Eine Frau geht am Landtagsgebäude vorbei vor der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags. Zum ersten Mal hat die AfD als stärkste Fraktion das Vorschlagsrecht für das Amt des Landtagspräsidenten / picture alliance

Aufstieg der AfD - Zombie-Faschismus?

Ist das Wahlverhalten wirklich bloß eine Reaktion auf bestehende Zustände, wie Politologen behaupten? Oder verweist es auf tiefergehende strukturelle, familiäre und historische Kontinuitäten? Einige Bemerkungen zur Kontinuität politischer Dispositionen.

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, diverse Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Er ist Visiting Scholar der Fudan University, Shanghai. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt „Was ist Schönheit? Eine kurze Geschichte der Ästhetik“ (Herder Verlag).

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Bereits 2015 hatte der französische Ethnologe und Historiker Emmanuel Todd einen Begriff geprägt, der zumindest in Frankreich zu einem Aufschrei der Empörung sorgte – „Zombie-Katholizismus“. Verkürzt lautet seine These, dass selbst in einem laizistischen Staat, dessen Bewohner mehrheitlich Agnostiker oder Atheisten sind, religiös motivierte Einstellungen und Handlungsweisen über Jahrhunderte hinweg unterschwellig fortexistieren und wie ein Zombie wiederkehren können.

Untote Dispositionen, Mentalitäten und Überzeugungen

Konkret: Jene traditionell reaktionären und zutiefst katholisch geprägten Regionen Frankreichs, die schon 1789 gegen die Revolution waren und ihr säkulares Versprechen von Freiheit und Gleichheit ablehnten, die sich während der Dreyfus-Krise besonders antisemitisch gebärdeten und während des Zweiten Weltkrieges intensiv mit den deutschen Besatzern kollaborierten, gerade sie erweisen sich auch im 21. Jahrhundert als tendenziell autoritär, auffallend xenophob und zeigen mehrheitlich Sympathien mit dem bei Kritikern als rechtsextrem geltenden Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. 

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Sebastian Niemeyer | Mo., 28. Oktober 2024 - 15:20

Das klingt alles so bestimmt und sicher.
Aber wenn ich noch einmal nachlese, ist da kein einziger Inhalt.

Selbsterklärende Evidenz, dass die AfD Faschistoid ist?

Ich muss wirklich sagen, dass Artikel wie dieser mich verstören, Lese ich den Cicero, erwarte ich etwas mehr als von der Bild.

Jede These ist erlaubt, aber wer mit solchen Hammern um die Ecke kommt, der möge bitte mehr liefern als den dumpfen Holzhammer.
Die Schlagwort dichte hier ist erheblich, nur stet alles scheinbar selbstevident im Raum.

Und dazu noch ein Bild mit Kontext zur konstituierenden Sitzung, dem schlimmsten Demagogenstück seit Correctiv.

Cicero jetzt auch unter die Demagogen und Hetzer gegangen?

Erbärmlich

Grüße

Karsten Dörre | Mo., 28. Oktober 2024 - 15:36

Der Wahlzusammenhang Thüringens mit NSDAP 1933 und AfD 2024 ist an sich wenig überzeugend. Wieso wählten diese Thüringer nicht schon bzw. seit 1991 NPD? War bis ca. 2015 die politisch thüringische Welt noch in Ordnung? Und wenn ja, passen Merkels Harakiri-Politik im Bund und die Ramelow-Regierung in Thüringen im Kontext zusammen, dass man - wenn die Politik sich dramatisch wandelt (neudeutsch: transformiert) - andere politische Alternativen favorisiert. In Sachsen hatte man bereits über Jahrzehnte die NPD gewählt - bis die damals komplett seriöse AfD auftauchte, die sich später lt. Gauland schüttelte, um Profil zu erlangen.

Gerhard Lenz | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:07

Antwort auf von Karsten Dörre

Weil zu dem Zeitpunkt viele Ostdeutsche wohl noch hofften, die Vereinigung mit dem "Goldenen Westen" brächte eine Zukunft, die nie eintreten konnte: Reisefreiheit, die bunte Konsumwelt des Westens, ein dickes Auto vor dem schmucken Einfamilienhaus - mehr materiellen Wohlstand eben, bei Erhalt der sozialen Errungenschaften der DDR.
Dass "Kapitalismus" nicht immer und überall blühende Landschaften, sondern auch schon mal Elend, Mühe und Verzicht verursacht, musste man erst lernen. Der "Goldene" Osten war alles andere als zwangsläufig, und schon gar nicht kam er von selbst. Und damit wuchsen Frust und Abkehr von den Demokraten.

Rechtsaußen war das Angebot 1991 noch mau: Die NPD war im Westen faktisch tot - ihre Funktionäre reisten in den Osten und fanden in Skinheads, Neo-Nazis und ewig Unzufriedenen eine relativ bescheidene Wählerschaft. Insgesamt blieb die Partei aber vielen zu schmuddelig. Anders als die Professoren, die später auftauchten.

Albert Schultheis | Mo., 28. Oktober 2024 - 15:38

Für die Steilvorlage für die ach so urgesunden Vernunftsbolzen Faeser, Paus, Buschmann und Haldenwang!
Die "Zombie-Faschisten"! Das ist die ultimative argumentative Bazooka, um den unbestreitbaren Herrschaftsanspruch der SchwarzRotGelbGrünen Khmer abzusichern bis zum Sankt Nimmerleinstag! Wenn demokratische Wahlen nur noch Scheißergebnisse bringen, dann nützt nur noch die Pathologisierung - und das Wegsperren bzw Erschießen! Stalin, Hitler und die Doppel-Erichs wussten das nur zu gut!
Auf die Idee, dass ein ganz ähnliches Palimpsest die mentale DNA unserer RotGrünen Khmer kodiert hat, ja es ist eher ein Palindrom, denn man kann es vorwärts und rückwärts lesen: Vorwärts als die stramm nationalsozialistische Urschrift der Eltern und Großeltern - und Rückwärts als der umkodierte, überkleisterte Faschismus und terroristische Anti-Kapitalismus der 68er, der RAF und ihrer als AntiFa und RotGrüne Khmer durch die Institutionen marschierten Kinder und Enkel! 2 Richtungen -dergleiche Faschismus!

Christa Wallau | Mo., 28. Oktober 2024 - 15:56

wie hier wild mit den Begriffen gespielt wird.
Demokratie, Partizipation, Menschenrechte und Kapitalismus werden mal eben zu Antagonisten von Christentum, Inquisition, Autoritarismus und
Faschismus erklärt. Ersteres sei die helle Seite der europäischen Geistestradition, das andere die dunkle.
Diese Behauptung ist so hirnrissig, daß man erst mal schlucken muß, wenn man den Text gelesen hat.
Daß Thüringer u. Sachsen jetzt in größerer Zahl als im Westen die AfD wählen, hat nichts mit "angeborenem Rechtsradikalismus" zu tun.
(Übrigens ist eine derartige Aussage eindeutig rassistisch!)
Die Leute im Osten sind völlig normale Menschen, wie es sie überall auf der Welt gibt: Sie ziehen Heimatverbundenheit dem Weltbürgertum vor, und sie verlangen von ihrer Regierung, daß sie vordringlich für Ordnung u. Sicherheit im Inland sorgt statt sich um die Welt zu kümmern.
Dieser Wunsch ist ebenso berechtigt wie jeder entgegengesetzte auch.
Hier von "Zombies" zu reden, ist schon ein starkes Stück!

Petra Münch | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:08

Über diesen vorurteilstriefenden Artikel bin ich ob der Schlichtheit der Gedankengänge von der Cicero-Redaktion erschüttert, dass diese ein solches tiefes Niveau
zur Veröffentlichung durchwinkt. Nur ein Bespiel: als dunkles Erbe unserer Geistesgeschichte wird das Christentum genannt, die Menschenrechte als positives Gegenbeispiel. Dass das Eine mit dem Anderen zusammenhängt, scheint den Autor offensichtlich unbekannt. Sogar die Inquisition wird in direktem Zusammenhang mit der AfD gesetzt. Ist der Autor noch bei Trost?

Henri Lassalle | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:15

dass die Mehrheit der Menschen in D und F potenziell rechtsnational oder gar faschistoid eingestellt sind - was natürlich im tägl. Leben nicht immer zutage tritt, aber es ist da. In Deutschland, ganz im Gegensatz zu F, spielt noch immer das Feigenblatt eine Rolle, aber vielleicht nicht mehr allzu lange.
In Frankreich findet man sogar noch überaus zahlreiche Sympathisanten für die Idee der Monarchie; selbst Francois Mitterand hatte nichts dagegen, wenn man ihn mit einer Art von Monarchen verglich.
Hinzu kommt die klassiche Tendenz, dass mit Krisenzeiten die Menschen konservativer werden, weniger permissiv, weniger tolerant - und weniger links. Das zeigt sich in Frankreich auch in kleineren Gemeinden. War die Partei Le Pens dort vorher nicht stark präsent, so hat sich das signifikant gewandelt.

Enka Hein | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:19

....sehe ich weniger bei der AFD als vielmehr bei Grünen und Roten, die mit aller Gewalt ihr Ding durchdrücken wollen ohne Rücksicht auf Verluste und gerade die Grünen doch verdammt "kriegsgeil" daher kommen.
Vielleicht doch das ein oder andere Gen vom durchgeknallten Vorfahren aus den 33er Jahren rüber gerettet.
Auch ne Theorie.

Raymon Schneider | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:20

Aus den sich durchaus wandelnden Traditionen, die den Vorfahren das Überleben sicherten, hat sich Positives wie die Aufklärung entwickelt, aber auch negative, antiaufklärerische Zombies treten in die Fußstapfen ihrer Mütter und Väter. Die Grünen sind so ein Zombie. Resilienz gegenüber Fehlentwicklungen wie in den genannten Regionen vorhanden ist eher schützend -positiv. Zudem haben die katholischen Gebiete nicht Hitler, sondern das Zentrum gewählt. Die teils traditionsarmen protestantischen Regionen, also dort, wo heute eifrig grün gewählt wird, waren jedoch nahezu samt und sonders braun, ob in Ostpreußen (das katholische Ermland wählte dort wiederum das Zentrum) oder in Niedersachsen, ganz schlimm in Schleswig-Holstein. Die grüne Kirche tritt ja auch wieder in dieselben Fußstapfen. Baerbock kommt genau aus dieser Gegend und finanziert die Hamas. Trittins Vater war in einer Täterorganisation wie auch manche Gründer der Grünen. Beide Organisationen verfolg(t)en das selbe Ziel.

Hartmut Steiger | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:32

Eine kühne These. In der Weimarer Republik fiel der Aufstieg der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1930 zusammen mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise. Davor erreichte die NSDAP nur in Thüringen einmal ein zweistelliges Ergebnis, sonst lag sie in beiden Ländern (Thüringen und Sachsen) weit unter 10 Prozent. Ich halte es für plausibler, Wahlergebnisse als Reaktion auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Krisenlagen zu verstehen. Deshalb auch die die schlechten Ergebnisse der NSDAP in den Jahren, in denen die Republik einigermaßen stabil war.

Helmut Bachmann | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:44

Es klingt immer so wissend, doch muss man nur ein wenig genauer hinschauen, dann werden die Schwachstellen offenbar. Dass menschliche Kultur ihre dunkle Seite hat ist nicht neu, nicht auf Europa beschränkt und ja geradezu banal. Auch dass es mentale Traditionen gibt. Der "neue Mensch" gehört z.B. zur dunklen Seite der Geistesgeschichte, ein "Zombie" der von wokelinks gerade wiederbelebt worden ist. Nichts Neues eben. Völlig abtrus für angeblich wissenschaftliche Untersuchungen wird es, wenn Dinge so grob vereinfachend dem "gut oder böse Schema" zugeordnet werden. Nachdem der Autor gar das Christentum zur dunklen Seite und die AfD ganz klar als faschistische Partei bezeichnet, wird Wissenschaft zur Geschmackssache. Und zur Gefälligkeitswissenschaft.

Olaf Klepel | Mo., 28. Oktober 2024 - 16:53

Ich fürchte, so wie es hier dargestellt wird, ist die Aussagekraft nahe Null. Einige offene Fragen fallen mir spontan ein: Es mag ja sein, dass bestimmte Einstellungen von Generation zu Generation weitergegeben werden, aber das sagt eben nichts zum Entstehen bzw. zu den Ursachen dieser Einstellungen, d.h. zu den objektiven Umständen, aus. Irgendwo muss es ja herkommen. Des weiteren wird Binnenmigration offenbar nicht betrachtet, es wäre schon wichtig zu wissen, in welchem Maße sich Familienstammbäume an einem Wohnort hundert Jahre zurückverfolgen lassen. Außerdem steht die Frage, wie dieser Personenkreis in den 90iger Jahren gewählt hat, ich kann mich nicht erinnern, dass eine (extrem) rechte Partei im Osten jemals in den 30%-Bereich kam. Vermute, die Leute haben damals PDS bzw. Linke gewählt und dann wären wir eben doch bei der Protestwahl.

Tomas Poth | Mo., 28. Oktober 2024 - 17:30

Die Merkmale des Faschismus manifestieren sich heute in der rotgrünen Politik.
Statt Großdeutsches Reich nun Brüsseler-EU Totalitarismus.
Statt Nationalsozialismus ist es der EU-Sozialismus.
Demokratieabbau aus Brüssel der willfährig in Deutschland exekutiert wird.
Das Totalitäre ist den Sozialisten, ob national oder supranational in die Wiege gelegt. Sie sind die Neidinge und Mißgünstigen die sich an der Leistung der Fleißigen und Rechtsschaffenden bereichern wollen.
Die Antifa ist die faschistoide, zivile Terrororganisation der rotgrünen Politik.

Blau wählen ist Notwehr gegen den rotgrünen Totalitarismus.

Christoph Kuhlmann | Mo., 28. Oktober 2024 - 17:32

Otto Wundts Völkerpsychologie aus den 20ern des letzten Jahrhunderts war eine Ansammlung von Vorurteilen. Todd hat sicher recht, wenn er diese Elemente der kulturellen Traditionen nach wie vor für virulent hält. Doch dies nun auf konkrete politische Phänomene herunterzubrechen ist mir zu gewagt. Historische Theorien sind leicht zu widerlegen. Man muss sie nur auf andere Länder anwenden. Aber lassen wir das. Europa war in den 30ern insgesamt faschistoid. Nicht nur Italien, Deutschland und Österreich, sondern auch Spanien und Frankreich. Die Wehrmacht brauchte zeitweise ganze 2 000 Mann um Vichy Frankreich zu kontrollieren. Die anschließende Besetzung durch die Rote Armee und der Diktaturen, die sie stützte machte eine kritische Aufarbeitung politischer Gewalt unmöglich. Sie konservierte den Geist der Diktatur mit Gewalt als einziges Mittel zur Konfliktlösung. Zudem wurden auch viele demokratische Formen als Faschismus diffamiert und verfolgt. Genauso machen es rot-grün heute auch.

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