- Goldene Schnitte mit Punkt
Ebenmaß erquickt – und schmeichelt dem Auge. Dazu ist es gar nicht nötig, dass der Leser die hier wirkenden ehernen Gesetze des richtigen Seitenverhältnisses bewusst erkennt
Bei Biergläsern – und wie immer gleich eingangs angemerkt: Der Autor ist bestellt, die Form und nicht den Inhalt zu erörtern – bei Biergläsern versuche ich in Gaststätten, die ich öfters besuche, mit Beharrlichkeit und gutem Beistand, der auf Stilgefühl im Volke schließen lässt, den Willybecher durchzusetzen. Seltsame Edeldesignertulpen und anderen röhrichten Firlefanz geifere ich gleich fort. Ich mag es einfach, und das Einfache soll klar, demütig (nun, wenigstens schlicht) und schön sein. Das gilt selbst für Bleistifte und Papierbogen – da schreibe ich mit dem Castell 9000 auf dem von Walter Porstmann 1922 gut ausgeklügelten DIN-A-Papierformat. Die Mutter dieser Formatreihe ist DIN-A0, sie misst einen Quadratmeter, der, in das Seitenverhältnis 1 zu √2 gebracht, stetig halbiert werden kann in A1 bis zu A8, theoretisch ad infinitum. Das Verhältnis der Blätter bleibt konstant: 1 zu 1,41.
Bei Büchern, das mag in meinen «Satzspiegeln» aufgefallen sein, wollen mir ebenfalls die einfachen Gestaltungen besser als die rings röhrenden Firlefanzereien gefallen. Eine Buchhandlung, eine im Bahnhof gar, widerfährt mir längst wie optische Brunft und Anmaßung. Und vermutlich sind die schlichten Gestaltungen zwischen den gellenden Stapeln der uns ankobernden Ware längst anziehender. Zur schnellen Sondierung blinzle ich unter einer steten Drehung durch den Laden: Gelb, also Reclam; Raute, Merve; Regenbogen, Suhrkamp – zu solch Dezenzen laufe ich hin!
Peter Hacks’ «Die Maßgaben der Kunst» aus dem Hauptprogramm des Suhrkamp Verlags ist ein imposantes Stück; mit Anhang, Nachwort, Register kommt es auf 1301 Seiten. Es ist solide gebunden, auf anständiges Papier gebracht, mit der bei Suhrkamp üblichen Sorgfalt gesetzt, und die Schrift, irgendeine garamontane Antiqua, ist gefällig lesbar – da kann ich nicht, wie andere, meckern! Des Buchrückens Höhe: 22 cm, Oktav also. Die Seiten messen 13,1 mal 21,4 cm, kein DIN-A-Format also. Ich rechne nach und die Höhe durch die Breite geteilt ergibt: 1,63 – das ist der Goldene Schnitt! Dieser zwar stets 1 zu 1,62 (bzw. 1 zu 0,5 + 0,5 mal √5), aber was schert den Entdecker eine zweite Stelle hinter dem Komma? Auch der Goldene Schnitt, die sectio aurea, lässt sich als Fläche gegen unendlich teilen und zwar stufenweise in zwei Teile: ein Quadrat und ein nächstkleineres Stück im Goldenen Format. Was haben wir davon? Nicht mehr, als dass ein Ebenmaß dem Leser schmeichelt und sein Auge erquickt. Unterschätze keiner die Stimmigkeiten des Abseits! Geradeso, wie die stillen Leute im Hintergrund der Buchgestaltung und Herstellung – von Druckhandwerkern und deren Arbeit ganz zu schweigen!
Bei Suhrkamp heißt solch ein Mann Willy Fleckhaus (*1925 – †1983). Gar so unbekannt ist er freilich nicht: Fleckhaus hat beinahe alle der mir so liebsamen schlichten, bildlosen Buchgestaltungen für Suhrkamp entworfen, auch eine stilprägende Schrift, die Times Modern Black, und damit Schule gemacht und darüber hinaus noch einiges vollbracht: das Layout der Zeitschrift «twen», die Gestaltung des legendären FAZ-Magazins, das Logo für «Quick», Briefmarken. Dozent für Grafik und Design war er erfolgreich in Essen und Wuppertal. (Und Autodidakt übrigens!)
Einer seiner Schüler ist bestellt, die Dinge bei Suhrkamp in seiner Nachfolge zu besorgen: Hermann Michels; er tut das gemeinsam mit Regina Göllner. Wenn ich recht überblicke, wie beide öffentlich taxiert werden, so gibt es einerseits Schmäh und andererseits Gunst – und das spricht zumeist für die Beurteilten. Ich hingegen bleibe flau; Michels und Göllner beteiligen sich nicht an der oben bemäkelten Brunftbrüllerei, aber auch sie machen mir noch zu viel. Hier, bei Hacks, oder auch bei dem ähnlich gestalteten Bourdieu, «Algerische Skizzen», stören mich die mir allzu nahen Gesichter der Autoren. Solche Nähe zu Augen und Nase lasse ich nur bei Frau und Kindern zu. Die gedämpfte, fahl-dunkel pigmentierte Färbung kühlt das vornehm ab, doch mir gefällt so was nicht. (Wem allerdings gefallen wollte, Bourdieu einen Kuss zu geben – bitte sehr! Passen täte es 1 zu 1.) Es gibt eben auch distinguierten Radau.
Einen weiteren Mann im Hintergrund des Suhrkamp Verlages zu belobigen, darf ich nicht säumen: Es ist dies der Korrektor und Orthoskribent Zimmermann. Er hat in meinem dort erschienenen Werk – das will ich nicht unerwähnt lassen, da es meine hier mögliche Befangenheit offenlegt – vor Drucklegung noch vertrackteste Fehler entdeckt, obgleich meine Haus-Philologen vorher alles geröntgt hatten. (Im Hacks wiewohl Menschliches: auf S. 379, Z. 2, fehlt ein Punkt.) Hacks’ «Maßgaben der Kunst» haben übrigens einige, meist bruchstückartige, Vorläufer: Die Gestaltung der Ausgabe des Henschel Verlages von 1978 (423 S.) will mir sehr gefallen, ebenso die broschierte, nicht die gebundene, Werkausgabe des Eulenspiegel Verlags von 2003 (an diese lehnt sich die Suhrkamp’sche an); Nautilus’ Falschfarbschrei von 1996 (1175 S.) missbehagt wieder und die Claassen-Ausgabe von 1977 (407 S.)? Ein reizend umgebogener Letraset-Rohling. Vier Dinge noch: Erstens vermeine ich, mit großzügigem Maße auf der Fleckhaus’schen Gestaltung der Bibliothek Suhrkamp wieder den Goldenen Schnitt zu entdecken. Ein schwarzer Balken teilt den Umschlag stets in ein Quadrat oben und ein nächstkleineres Goldenes Stück unten! Sage mir keiner, jemand wie Fleckhaus kalkulierte das nicht und harrte nicht der Entdeckung seines Geheimnisses! Das des Willybechers sei hier, zweitens, verraten: Er ist ein ebenmäßiges Standardglas; unten schmal, setzt es zur oberen Mitte hin leicht an und läuft zur Öffnung wieder behutsam zusammen. Auch hier verbirgt sich der Goldene Schnitt! Gestaltet hat das Glas 1954 Willy Steinmeier (wieder ein Willy!), Vertriebsleiter der Ruhrglas AG (und wieder ein Design-Autodidakt!).
Drittens: Hacks’ «Maßgaben» sind wie Hacks selbst: kühn, klug, amüsant, bisweilen zelotenhaft und (was soll’s? – er lebte freiwillig drüben) eingemauert, immer sprachmächtig, gebildet und heiter auch im Furor. Man koste allein: Lenzens Eseley (S. 375) und Niedergang der Walfische (S. 1230) – Meisterstücke, ganze Wissensstände zu beschämen!
Viertens: noch der auch hier fehlende Punkt: .
Bei Büchern, das mag in meinen «Satzspiegeln» aufgefallen sein, wollen mir ebenfalls die einfachen Gestaltungen besser als die rings röhrenden Firlefanzereien gefallen. Eine Buchhandlung, eine im Bahnhof gar, widerfährt mir längst wie optische Brunft und Anmaßung. Und vermutlich sind die schlichten Gestaltungen zwischen den gellenden Stapeln der uns ankobernden Ware längst anziehender. Zur schnellen Sondierung blinzle ich unter einer steten Drehung durch den Laden: Gelb, also Reclam; Raute, Merve; Regenbogen, Suhrkamp – zu solch Dezenzen laufe ich hin!
Peter Hacks’ «Die Maßgaben der Kunst» aus dem Hauptprogramm des Suhrkamp Verlags ist ein imposantes Stück; mit Anhang, Nachwort, Register kommt es auf 1301 Seiten. Es ist solide gebunden, auf anständiges Papier gebracht, mit der bei Suhrkamp üblichen Sorgfalt gesetzt, und die Schrift, irgendeine garamontane Antiqua, ist gefällig lesbar – da kann ich nicht, wie andere, meckern! Des Buchrückens Höhe: 22 cm, Oktav also. Die Seiten messen 13,1 mal 21,4 cm, kein DIN-A-Format also. Ich rechne nach und die Höhe durch die Breite geteilt ergibt: 1,63 – das ist der Goldene Schnitt! Dieser zwar stets 1 zu 1,62 (bzw. 1 zu 0,5 + 0,5 mal √5), aber was schert den Entdecker eine zweite Stelle hinter dem Komma? Auch der Goldene Schnitt, die sectio aurea, lässt sich als Fläche gegen unendlich teilen und zwar stufenweise in zwei Teile: ein Quadrat und ein nächstkleineres Stück im Goldenen Format. Was haben wir davon? Nicht mehr, als dass ein Ebenmaß dem Leser schmeichelt und sein Auge erquickt. Unterschätze keiner die Stimmigkeiten des Abseits! Geradeso, wie die stillen Leute im Hintergrund der Buchgestaltung und Herstellung – von Druckhandwerkern und deren Arbeit ganz zu schweigen!
Bei Suhrkamp heißt solch ein Mann Willy Fleckhaus (*1925 – †1983). Gar so unbekannt ist er freilich nicht: Fleckhaus hat beinahe alle der mir so liebsamen schlichten, bildlosen Buchgestaltungen für Suhrkamp entworfen, auch eine stilprägende Schrift, die Times Modern Black, und damit Schule gemacht und darüber hinaus noch einiges vollbracht: das Layout der Zeitschrift «twen», die Gestaltung des legendären FAZ-Magazins, das Logo für «Quick», Briefmarken. Dozent für Grafik und Design war er erfolgreich in Essen und Wuppertal. (Und Autodidakt übrigens!)
Einer seiner Schüler ist bestellt, die Dinge bei Suhrkamp in seiner Nachfolge zu besorgen: Hermann Michels; er tut das gemeinsam mit Regina Göllner. Wenn ich recht überblicke, wie beide öffentlich taxiert werden, so gibt es einerseits Schmäh und andererseits Gunst – und das spricht zumeist für die Beurteilten. Ich hingegen bleibe flau; Michels und Göllner beteiligen sich nicht an der oben bemäkelten Brunftbrüllerei, aber auch sie machen mir noch zu viel. Hier, bei Hacks, oder auch bei dem ähnlich gestalteten Bourdieu, «Algerische Skizzen», stören mich die mir allzu nahen Gesichter der Autoren. Solche Nähe zu Augen und Nase lasse ich nur bei Frau und Kindern zu. Die gedämpfte, fahl-dunkel pigmentierte Färbung kühlt das vornehm ab, doch mir gefällt so was nicht. (Wem allerdings gefallen wollte, Bourdieu einen Kuss zu geben – bitte sehr! Passen täte es 1 zu 1.) Es gibt eben auch distinguierten Radau.
Einen weiteren Mann im Hintergrund des Suhrkamp Verlages zu belobigen, darf ich nicht säumen: Es ist dies der Korrektor und Orthoskribent Zimmermann. Er hat in meinem dort erschienenen Werk – das will ich nicht unerwähnt lassen, da es meine hier mögliche Befangenheit offenlegt – vor Drucklegung noch vertrackteste Fehler entdeckt, obgleich meine Haus-Philologen vorher alles geröntgt hatten. (Im Hacks wiewohl Menschliches: auf S. 379, Z. 2, fehlt ein Punkt.) Hacks’ «Maßgaben der Kunst» haben übrigens einige, meist bruchstückartige, Vorläufer: Die Gestaltung der Ausgabe des Henschel Verlages von 1978 (423 S.) will mir sehr gefallen, ebenso die broschierte, nicht die gebundene, Werkausgabe des Eulenspiegel Verlags von 2003 (an diese lehnt sich die Suhrkamp’sche an); Nautilus’ Falschfarbschrei von 1996 (1175 S.) missbehagt wieder und die Claassen-Ausgabe von 1977 (407 S.)? Ein reizend umgebogener Letraset-Rohling. Vier Dinge noch: Erstens vermeine ich, mit großzügigem Maße auf der Fleckhaus’schen Gestaltung der Bibliothek Suhrkamp wieder den Goldenen Schnitt zu entdecken. Ein schwarzer Balken teilt den Umschlag stets in ein Quadrat oben und ein nächstkleineres Goldenes Stück unten! Sage mir keiner, jemand wie Fleckhaus kalkulierte das nicht und harrte nicht der Entdeckung seines Geheimnisses! Das des Willybechers sei hier, zweitens, verraten: Er ist ein ebenmäßiges Standardglas; unten schmal, setzt es zur oberen Mitte hin leicht an und läuft zur Öffnung wieder behutsam zusammen. Auch hier verbirgt sich der Goldene Schnitt! Gestaltet hat das Glas 1954 Willy Steinmeier (wieder ein Willy!), Vertriebsleiter der Ruhrglas AG (und wieder ein Design-Autodidakt!).
Drittens: Hacks’ «Maßgaben» sind wie Hacks selbst: kühn, klug, amüsant, bisweilen zelotenhaft und (was soll’s? – er lebte freiwillig drüben) eingemauert, immer sprachmächtig, gebildet und heiter auch im Furor. Man koste allein: Lenzens Eseley (S. 375) und Niedergang der Walfische (S. 1230) – Meisterstücke, ganze Wissensstände zu beschämen!
Viertens: noch der auch hier fehlende Punkt: .
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