- Soforthilfe, aber bitte ohne Renaturierung
Nach der Flut beginnt der Wiederaufbau. Milliarden von Euro stehen dafür bereit. Doch das ganze Ausmaß wird erst jetzt sichtbar. Wie schnell erholen sich die Katastrophengebiete?
Die Bilder der braunen Fluten sind erst wenige Wochen alt. Trotzdem herrscht in den meisten Hochwasserregionen in Deutschland schon wieder Aufbaustimmung. Häuser werden geschrubbt, Fundamente getrocknet. Erste belastbare Zahlen lassen das ganze Ausmaß der Flut 2013 erahnen. Und auch die finanziellen Hilfen sind längst angelaufen. Dennoch wird es Jahre dauern, bis die Folgen der Flut nicht mehr sichtbar sind.
Wie hoch sind die Schäden?
Geringer als befürchtet.
Die von der Flut betroffenen Bundesländer haben erstmals Bilanz gezogen und vorläufige Schadensmeldungen an den Bund geschickt. Demnach beläuft sich der Gesamtschaden in Deutschland auf rund 6,68 Milliarden Euro. Der Hilfsfonds, den die Bundesregierung zusammen mit den Ländern auflegt, hätte sogar bis zu acht Milliarden Euro abdecken können. Der Bund streckt das Geld bisher vor und macht dafür neue Schulden. Bis 2020 haben die Länder dann Zeit, ihren Anteil von etwa drei Milliarden abzustottern. Momentan sieht es also so aus, als würde die Fluthilfe ausreichen. Es ist jedoch gut möglich, dass sich die Schadenssumme noch deutlich erhöht.
[[nid:54687]]
Zum einen kommen auch auf den Bund weitere Kosten zu – für Schäden an Bundesstraßen, Liegenschaften und für die Einsätze des Technischen Hilfswerks sind das etwa 1,48 Milliarden Euro. Zum anderen wies ein Sprecher des Innenministeriums in Sachsen-Anhalt darauf hin, dass in einigen Regionen das Wasser noch immer nicht vollständig zurückgegangen sei. „Dadurch können weitere Kosten entstehen, die sich jetzt noch gar nicht abschätzen lassen“, sagte der Sprecher. Auch die übrigen Bundesländer hatten die Bilanz in aller Eile gezogen, um pünktlich zum Stichtag am 9. Juli die Zahlen an das Bundesinnenministerium melden zu können. Von dort wird die Gesamtbilanz nach Brüssel weitergegeben, denn auch von der EU soll Hilfe kommen. Deutschland dürfte noch einigermaßen glimpflich davon gekommen sein. Die Ratingagentur Fitch hatte den Schaden auf rund zwölf Milliarden Euro geschätzt. Bei der letzten großen Flut im Jahr 2002 lag der Gesamtschaden in Deutschland bei rund 13 Milliarden Euro.
Welche Bereiche sind von der Flut besonders betroffen?
Die Zerstörung durch die Flut ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich stark und betrifft verschiedene Bereiche. Sachsen-Anhalt, das mit einem Schaden von 2,7 Milliarden Euro am stärksten betroffene Bundesland, meldet die größte Schadenssumme im Bereich der kommunalen Infrastruktur. Das Wasser hat hier Straßen, Brücken, Strom- und Wasserleitungen zerstört. Allein dieser Posten schlägt mit 1,25 Milliarden Euro zubuche. Doch auch Privathäuser und Geschäfte wurden in Mitleidenschaft gezogen. Etwa eine Milliarde Euro wird hier der Wiederaufbau kosten.
Auch in Brandenburg sind Teile der Infrastruktur zerstört. Am stärksten ist aber die Landwirtschaft vom Hochwasser betroffen, wie eine Sprecherin des Finanzministeriums sagte. Angaben des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums zufolge wurden landesweit rund 38.000 Hektar Agrarfläche überschwemmt und ein Großteil der Ernte vernichtet. Allein in den sogenannten Havelpoldern, in denen zur Entlastung der Elbe bis zu 50 Millionen Kubikmeter Wasser gestaut wurden, sind 7600 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche betroffen. Der finanzielle Schaden der Bauern wird auf knapp 43 Millionen Euro geschätzt. Also etwa die Hälfte der 92 Millionen Euro Gesamtschaden in Brandenburg.
Damit richtete das Hochwasser in ganz Brandenburg weniger Schaden an als in Sachsens Landeshauptstadt. Allein in Dresden entstanden Kosten von 137 Millionen Euro. In Sachsen meldeteten die Kommunen insgesamt 13.700 einzelne Schadensfälle. Der Wiederaufbau wird wohl fast zwei Milliarden Euro kosten. Bayern meldet 1,3 Milliarden, Thüringen 450 Millionen, Niedersachsen 76,4 Millionen, Baden-Württemberg 74 Millionen, Schleswig-Holstein 25 Millionen, Hessen 21 Millionen, Mecklenburg-Vorpommern 8 Millionen und Rheinland-Pfalz 4,4 Millionen.
Wie funktioniert die Hilfe?
Die Gelder aus dem Fluthilfefonds fließen nicht sofort, sondern werden in den kommenden Jahren in den Wiederaufbau der Infrastruktur gesteckt. Dasselbe gilt für Hilfen aus dem Solidaritätsfonds der Europäischen Union. Deutschland hat bereits einen Antrag gestellt und kann in etwa drei bis vier Monaten mit Geld rechnen. Die Hilfen des Fonds sind allerdings auf 500 Millionen Euro gedeckelt.
Die Menschen, deren Hab und Gut von den Fluten zerstört wurde, können darauf allerdings nicht warten. Die meisten Länder haben deshalb Programme zur Soforthilfe aufgelegt. Niedersachsen etwa unterstützt Privatpersonen mit maximal 2500 Euro. Bei Härtefällen, die in eine soziale Notlage geraten, können bis zu 20.000 Euro pro Haushalt ausgezahlt werden. Schäden an Gebäuden werden ab einem Gesamtschaden von 10.000 Euro mit maximal 5000 Euro kompensiert. Es werden aber immer nur maximal 25 Prozent der Kosten abgedeckt. In Sachsen sind Zahlungen von bis zu 50 Prozent für Privatpersonen möglich. Härtefälle können bis zu 200.000 Euro Unterstützung beantragen. Die Kommunen sollen sich nur zu 10 Prozent an der Wiederherstellung der Infrastruktur beteiligen müssen.
Welche Lehren werden gezogen?
Dass die Rechnung für die Flut dieses Jahr im Vergleich zur Hochwasserkatastrophe 2002 so gering ausfällt, liegt vor allem daran, dass einige Gemeinden sich besser vorbereitet hatten. Die Vorwarnzeiten waren diesmal deutlich länger, so dass mehr Zeit blieb, die Gebiete geordnet zu evakuieren. Einige Bewohner konnten sogar noch Wertgegenstände in Sicherheit bringen. Das Krisenreaktionszentrum beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und die Krisenplattform Denis haben geholfen, die Helfer vom Roten Kreuz, dem Technischen Hilfswerk, den Feuerwehren und der Bundeswehr zu koordinieren. Auch die Länder stimmten sich besser ab. Sachsen-Anhalt und Sachsen hatten nach der Flut 2002 eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist unter anderem ein gemeinsames Vorgehen bei der Sanierung der Deiche an der Landesgrenze und die Abstimmung zum Bau von Poldern. International arbeiten verschiedene Länder in der Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) zusammen, in der beispielsweise auch Tschechien organisiert ist.
Der effektivste Schutz wäre aus Sicht des Bundesamts für Naturschutz eine flächendeckende Renaturierung entlang der Flüsse, um mehr natürliche Überflutungsflächen zu schaffen. Politisch lässt sich das aber kaum durchsetzen, da dies auf Kosten wertvollen Baulands gehen würde. Bewohnte Flächen aufzugeben, ist ebenfalls illusorisch. In Städten wie Dresden, wo der Fluss direkt durch urbanes Gebiet führt, ist eine Renaturierung völlig ausgeschlossen. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft forderte daher auch mehr Initiative von Privatpersonen. Sie sollten in Schutzmaßnahmen wie etwa Rückstauventile und Rückstauklappen investieren.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.