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Mein Schüler Rösler - „Philipp meinte, er sei witzig“

Sprüche über Mitschüler, Witze über den Fernseher des Lehrers: Helmut Schnitter hat die Auftritte seine Schülers Philipp Rösler nie komisch gefunden. So ist es auch heute

Autoreninfo

Schnitter, Helmut

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Die Lutherschule in Hannover war in den Neunzigern eine Hochburg des Philologenverbands, also eher konservativ, es gab sehr wenige Achtundsechziger-Lehrer. Ich hatte Philipp Rösler in der Oberstufe in Englisch. Äußerlich wirkte er unauffällig und angepasst, aufmüpfig war er nicht, und als politisch aktiv habe ich ihn auch nicht erlebt. Bei mir im Unterricht war er durchschnittlich. Er fiel aber dadurch auf, dass er gerne Sprüche über andere machte. Er meinte, er sei dadurch witzig. Aber ich hatte den Eindruck, das haben seine Mitschüler nicht unbedingt so empfunden. Ich erinnere mich an eine Situation: Wir haben in Englisch einen Roman gelesen und anschließend den Film geschaut, den es dazu gab. Es könnte „Kes“ nach dem Buch „A Kestrel for a Knave“ von Barry Hines gewesen sein oder „Animal Farm“ von George Orwell, das weiß ich nicht mehr genau. Für den Film habe ich die Klasse zu mir nach Hause eingeladen. Rösler kam auch, ich habe einen kleinen Imbiss und etwas zu trinken hingestellt, und es war eigentlich alles ganz schön. Aber Rösler hat eine dumme Bemerkung über meinen Fernseher gemacht. Das war so ein Grundig-Gerät, weder alt noch neu. Ein ganz normaler Fernseher. Darum lachte auch keiner.

In der Presse erzählte Rösler später immer wieder die Geschichte, er hätte an der Schule deshalb keine Probleme wegen seines asiatischen Aussehens bekommen, weil die Leute dachten, er könne Karate. Darum hätten sie ihn in Ruhe gelassen. Das nehme ich ihm eigentlich übel, denn es ist ein großer Blödsinn. Die Lutherschule hatte immer schon Schüler aus ganz unterschiedlichen Familien: Aus der Unigegend kamen die Professoren- und Bürgerkinder, aber im Einzugsbereich der Schule war die Kernfabrik von Continental, also kamen beispielsweise auch Kinder aus türkischen Familien. Und es gab in den Neunzigern längst Schüler asiatischer Herkunft. Ich habe nie gehört, dass irgendjemand damit irgendein Problem gehabt hätte. 

Aufgezeichnet von Constantin Magnis. In der Cicero-Serie „Mein Schüler“ zur Bundestagswahl spürt der Cicero-Reporter Lehrer unserer Spitzenpolitiker auf

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