- Zurück zum Präsidentenjob?
Michelle Bachelet ist Untergeneralsekretärin bei der UNO - zuständig für den Schutz von Frauenrechten. Während sie derzeit international gegen Zwangsehen vorgeht, werden ihr bereits Amitionen für die Wahlen 2013 in Chile nachgesagt. Sie will ihren alten Job zurück, sie will noch einmal chilenische Präsidentin werden
In den Stinkenden Kellern der Villa Grimaldi herrschte Gleichberechtigung. Die Frauen wurden genauso gefoltert wie die Männer. Aber die damalige Medizinstudentin Michelle Bachelet weigert sich bis heute – beinahe vier Jahrzehnte später –, als Folteropfer kategorisiert zu werden: „Ja, mein Kopf steckte in einer Kapuze. Ja, ich wurde bedroht, geschmäht, geschlagen. Aber die ‚parrilla‘ (der Grill) ist mir erspart geblieben.“ Das war jenes eiserne Gestell, an das die nackten Leiber der Gefangenen geschnallt wurden, um ihnen die Namen ihrer Freunde oder Komplizen zu entreißen.
Das wirksamste Mittel dafür waren die Elektroden, mit denen immer stärkere Stromstöße verabreicht wurden, gerne auch im Genitalbereich. Vermutlich war es der Respekt vor dem Vater, der Michelle Bachelet davon abhielt, sich selbst als Folteropfer registrieren zu lassen.
Denn als die 24-Jährige im Februar 1975 mit ihrer Mutter im Verhörzentrum Villa Grimaldi landete, war ihr Vater, der Luftwaffengeneral Alberto Bachelet, bereits ein Jahr tot – buchstäblich zu Tode gefoltert. Er war nach dem Militärputsch Augusto Pinochets intensiv gequält worden und erlag schließlich einem Herzinfarkt. Erst heute müssen sich die ehemaligen hohen Offiziere dafür vor Gericht verantworten.
Vom Folterkeller ins Präsidentenpalais: Diesen unfassbar weiten Weg haben in Lateinamerika zwei Frauen zurückgelegt – nach Michelle Bachelet auch die einstige kommunistische Stadtguerillera Dilma Rousseff, die heute in Brasilia die Geschäfte führt. Beide sind Pragmatikerinnen, die sich von ihren Ideologien verabschiedet haben – sofern Michelle Bachelet je eine hatte. Die Generalstochter, die vier Exiljahre in der DDR verbrachte (Deutschunterricht am Herder-Institut, Leipzig; Medizinstudium an der Humboldt-Universität, Berlin), ist dort vom Sozialismus wohl eher kuriert worden. Schon 1979 – als der Diktator Pinochet im Zenit seiner Macht stand – kehrte Michelle nach Chile zurück.
Dem gewaltsamen Widerstand blieb sie fern, in der Sozialistischen Partei war sie eine Unbekannte. Mit dem Arzt Aníbal Henríquez, der Pinochet und die Reformen der neoliberalen „Chicago Boys“ unterstützte, hat sie fünf Jahre zusammengelebt. Eines ihrer drei Kinder stammt von ihm. Dennoch erklärte Bachelet bei ihrem Amtsantritt als Staatspräsidentin: „Ich bin eine Frau, Sozialistin, geschieden und Agnostikerin.“
„Crusading feminist“ heißt es in einem Porträt aus New York – als „feministische Kreuzzüglerin“ wird die Chilenin darin vorgestellt. Dieses Bild passt so gar nicht zu Bachelet, ist aber gut gemeint und ihrer neuen Rolle geschuldet: Sechs Monate nach ihrer Präsidentschaft (2006 bis 2010) wurde Michelle Bachelet zum „Executive Director“ einer Instanz der Vereinten Nationen, die sich lapidar „UN Women“ nennt. Eine Selbstdefinition gibt es nur auf Englisch: „United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women“.
Den diplomatischen Rang der Chefin gibt es auch auf Deutsch: Michelle Bachelet, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen. Davon gibt es derzeit 40. Frauenbeauftragte der UN wäre eine solide deutsche Bezeichnung oder oberste Hüterin der Frauenrechte – zuständig also für die Hälfte der Menschheit.
Wenn es über Geld und Macht verfügte, wäre es wohl das wichtigste Amt der Welt. Vom Zugang der Frauen zu Ärzten, zu Wissen, Ausbildung und bezahlter Arbeit hängt das Schicksal der Völker ab – nicht nur in der Dritten Welt, auch in Teilen Europas. „Equality is good business“, verkündet Michelle Bachelet mit entwaffnendem Lächeln: Gleiches Recht, Schutz vor Gewalt und Unterwerfung, vor religiösem Obskurantismus und Zwangsehen – das zahlt sich aus, hebt den Lebensstandard, bringt nachweislich die Wirtschaft voran!
Doch ein Amt, das – nahezu ohne Mittel – sowohl für die Frauenquote in der Führung der Weltkonzerne wie gegen die Genitalverstümmelung somalischer Musliminnen kämpft, kann sich leicht im Banalen verirren. Jeder 25. Tag im Monat, verfügte UN Women jüngst, ist fortan „Orange Day“: der Tag, an dem ein Zeichen gesetzt wird, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen – durch das Tragen orangefarbener Kleidungsstücke.
Ganz und gar nicht banal sind hingegen erste Hinweise auf eine Rückkehr Bachelets in die chilenische Politik. Vor wenigen Wochen schickte die 60-Jährige eine Grußbotschaft an die Parteiführung der chilenischen Christdemokraten. Das schlug ein wie eine Bombe: Die Democristianos sind der unentbehrliche Koalitionspartner, mit dem die äußerst populäre Sozialistin im November 2013 nochmals Chiles Präsidentin werden könnt
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