen sollte, unbegründet. Denn erstens gab sich Günther Jauch keine wie auch immer geartete weltanschauliche Blöße. Und auch die drei als Gäste geladenen Journalisten Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung), Giesela Friedrichsen vom Spiegel (eine aus der Kirche ausgetretene Gefühlskatholikin) und Andreas Englisch, der „Mister Vatikan“ des Springer-Verlags, debattierten ohne jene kuhäugige Naivität, von der bei diesem Sujet mitunter auch Intellektuelle übermannt werden, wenn sie denn gläubig sind.

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Staat als Erfüllungsgehilfe der Kirchen


Nicht einmal die beiden Kirchenvertreter im engeren Sinne, der Kölner Dompropst Norbert Feldhoff, sowie Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, argumentierten wie knochenharte Kirchenlobbyisten, sondern ließen durchaus Selbstkritik an ihrer Institution erkennen. Feldhoff sprach sogar den denkwürdigen Satz aus: „Ob die deutsche Kirche zu viel Geld hat, dieser Frage müssen wir uns stellen.“ Wohltuend an dieser Runde war besonders der insgesamt eher konstruktive Grundton, den man in Fernsehdebatten regelmäßig vermisst, wenn kirchliche Dinge verhandelt werden. Oft herrscht da ja bei den Beteiligten eine Bunkermentalität, die den Zuschauer kein bisschen weiterbringt und die letztlich auch ein falsches Bild der Institution Kirche auf der einen sowie ihrer Kritiker auf der anderen Seite vermittelt. Denn natürlich leben die Kirchenvertreter von heute geistig nicht mehr im Mittelalter – genauso wenig, wie eine dezidiert säkulare Position keineswegs antikirchlich sein muss, sondern vielmehr dem Rechtsstaat zu mehr Geltung verhelfen will.

Genau diese rechtsstaatlichen Defizite wurden gestern Abend bei Jauch jedoch nicht ausreichend benannt. Was schade ist, denn gerade in Deutschland mit seiner unscharfen Trennung zwischen Kirche und Staat liegt da vieles im Argen. Sogar Albert Schmid ließ sich zu der Bemerkung hinreißen, die Katholiken würden sich dafür einsetzen, dass rechtsstaatliche Prinzipien in ihrer Kirche Einzug halten sollten. Wenn es ihm damit tatsächlich Ernst wäre, würde das freilich zuallererst bedeuten, dass mit dem derzeitigen System des Eintreibens von Kirchensteuern so schnell wie möglich Schluss gemacht werden muss. Warum eigentlich betätigt sich der Staat immer noch als Erfüllungsgehilfe der katholischen und der evangelischen Kirche, wenn es um die Kollekte geht? Außerdem ist es ein flagranter Verstoß gegen die (negative) Religionsfreiheit, wenn Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber gegenüber zu einem konfessionellen Bekenntnis gezwungen sind, nur um eine Verstetigung der Geldströme qua Annexsteuer zu gewährleisten.

Grundgesetzwidrige Sonderstellung

Es ist ja schon grotesk genug, dass sämtliche Steuerzahler – und zwar unabhängig von einer Religionszugehörigkeit – für die Bezahlung der Bischöfe oder für eine Alimentierung der theologischen Lehrstühle herangezogen werden, zumal 37,6 Prozent der Bevölkerung konfessionsfrei sind. Der eigentliche Skandal besteht aber in der religiösen Diskriminierung an Arbeitsplätzen in kirchlicher Trägerschaft. Wobei der Begriff „kirchliche Trägerschaft“ oft dahin gehend missverstanden wird, es handele sich dabei um Einrichtungen, die auch von den Kirchen finanziert werden. Was jedoch keineswegs der Fall ist: In entsprechenden Krankenhäusern und Pflegeheimen liegt der Anteil der katholischen Kirche am Finanzierungsvolumen in der Regel bei null.

Trotzdem akzeptiert der Staat auf diesem Gebiet eine Art juristisches Paralleluniversum, innerhalb dessen es den Kirchen gestattet ist, ihre eigenen Maßstäbe anzulegen. Homosexuelle beispielsweise kommen nicht einmal bei der Caritas unter; der Leiterin eines zu hundert Prozent vom Staat finanzierten katholischen Kindergartens in Königswinter wurde gekündigt, als sie sich nach zwanzigjähriger Ehe von ihrem Mann trennte und zu ihrem neuen Lebensgefährten zog. Es existieren Hunderte solcher Beispiele.

Dass diese im Kern grundgesetzwidrige Sonderstellung (von Privilegierung zu sprechen, wäre beschönigend) der Kirchen in der Politik als geradezu unantastbar gilt, ist eines der dunkelsten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Einzig die Linkspartei traut es sich, programmatisch dagegen zu halten; bei den sogenannten Volksparteien herrscht dagegen weiterhin vorauseilender Gehorsam. Die FDP hat das Problem vor Urzeiten zwar einmal erkannt, aber wie üblich nichts dagegen unternommen.

Wenn es den Liberalen Ernst wäre mit Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten, könnten sie sich spätestens jetzt dieses Themas wieder annehmen. Aber wahrscheinlich fehlt ihnen dafür die Fantasie. Also wird es so sein wie immer: Sobald die Empörungswellen wegen des Limburger Bischofs wieder abgeflacht sind, werden die Kirchen den bequemen Status quo mit aller Vehemenz zu verteidigen wissen. Die Antwort auf die Frage des Kölner Dompropstes, „ob die Kirche zu viel Geld hat“, steht deshalb auch schon fest: Nein, hat sie natürlich nicht. Zumindest nicht aus Sicht der Kirche.

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