- ...wie sie mit dem neuen Ernährungsirrsinn umgehen soll
Fleisch, Klöße, der gute Braten: Das war einmal. Heute versammeln sich Vegetarier oder, schlimmer, Veganer um den Tisch. Beobachtungen von Amelie Fried
Neulich hatte ich Gäste zum Abendessen. Am Tisch saßen: ein Vegetarier, eine Veganerin, ein Lactose-Intoleranzler, eine Gluten-Allergikerin und eine Anhängerin der Low-Carb-Diät.
Freundlicherweise hatten mich alle Gäste vorher auf ihre Ernährungspräferenzen aufmerksam gemacht, jeder in der Annahme, er sei der Einzige mit Sonderwunsch („Es macht dir ja sicher keine Mühe …“). Doch, macht es! Versuchen Sie mal, ein Menü zu komponieren, das alle Einschränkungen berücksichtigt. Fleisch wegzulassen ist das kleinste Problem. Aber wenn auch Fisch, Eier, Käse und Nudeln nicht mehr gehen, bleibt außer dem, was man üblicherweise ans Meerschweinchen verfüttert, nicht mehr viel übrig.
Ich servierte also einen Rohkost-Linsen-Salat, gefolgt von Kürbisspalten mit Brokkoli-Pilz-Garnierung, zum Nachtisch Obstsalat ohne alles, denn aus der veganen Reissahne ließ sich beim besten Willen keine Schlagsahne herstellen. Beim Wein langten übrigens alle kräftig zu, so ein Menü muss man sich wohl schöntrinken.
Natürlich sind Vegetarier (von Veganern ganz zu schweigen) moralisch unangreifbar, und Attacken auf sie verbieten sich von selbst. Allergiker jeder Couleur haben nichts anderes verdient als unser Mitgefühl. Selbst das Ansinnen, mittels einer kohlenhydratarmen Ernährung an Gewicht zu verlieren, sollte mit Wohlwollen betrachtet werden, da es der Gesundheit dient und die Krankenkassen entlastet.
Darf ich es trotzdem sagen? Es nervt!
Es gab Zeiten, da war gemeinsames Essen ein Grund zur Freude. Heute gleichen viele Einladungen einem Spaziergang übers Minenfeld, neben dem fragwürdigen kulinarischen Erlebnis muss man froh sein, wenn zwischen den Gästen beim Streit um Ernährungslehren keine Schlägerei ausbricht.
Kann es sein, dass dieser Irrsinn ein Auswuchs der Überflussgesellschaft ist? Seltsam: Vegetarismus und Veganismus hatten kaum Anhänger, als sie am einfachsten zu praktizieren gewesen wären: als es sowieso kaum Fleisch zu kaufen gab. Ausgerechnet jetzt, wo wir alle kulinarischen Genüsse dieser Welt haben könnten, entscheiden sich immer mehr Menschen, immer weniger davon zu wollen. Nun sitzen wir an leeren Tischen und mümmeln ein paar konsensfähige Kräuter.
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