- wie sie sich gegen Vegetarier wehren soll
Früher war es einfach Fleisch zu essen. Heute fällt es immer schwerer, die notwendige Verdrängungsleistung zu erbringen, um Fleisch noch genießen zu können. Frau Fried fragt sich, wie sie sich gegen die Vegetarier wehren soll
Dieser Text erschien zunächst in der Printausgabe des Cicero (April). Wenn Sie das monatlich erscheinende Magazin für politische Kultur kennenlernen wollen, können Sie hier ein Probeabo bestellen.
Ich esse gern Fleisch. Als Schwäbin ekle ich mich auch nicht vor Innereien, und mir ist klar, dass grobe Leberwurst sich nicht wesentlich von dem unterscheidet, was sich in den Futterdosen unseres Katers befindet. Warum alle so überrascht waren, dass in Lasagne für 1,99 Euro kein Bio-Rinderfilet drin ist, verstehe ich nicht. Dass hochwertige Lebensmittel nicht billig zu haben sind, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben.
Mein Problem ist: Ich fühle mich verfolgt. Mein vegetarisches Über-Ich heißt Hanna und ist eine Freundin von mir. Wenn wir zusammen im Restaurant sind, bestelle ich kein Fleisch, weil ich weiß, dass sie es nicht gerne sieht. Wenn jemand bei Facebook das Foto einer Schlachtplatte postet, schreibe ich nicht „Oh, lecker!“ darunter, weil ich Sorge habe, sie könnte es lesen. Hanna gehört nicht zu den Vegetariern, die neben dem Würstchengrill stehend Vorträge über Massentierhaltung halten. Sie erwähnt ihre vegetarische Lebensweise nur, wenn man ihr Fleisch aufdrängen will, nicht um zu missionieren. Trotzdem macht Hanna mir ein schlechtes Gewissen, und das nehme ich ihr übel.
Früher wäre es einfach gewesen. Da hätte ich Hanna als wunderliche Körnerfresserin belächelt und ungerührt weiter meine blutigen Steaks verspeist. Früher war Vegetarier-Bashing Mainstream. Heute, wo wir alle genau wissen, unter welchen Umständen unsere Steaks produziert werden, fällt es immer schwerer, die notwendige Verdrängungsleistung zu erbringen, um Fleisch noch genießen zu können.
Dokumentationen über Tiertransporte und Schlachthöfe im Fernsehen sehe ich mir absichtlich nicht an – wozu gibt es Foodwatch? Ich rede mir ein, dass die teure Bio-Lende, die ich meistens kaufe, von einem Tier stammt, das glücklich auf der Wiese gegrast hat und fröhlich muhend in den Tod getrabt ist. Und ich beruhige mich damit, dass den Tieren ja auch nicht geholfen ist, wenn ich sie nicht esse – schließlich sind sie ja schon tot. Kurz: Ich möchte auf gar keinen Fall aufhören, Fleisch zu essen. Ich bestelle jetzt mal die Tageszeitung ab, sperre meine vegetarisch lebenden Freunde bei Facebook aus und boykottiere die Fernsehnachrichten. Die Ernährungsdebatte kann ruhig ohne mich stattfinden. Wer beim Essen das Wort Tierquälerei in den Mund nimmt, wird von meiner Einladungsliste gestrichen. Artikel über die Umweltbelastung durch Fleischherstellung melde ich als Spam. Und zu diesem blöden Arzt, der mir erzählen will, übermäßiger Fleischkonsum sei gesundheitsschädlich, gehe ich einfach nicht mehr hin. Wäre doch gelacht, wenn ich es nicht schaffen würde, keine Vegetarierin zu werden!
Amelie Fried ist Fernsehmoderatorin und Bestsellerautorin. Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst noch an Fragen aufwirft
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