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Angst vor dem Virus: Polizisten in Suhl führen einen Mann ab, der aus der Sammelunterkunft ausbrechen wollte / picture alliance

Coronakrise und Flüchtlinge - Die Angst vor dem Coronavirus in Asylbewerberheimen

Weil die Erstaufnahmestelle für Asylbewerber im thüringischen Suhl unter Quarantäne gestellt wurde, musste der Betreiber die Polizei rufen. Einige Bewohner versuchten, auszubrechen. Auch in anderen Unterkünften grassiert die Angst vor dem Virus. Notfallpläne gibt es für solche Szenarien nicht.

Antje Hildebrandt

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Vor der Tür steht noch immer Polizei. Mitarbeiter der Erstaufnahmestelle Suhl betreten die Gebäude nur noch mit Atemschutzmasken und Handschuhen. Das Coronavirus, es hat jetzt auch die Flüchtlingsheime erreicht. Und hier, im thüringischen Suhl, hat sich gezeigt, was passieren kann, wenn die Situation eskaliert, weil ein ganzes Heim unter Quarantäne gestellt wird. 

Dienstagmittag, auf dem Friedberg in Suhl. Eine Hundertschaft der Polizei fährt in Mannschaftswagen vor. Ein Notruf des Heimbetreibers hatte sie erreicht. Es war nicht das erste Mal, dass er die Polizei rufen musste, weil er die Kontrolle über die Bewohner verloren hatte. Schon davor hatten einige von ihnen Mitarbeiter bedroht und versucht, aus der Einrichtung auszubrechen. 

Erst Windpocken, dann Corona

Vier Tage zuvor war einer der 533 Bewohner, ein junger Afghane, positiv auf Corona getestet worden. Die gesamte Einrichtung wurde unter Quarantäne gestellt. Was das bedeutet, das wussten viele Bewohner schon. Hausarrest. Einige von ihnen durften das Heim schon seit Wochen nicht mehr verlassen. Weil sich eine Frau mit Windpocken infiziert hatte, habe die Einrichtung unter Quarantäne gestanden, heißt es im zuständigen Referat. Erst zwei Tage, bevor der erste Bewohner positiv auf Corona getestet wurde, sei die Frist abgelaufen.

Das Gros der Menschen hätte geduldig und verständnisvoll reagiert, heißt es in dem Referat. Aber zwei Dutzend Männer, dem Vernehmen nach Tschetschenen und Nordafrikaner, hätten gegen ihren Einschluss protestiert. Schon am Wochenende hätten sie versucht, über die Zäune zu klettern, um die Einrichtung zu verlassen. Als Polizisten eintrafen, seien sie von ihnen mit Gegenständen beworfen worden. Augenzeugen berichten von „chaotischen Zuständen“. 

Viele Heime sind für Quarantäne nicht geeignet 

Wie es so weit kommen konnte, dazu gibt es verschiedene Erklärungen. In dem für die Einrichtung zuständigen Referat heißt es: „Es gibt Klienten, die gewisse Mittel brauchen, um sich wohlzufühlen.“ Im Klartext heißt das, die Männer seien drogenabhängig. Der Flüchtlingsrat Thüringen hat noch eine andere Erklärung. Die Meldung von dem ersten Coronafall hätte die Bewohner extrem verunsichert. Kaum einer von ihnen spreche deutsch. Es habe weder Desinfektionsmittel noch Informationen darüber gegeben, wie sie sich vor dem Virus schützen könnten. Da die meisten Mitarbeiter am Freitag in Quarantäne geschickt worden seien, hätte es kaum noch Ansprechpartner gegeben. 

Die Unruhestifter hat die Polizei inzwischen in ein leerstehendes Gebäude der Jugendarrestanstalt Arnstadt verlegt. Der infizierte Afghane ist nicht getürmt, wie einige Medien berichteten. Er ist in einer Isolierstation auf dem Gelände der Sammelunterkunft untergebracht. Gelöst ist das Problem damit aber nicht. Die Ereignisse in Suhl haben gezeigt, was jetzt auch anderen Flüchtlingsheimen bevorstehen könnte. Denn anders als in der Erstaufnahmestelle ist es in vielen Unterkünften nicht möglich, infizierte Bewohner räumlich zu isolieren. „Unser Heim ist für Quarantäne nicht geeignet“, sagt Peter Hermanns, der in Berlin-Köpenick ein Heim des Internationalen Bundes leitet. Es ist ein Dorf aus bunt angemalten Containern, je zwei Menschen teilen sich einen Raum. Wohnen, schlafen und essen auf 15 Quadratmetern. Ein eigenes Bad haben sie nicht. Es gibt Gemeinschaftsbäder und Toiletten. 

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dieter schimanek | Fr., 20. März 2020 - 18:04

... wollen doch unbedingt Flüchtlinge (Migranten) haben. Ich nehme an, sie haben geeignete Unterkünfte. Also so viele der Schutzbedürftigen nach dort verteilen, bis jeder im bisherigen Heim ein Einzelzimmer hat. Nebenbei, unsere Familien sind auch zu mehreren Personen in einer Wohnung und müssen sich an Vorschriften halten, ich übrigens auch.

Frau Göring-Eckart ("Wir kriegen Menschengeschenkt"), Claudia Roth, Katja Kipping oder der "Schiffseigner" Bedford-Strohm, R. Habeck und Consorten?
Sind die alle abgetaucht? Hat es denen die Sprache verschlagen in der jetzigen Krise?
Ach ja, hauptsächlich ist ja nur die hiesige Bevölkerung betroffen! Die "schaffen" das schon! Ist auch nicht "unsere" Aufgabe!
Tutto andra bene

Manfred Sonntag | Fr., 20. März 2020 - 18:12

Ein sehr guter Bericht von Frau Hildebrandt! Ich kann dazu nur sagen "Wir schaffen das"! Es weiß nur keiner Wer, Wann, Wie und Was geschafft werden soll. Hauptsache Selfies und Einladungen an Gott und die Welt. Die ANDEREN werden sich schon drum kümmern. Und wenn nicht, die Initiatoren wohnen ja in ihren Villen und feinen Bürgerhäusern oder den "Gated Communities" (https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/gated-communities-wohnen-hin…).

...das mit der IS Flagge ist eher Fake News von Junge Freiheit & Consorten.

Original:
"Während des Einsatzes stellten die Beamten fest, dass einige der Männer islamistische Symbole zeigten und auch der Hinweis, dass ein Bewohner eine Fahne mit spezieller Symbolik hochhielt, wurde an die Polizisten gegeben.
Die Ermittlungen zu diesem Sachverhalt hat der Staatsschutz der Kriminalpolizeiinspektion Suhl übernommen. Diese dauern gegenwärtig an."
https://www.thueringen24.de/thueringen/article228716729/Thueringen-Flue…

"Nach Angaben der Polizei hätte einer der Bewohner sogar ein islamistisches Zeichen mit den Händen gegenüber den Einsatzkräften zeigte. Gerüchte, dass zudem IS-Flagge hochgehalten wurde, konnten die Beamten des Staatsschutzes der Suhler Kriminalpolizei jedoch nicht bestätigen."
https://www.thueringen24.de/thueringen/article228716729/Thueringen-Flue…

@Michael Andreas
Das klärt leider nicht den Sachverhalt. Die Darstellung aus der Pressekonferenz (Polizeichef und Bürgermeister) ist so lange Fakt, bis sie negiert wurde. Der Polizeichef würde sich strafbar machen und müsste sofort sein Amt verlieren, sollte er ungeprüft oder fälschlicherweise einen nicht erfolgten Straftatbestand (IS-Flagge seit 2014) auf diese Weise veröffentlicht haben.
Das allerdings wäre wirklich ein Skandal!
PS: Gerade stelle ich fest, dass man das von mir verlinkte Video von Pressekonferenz auf Youtube entfernt hat. Was ist der Grund für dieses Vorgehen? Kann man da bitte weiter recherchieren ....

ist natürlich nicht zu akzeptieren. Allerdings weist der Polizeichef darauf hin, dass es sich bei den Querulanten um eine Gruppe von 30 jüngeren Leuten aus Georgien (!!) und den Maghreb-Staaten handelt. Die überwiegende Mehrheit der Bewohner der Unterkunft hätte sich sehr wohl an die Einschränkungen gehalten.

Ob verbesserte Kommunikation - wie angekündigt - hilfreich ist, wird sich zeigen. Aber natürlich sind auch Migranten nicht immun gegen Corona. Und Unbelehrbare, die sich für solche Einschränkungen nicht interessieren, bzw. als blosse Panikmache ablehnen, gibt es, wie man weiss, in allen Bevölkerungsgruppen.

Allerdings war die Meldung, dass ein infizierter Afghane sich abgesetzt hätte, wohl nur übliche Panikmache aus üblichen Kreisen.

Ich kann ihrem Kommentar zu 100% zustimmen. Natürlich ist es eine Minderheit, die mit ihrem destruktiven Charakter oder feindseliger Haltung das Gesamtbild negativ prägen. Einzelne positive Beispiele können das nicht ausgleichen. Helfen kann hier nur konsequentes Handeln, das sich an dem orientiert, was im Lande üblich ist. Bei Wiederholungen muss Ausweisung folgen. Sollte es nicht zeitnah möglich sein, muss zumindest der Weg zur deutschen / europäischen Staatsbürgerschaft lebenslang blockiert werden.
Diese Maßnahmen können dazu führen, dass bereits vorhandenes Misstrauen wieder abgebaut wird. Gerade bei diesem Fall kann man beobachten, dass die 25 Störer jetzt im Ilm-Kreis ihr zerstörerisches Werk unter Bindung von wichtigen Ressourcen fortsetzen.
Siehe: https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/ilmenau/asylbewerber-aus-…

Dr. Roland Mock | Fr., 20. März 2020 - 20:16

Suhl ist meine Heimatstadt. In meiner Jugend (zu DDR-Zeiten) galt es als Problem, daß Gastarbeiter aus Algerien an jedem Wochenende in Discos Schlägereien anzettelten. In einer Brutalität, wie wir sie bis dahin nicht kannten. Die Polizei durfte nur einschreiten, wenn der Krankenwagen schon da war, weil: Die Afrikaner waren ja unsere „Freunde“ und halfen beim „Aufbau des Sozialismus“. Und in den Zeitungen: Kein Wort. Wenn ich jetzt lese, daß es wieder Nordafrikaner sind, welche Probleme verursachen, und die Fakten von offiziellen Stellen wieder nur in verklausulierter Form öffentlich gemacht werden, erkenne ich eine Kontinuität, die mich fassungslos zurückläßt. Dank übrigens an Cicero, daß über diesen Vorgang unvoreingenommen berichtet wird.