- Pürierte Suppen
Unser Genusskolumnist hat ein Faible für pürierte Suppen. Viele bezeichnen das abschätzig als „Brei“ oder „Pampe“. Doch wer es selbst mal mit der Zubereitung versucht, stößt schnell in einen neuen Geschmackskosmos vor.
Im Vergleich zum gängigen Equipment der urbanen Küchen-Hipster ist meine Ausstattung nahezu vorsintflutlich. Ich verfüge weder über einen Thermomix noch über einen Sous-Vide-Garer. Auch befindet sich in meiner Küche kein Gerät, das sich mit einer App steuern lässt. Ferner muss ich meine Vorratshaltung immer noch analog via Inaugenscheinnahme kontrollieren und bekomme keine Warnmeldung auf mein Smartphone, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum meiner Milch naht.
Auf der anderen Seite verfüge ich über zahlreiche Utensilien, die urbane Küchen-Hipster entweder gar nicht, oder nur aus historischen Büchern kennen, wie etwa einen Mörser aus Granit und einen Römertopf. Das heißt aber nicht, dass ich dem technischen Fortschritt prinzipiell ablehnend gegenüberstehe. Es gibt ein elektrisches Gerät, das für meine alltägliche Küchenpraxis seit langer Zeit unentbehrlich geworden ist: Den Pürierstab beziehungsweise Stabmixer, der mit vollem Recht auch Zauberstab genannt wird. Erfunden und patentiert wurde er 1950 von dem Schweizer Tüftler Roger Perrinjaquet. Ihm haben wir auch die elektrische Spielzeugrennbahn zu verdanken, aber das nur nebenbei.
Schmackhaft und gesund – aber ein Imageproblem
Das Prinzip ist denkbar einfach. Ein Elektromotor mit hoher Umdrehungszahl (bis zu 20.000 pro Minute) treibt kleine, rotierende Klingen in einem nach unten offenem Gehäuse an. Pürieren kann ein Standmixer zwar auch, aber der kleine, leichte Zauberstab ist wesentlich mobiler, flexibler und auch präziser bei der Zerkleinerung einsetzbar.
Warum ich das alles erzähle? Ganz einfach: Ich bin ein großer Freund pürierter Gemüsesuppen. Die bekommen dann in der Regel eine sämige Konsistenz, die mitunter auch an Brei erinnert (was aber vermieden werden kann). Und genau das ist das Imageproblem pürierter Suppen. Denn Brei assoziieren viele automatisch mit Babynahrung, Fütterung im Pflegeheim oder komplizierten, langwierigen Zahnbehandlungen, die temporär die Aufnahme fester Nahrung unmöglich machen.
Pürierte Gemüsesuppen sind zum einen sehr gesund, da die Ballaststoffe komplett verwertet werden. Auch Samen und Kerne, die oftmals viele Vitamine und Mineralstoffe enthalten, können von guten Zauberstäben so zerkleinert werden, dass sie komplett vom Körper aufgenommen und verarbeitet werden können. Aber auch Aromen werden besser extrahiert. Ein No-Go sind allerdings sehr faserige und hartschalige Gemüsesorten und – egal ob roh oder gekocht – sehr stärkehaltige Lebensmittel wie etwa Kartoffeln, deren Konsistenz nach dem Püriervorgang stark an Tapetenkleister erinnert.
Mal Resteverwertung, mal extravagant
Das Pürieren von rohem Obst und Gemüse hat mittlerweile einen gewissen Hipnessfaktor, der sich auf die allgegenwärtigen „Smoothies“ bezieht. Aber mir geht es vor allem um warme Suppen mit zuvor gedünsteten oder gekochten Zutaten, und da sind den Variationsmöglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Auch im Sinne einer kreativen Resteverwertung. Denn auch aus Strünken und Stielen, die etwa bei der Vorbereitung von Blumenkohl, Brokkoli, Mangold u.v.a.m. anfallen, lassen sich überraschend aromaintensive Suppen fabrizieren, wenn man sie zuvor weichgekocht hat. Und die gewünschte Konsistenz der pürierten Suppen lässt sich sehr gut durch die Dosierung des Kochwassers beziehungsweise einer Gemüsebrühe beim Pürieren steuern. Natürlich kann man Gemüse, etwa Suppengrün, auch in einer Fleischbrühe pürieren.
Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:
- Brioche statt Brei: Wie die Hugenotten die preußische Küche aufmischten
- Weihnachten in Zeiten von Krieg und Inflation: Die besinnliche Flucht vor der Dauerkrise
- Feine winterliche Gemüseküche: Don't call it Grünkohl!
- Den Dezember unbeschwert genießen: Her mit dem Winterspeck!
- Gustav Mahlers 3. Symphonie: Musik zwischen Romantik und Größenwahn
- Zum 80. Geburtstag von Jimi Hendrix: Im Rock’n’Roll-Feuer verbrannt
Zu meinen eher schrillen Experimenten mit pürierten Suppen gehört ein sehr gelungener Versuch mit den Schalen und Köpfen bereits gegrillter (und zuvor mit Knoblauch, Chili und Ingwer marinierter) Großgarnelen. Die Schalen fein zerkleinern (dabei könnte auch der oben erwähnte Granit-Mörser zum Einsatz kommen). Dann anrösten, mit trockenem Weißwein ablöschen, etwas Wasser aufgießen, immer wieder kräftig auf dem Topfboden zerdrücken, eine Weile zusammen mit ein paar Algen köcheln lassen – und dann das Ganze pürieren. Man ahnt nicht, wie viel Geschmack sich auf diese Weise aus den Schalen extrahieren lässt. In diesem Fall aber unbedingt nach dem Pürieren durch ein Sieb gießen, sonst knirscht es in der Suppe.
Verfeinern und gerne eine Einlage
Wenn man Suppen nach dem Püriervorgang erneut erwärmt (aber nicht mehr kocht) kann man sie nach Gusto veredeln, mit Gewürzen, Kräutern, etwas Zitronensaft, Essig und auch Créme fraiche. Derartige Suppen sind auch so ein Genuss, aber es spricht auch nichts gegen eine Einlage, wie zum Beispiel bissfest gegartes Gemüse, würzige Hackbällchen oder Wiener Würstchen. Oder wie im Fall meiner experimentellen Krustentierschalen-Suppe gewürfelte Fischfilets. Pürierte Suppen (ohne Einlage) sind ein paar Tage im Kühlschrank haltbar, lassen sich aber auch einfrieren.
Bei dieser Ausgabe der Genusskolumne geht es weder um ein bestimmtes Lebensmittel noch um ein bestimmtes Gericht, sondern um eine Kochtechnik. Deswegen gibt es auch kein Rezept. Und eine dringende Empfehlung. Wer noch keinen Zauberstab hat, sollte sich schleunigst einen besorgen.
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Alles was Herr Balcerowiak hier empfiehlt, kann ich nur bestätigen. Ich habe in diesem Winter diese pürierten Suppen für mich entdeckt. Ein herrliches Experimentierfeld, obwohl mir ein Pürierstab fast abgeschmiert wäre, weil die Strünke vom Blumenkohl wohl doch noch nicht die geeignete Konsistenz hatten. Als der Stab schon anfing jämmerlich zu kreischen und sich in der Küche ein unangenehmer Gummigeruch breit machte, habe ich das „Handwerk“ lieber abgebrochen, bevor mir auch noch die Sicherung rausgeflogen wäre;-)
Beim Verfeinern kann man sich kreativ austoben, Schärfe tut immer gut und Resteverwertung auch. Die sonst weggeworfenen Blätter und Strünke eignen sich hervorragend, und der Autor hat recht, dass man über wenig Kochwasser zu schmackhaften Ergebnissen kommt. Außerdem wärmt die heiße Suppe an diesen grauen, nassen und kalten Winterabenden Geist, Seele und die ewig kalten Füße. In diesem Sinne: Bon Apetit.
400 g Möhren grob geschnitten + Wallnuss großes Stück Ingwer in einem Topf geben, in dem mit etwas Olivenöl eine mittlere Zwiebel und eine Knoblauchzehe, beides grob geschnitten, vorher angeschwitzt wurden. 1 TL Zucker zugeben und alles mehrfach umrühren damit der Zucker leicht karamellisiert. Mit etwa 500 ml Gemüsebrühe ablöschen und alles gar kochen. (Ich bereite immer ca. 700 ml Gemüsebrühe zu, um Reserve zu haben wenn mir die Suppe zu dick erscheint, dann nachgießen) Wenn die Möhren gar sind Hitze reduzieren und ein etwa 1 cm dicker Streifen Butter (von der Querseite des Stückes) hinzugeben und schmelzen lassen. danach alles pürieren. Vorher noch eine Orange auspressen und nach Geschmack zugeben. Aber schön vorsichtig, es sollte keine Orangensuppe werden?lieber den Rest O Saft trinken. Mit Salz & Pfeffer abschmecken. 2 Weißbrotscheiben tosten und in kleine Würfel schneiden und als Einlage dazu reichen. Etwas frische Petersilie auf den angerichteten Teller geben. Guten Appetit
"Wer noch keinen Zauberstab hat, sollte sich schleunigst einen besorgen." Es sollte dann aber schon einer der besseren Sorte sein. Mit Turbofunktion und vielen Geschwindigkeiten. Das Messer sollte durch einen glockenförmigen Spritzschutz die Umgebung schonen. Dann kann man auch eine schnelle, feste Mayonnaise (200ml Rapsöl, 1 ganzes Ei, Senf u.a.) herstellen, ohne die ganze Küche zu versauen.
Ansonsten: für Suppen (z. B. Kürbis) ganz große Klasse!
Ein super Tip, Herr Timm. Seit ich das vor zig Jahren mal im Fernsehen gesehen habe, mache ich die Mayo nur noch so. Dabei kann man das Grundrezept auf vielfältige Arten nach persönlichem Gusto variieren, das Internet ist voll davon. Mit etwas Knoblauch oder anderen Kräutern schmeckt das ganz hervorragend und ist quasi in einer Minute fertig. Das Wichtigste ist aber, ein ganz schlankes Gefäß zu nehmen, am besten nicht viel breiter als der Pürierstab, und den Stab dabei am Boden halten, erst etwas hochziehen, wenn die Mayo schon fast steht. Ansonsten wird´s nix.
ist auch bei mir ein unentbehrliches Utensil in der Küche, besonders im Sommer/Herbst beim Marmelade kochen. Geht es viel schneller wenn die Früchte püriert werden.
Und spart Energie, durch kürzere Kochzeiten.
Auch beim Kochen von Apfelmus und natürlich beim Kochen von sämiger Kürbissuppe oder Kartoffelbrei, macht er sich unentbehrlich.
Eine ausgezeichnete, kraftsparende Erfindung.
Kann mir da keinen Haushalt ohne diesen vorstellen.