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Tarek Al-Wazir - Wegbereiter für Schwarz-Grün?

Unter Roland Koch hatte der Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir viel auszuhalten. Ausgerechnet er will nun der CDU zur Mehrheit verhelfen. Wie konnte das passieren?

Autoreninfo

Stephan Hebel ist Journalist und Autor des Merkel-Buches „Mutter Blamage und die Brandstifter“.

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Von Offenbach nach Berlin sind es 547 Kilometer, und Tarek Al-Wazir wirkt nicht, als hätte er Lust, sich auf den Weg zu machen. „Wenn mir jetzt gesagt wird: Du musst nach Berlin, kann ich nur sagen: Ja, als was denn?“, hat der hessische Grüne gerade in der „taz“ verkündet.

Mag sein, dass Al-Wazir da ein bisschen kokettiert: Dass er in jüngster Zeit sehr intensiv gebeten worden wäre, in die Bundespolitik zu wechseln, ist nicht überliefert. Im Unterschied übrigens zu 2009, als er die hessischen Grünen mit 13,7 Prozent zum besten Landtagswahl-Ergebnis aller Zeiten geführt hatte. Damals waren die Rufe, er möge jetzt für den Bundestag kandidieren, laut genug, um die 547 Kilometer zu überwinden. Das Magazin der „Süddeutschen Zeitung titelte schon „Der kann Kanzler“. Aber Al-Wazir entschied sich, zu Hause zu bleiben: zu Hause in Offenbach bei Frau und zwei Kindern. Und zu Hause im Wiesbadener Parlament, wo er die „Oppositionsführerschaft“ übernehmen wollte, um möglichst nach der nächsten Wahl im Land mit der SPD zu regieren.

Das ist nun anders gekommen: Die Grünen bekamen bei der Landtagswahl immer noch respektable, aber eben nicht sensationelle 11,1 Prozent. Zusammen mit der SPD lagen sie vor der CDU, aber Linke und FDP schafften es knapp wieder ins Parlament, so dass aus Rot-Grün nichts wurde. Wieder einmal herrschten und herrschen hessische Verhältnisse: Rot-Grün-Rot hätte eine knappe Mehrheit, ansonsten geht nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, nachdem die FDP mit ihren 5,0 Prozent demütig genug war, eine Ampel auszuschließen.

Zwei prägende Erfahrungen mit Roland Koch


Eine komplizierte Lage, aber genau deshalb hat Tarek Al-Wazir heute bessere Gründe denn je, in Hessen zu bleiben: An ihm und seinen Landesgrünen wird es entscheidend liegen, welches Experiment im Polit-Labor Hessen dieses Mal ausprobiert wird – mit langfristigen Folgen für die Parteienkonstellation im Bund. Wenn es nach Tarek al-Wazir geht, wird das Kind der Arbeiterstadt Offenbach zum Wegbereiter des neubürgerlichen Bündnisses zwischen den Grünen und der CDU – auf längere Sicht auch für den Bund.

Als im hessischen Labor-Landtag die bundesweit erste rot-grüne Landesregierung und ihr Umweltminister Joschka Fischer vereidigt wurden, war Tarek Al-Wazir ein 14-jähriger Schüler. Schon 1989, zwei Jahre vor dem Abitur, trat der damals 18-Jährige den Grünen bei, 1995 saß er im Landtag. Damals regierte der CDU-Rechtsaußen Roland Koch, dem Tarek Al-Wazir zwei wohl prägende politische Erlebnisse verdankt – und zwar solche, die nicht vermuten ließen, dass er mit Kochs Partei jemals Freundschaft schließen würde.

Da war zum einen die Schmutzkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, mit der Koch die Landtagswahl 1999 zu seinen Gunsten wendete. Tarek Al-Wazir, Sohn einer deutschen Mutter und eines jemenitischen Vaters, war der einzige Politiker weit und breit, der damals bereits zwei Pässe besaß. Er hat später erzählt, mit welchem Hass ihm die Leute auf dem Offenbacher Marktplatz begegneten, die gerade bei der CDU gegen den Doppelpass unterschrieben hatten.

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Da war zum anderen der Slogan "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!", den Koch im Landtagswahlkampf 2008 plakatieren ließ. Die fremdenfeindliche Botschaft, die die CDU allen Ernstes bestritt, erläuterte Al-Wazir mit der ihm eigenen, schlagenden Rhetorik: Wäre SPD-Spitzenfrau unter ihrem Mädchennamen angetreten (Dill) und Tarek Al-Wazir unter dem Mädchennamen seiner inzwischen geschiedenen Mutter (Knirsch) – den Slogan „Dill, Knirsch und die Kommunisten stoppen“ hätte es nie und nimmer gegeben.

Warum wird ausgerechnet Tarek al-Wazir nun womöglich zum Wegbereiter von Schwarz-Grün?

Zum einen dürfte er der verbreiteten Theorie anhängen, dass die CDU sich ja grundlegend gewandelt habe. Das stimmt, auch in Hessen, insofern, als Koch-Nachfolger Volker Bouffier einen erstaunlichen Prozess der Merkelisierung hinter sich hat. Vom bissigen Innenminister ist er zum leutseligen Ministerpräsidenten geworden, und zum geschmeidigen noch dazu: Als der Protest im Land gegen die pädagogisch fragwürdige und schlecht organisierte Verkürzung der Gymnasialzeit auf acht Jahre zu stark zu werden drohte, da war es Bouffier, der wieder mehr neunjährige Gymnasien forderte. Und auch in Stilfragen hat er seine traditionell rechtslastige Hessen-CDU auf Gesprächsbereitschaft nach (fast) allen Seiten getrimmt.

Tarek Al-Wazir hat sich längst dem Mainstream angepasst


Was allerdings ebenso richtig ist, und was grüne Realos wie Al-Wazir gern übersehen: Während sich die CDU in gesellschaftlichen Fragen begrenzt modernisiert, fährt sie umso ungestörter einen wirtschaftspolitisch nicht gerade linken Kurs, trotz Mindestlohn im Bund. Was bei Merkel die Lobbyarbeit für die Autoindustrie, das ist bei Bouffier der Frankfurter Flughafen: Hier die Grenzen des Wachstums zu erkennen, davon ist diese CDU meilenweit entfernt.

Doch Hessens wichtigsten Grünen wird das nicht bremsen. Denn er ist – und hier liegt der zweite Grund für seine schwarz-grünen Ambitionen – ein ganz normaler Politiker des angeblich so postideologischen Zeitalters geworden. Mit all seiner beachtlichen Intelligenz widmet sich Tarek Al-Wazir der Anpassung an den Mainstream des etablierten Bürgertums. Da mag man im Wahlkampf die Haltung vertreten, die auf mehr sozialen Ausgleich und staatliche Daseinsvorsorge setzt, finanziert durch höhere Steuern für Reiche. Aber nach der Wahl muss diese Überzeugung keineswegs mehr gelten. Mit den Worten von Tarek al-Wazir: „Klar, die Leute wollen nicht belogen werden. Aber offensichtlich wollen sie auch nicht die ganze Wahrheit auf einmal hören. Und daraus sollte man eine Lehre ziehen.“

Wo die Inhalte abgeräumt sind – oder sich dem einstigen Gegner zunehmend anpassen -, kann die Lehre umso leichter Schwarz-Grün heißen. Denn es geht ja um Machtoptionen. Und wer wird bestreiten, dass eine davon darin besteht, der CDU zur Mehrheit zu verhelfen? Für alle, die das in Berlin demnächst wollen, lohnt der Blick nach Wiesbaden – und nach Offenbach.

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