- Politik sucht nach Lösungen für Protestcamps
In Berlin, München und Hamburg zelten seit Monaten Flüchtlinge und protestieren für mehr Rechte. Gleichzeitig steigt die Zahl der Asylanträge. Anwohner wehren sich gegen Asylbewerberheime. Wie ist die Situation einzuschätzen?
Kaum ein Tag vergeht in Berlin ohne Meldungen zu Flüchtlingen: In Wittenau zäunen Anwohner ihren Spielplatz ein, um Kinder aus dem benachbarten Flüchtlingsheim fernzuhalten. In Hellersdorf gibt es Proteste gegen ein neues Asylbewerberheim und anschließend Kundgebungen dafür. In Tegel blockieren Aktivisten wegen einer geplanten Abschiebung stundenlang den Flughafen.
Am Oranienplatz zelten seit vergangenem Jahr Flüchtlinge, die aus ganz Deutschland kamen, um für mehr Rechte zu demonstrieren. Ähnliche Camps gibt es auch in München und in Hamburg – überall sucht die Politik noch nach Lösungen.
Fest steht: In Deutschland gibt es derzeit so viele Flüchtlinge wie seit zehn Jahren nicht mehr. 77 651 Asylanträge gab es 2012 laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Allein im ersten Halbjahr 2013 sind es schon fast 50 000. Das sind 74,4 Prozent mehr als im selben Zeitraum im Vorjahr. Die Zahl setzt sich allerdings sowohl aus Erstanträgen von Menschen zusammen, die neu nach Deutschland kommen, als auch aus Folgeanträgen von Flüchtlingen, die bereits hier leben.
Die Zahlen liegen zwar immernoch deutlich unter dem Allzeithoch von 1992, als in Deutschland noch 438191 Anträge bearbeitet wurden. Dennoch scheinen viele Bundesländer mit der Unterbringung überfordert.
Seit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 ging die Zahl der Asylbewerber bis 2008 stetig zurück. Die Regelung ist eine Einschränkung des Grundrechts auf Asyl, wie es in Artikel 16 festgeschrieben ist. So wurde festgelegt, dass Menschen, die aus einem sogenannten sicheren Drittstaat einreisen, keinen Antrag auf Asyl in Deutschland mehr stellen können. Darunter fallen alle Länder, die Deutschland umgeben. Im Ergebnis können Flüchtlinge Deutschland seitdem legal nur noch mit dem Flugzeug erreichen. Außerdem gibt es seit der Asylrechtsreform eine eigene Grundversorgung für Asylsuchende, die nicht der Sozialhilfe entspricht, sondern Sachleistungen statt Geld ermöglicht sowie die Einweisung in Gemeinschaftsunterkünfte.
Trotz der Verschärfungen im Asylrecht bearbeitet Deutschland laut einer Erhebung von Eurostat mit rund 23 Prozent noch immer die meisten Anträge innerhalb der Europäischen Union. Die tatsächliche Belastung der Staaten hängt aber stark von der Einwohnerzahl ab. In Deutschland kommen auf eine Million Einwohner demnach 945 Flüchtlinge. In Malta, das tatsächlich nur rund 400 000 Einwohner hat, ergäbe sich rechnerisch die höchste Dichte in der EU mit 4 980 Flüchtlingen pro eine Million Einwohner.
Vergleichsweise wenige Anträge auf Asyl gab es 2012 in Italien. Rund 15000 Flüchtlinge beantragten Asyl, auf eine Million Italiener also nur etwa 260 und damit deutlich weniger als in Deutschland. Doch in Italien konzentriert sich das Flüchtlingsproblem auf die Insel Lampedusa, wo die Camps völlig überfüllt sind. Besonders nach den Umbrüchen in den Staaten des Arabischen Frühlings wagen viele die gefährliche Flucht von Nordafrika über das Mittelmeer.
Syrer machten in diesem Jahr in Deutschland die zweitgrößte Gruppe aus. Die meisten Antragsteller kommen aber wie schon in den Vorjahren aus Russland. Das Amt für Migration schlüsselt die Zahlen nicht genau auf, es ist aber davon auszugehen, dass ein Großteil dieser 9957 Antragsteller aus Tschtschenien stammt.
Schaffen es die Antragsteller tatsächlich nach Deutschland, werden sie nach einem Schlüssel auf die verschiedenen Bundesländer verteilt. Nordrhein-Westfalen nahm 2013 die meisten Flüchtlinge auf.
Die meisten Asylsuchenden müssen ihre Hoffnung auf eine Aufnahme in Deutschland allerdings aufgeben. Gerade einmal 1,2 Prozent der Antragsteller wurden als Asylberechtigte im Jahr 2012 von Deutschland anerkannt. 13 Prozent wurde Flüchtlingsschutz gewährt, 16,8 Prozent wurden wenigstens nicht abgeschoben, da in ihren Herkunftsländern etwa Bürgerkrieg herrscht. Eine Aufenthaltserlaubnis bekommen sie dann nicht. Werden aber geduldet, bis sie in ihr Heimatland zurückkehren können. EU-weit wurden 2012 rund Dreiviertel der Asylanträge in erster Instanz abgelehnt
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