Erdogan in Koeln
Erdoğan wollte das Wahlergebnis nicht hinnehmen setzte eine Wahlwiederholung durch / picture alliance

Internationale Presseschau zur Wahlannullierung in Istanbul - „Eine Entscheidung, die die Türkei ins Chaos stürzen könnte“

Die Bürgermeisterwahl in Istanbul wurde auf Druck von Präsident Recep Erdogan annulliert. Die Reaktionen der heimischen Zeitungen fallen gemischt aus. Die Presse in den anderen europäischen Ländern sieht die Demokratie und die türkische Wirtschaft in Gefahr

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Yeni Safak (Türkei)

„Am 31. März, bei den Kommunalwahlen, fand in der Türkei ein Putsch statt, in dem viele Nationen involviert waren. Die Gülen-Anhänger und die kurdische PKK hatten bereits Monate vor den Wahlen versucht, die Menschen in ihrem Sinne zu beeinflussen, die Wahlen zu sabotieren. Ihr Plan war es, zuerst Istanbul zu übernehmen, danach die ganze Türkei. Jetzt müssen Ermittlungen wie nach dem gescheiterten Putsch 2016 eingeleitet werden, die Menschen müssen sehen, was für ein Spiel gespielt wurde. Die Türkei ist doch keine Bananenrepublik“

Karar (Türkei)

„Die Entscheidung der Wahlkommission hatte man erwartet, dennoch ist sie falsch. Kurz danach stürzte die türkische Lira noch weiter ab. Eigentlich ist es nicht Aufgabe der Wahlkommission, Entscheidungen zu treffen, weil die Politiker das so wollen oder die Nation das so entschieden hat. Die Kommission  muss sich an die Gesetze halten. Und das hat sie nicht getan. Damit hat sie sich selbst entwertet.“

Guardian (Großbritannien)

„Nachdem die ersten Wahlergebnisse und eine Reihe von Nachzählungen gezeigt hatten, dass die AKP die Kontrolle über Istanbul das erste Mal seit 25 Jahren verloren hat, verlangte die Regierungspartei eine Wahlwiederholung. Es war eine schockierende Niederlage für Erdoğan, der in den 1990ern als Bürgermeister der Stadt amtierte und im Vorfeld viel Wahlwerbung betrieben hatte. Sein erster Wahltest seit der harten Währungskrise im vergangenen Jahr stürzte die türkische Wirtschaft in eine Rezession."

Standard (Österreich)

„Die Niederlage der AKP war ein Gesichtsverlust für Erdoğan, der selbst einst Bürgermeister von Istanbul war. Die Entscheidung der Wahlkommission könnte sich auch auf die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft auswirken und zu einem weiteren Verfall der Lira führen. Das Land befindet sich seit Ende des Jahres in der Rezession. Die Inflation liegt konstant hoch bei rund 20 Prozent. Analysten sagen, die wirtschaftliche Lage habe zum schlechten Abschneiden der Regierungspartei in den Großstädten beigetragen.“

Neue Züricher Zeitung (Schweiz)

„In wirtschaftlicher Hinsicht wird die Türkei nochmals tiefer in der Gunst der Investoren sinken – auf die das krisengeplagte Land doch so dringend angewiesen wäre. Allen gegenteiligen Beteuerungen von Finanzminister Berat Albayrak zum Trotz wird der Entscheid als Beispiel für die mangelnde Rechtssicherheit im Land ausgelegt werden. Der Abwärtstrend der Lira dürfte sich in den kommenden Tagen entsprechend verstärken. Am verheerendsten ist die Entscheidung aber freilich für die türkische Demokratie, die am Montag einen weiteren Sargnagel erhalten hat.“

La Repubblica (Italien)

„Die islamisch-konservative Partei AKP des türkischen Präsidenten Erdogan hat verloren, also wird nochmal gewählt. Erdogans AKP hatte Ende März in Ankara, Izmir, Adana und Antalya verloren, aber die schwere Niederlage in Istanbul wollte der Staatspräsident nicht zulassen. Sehr präzise fiel die Entscheidung auf den 23. Juni, den ersten Sonntag nach den Ramadan-Feierlichkeiten. Eine Entscheidung, die aufgrund ihres symbolischen Wertes und der heiligen Zeit die Türkei ins Chaos stürzen könnte.“

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Heidemarie Heim | Di., 7. Mai 2019 - 17:29

Wenn ich schon seine Lieblingsgeste sehe auf dem Foto, krieg` ich einen dicken Hals! Außerdem ist es der falsche Finger, den er der Demokratie nun wiederholt zeigte!
Dazu das Geschwafel von Yeni Safak von Putsch, Ermittlungen, ich bezweifle das in den Knästen noch Platz für halb Istanbul ist! Im übrigen würde ich momentan jede echte "Bananenrepublik" mit Rechtsstaat-Resterampe als Aufenthalt bevorzugen.
Die NZZ trifft den "Sargnagel" auf den Kopf!
Neben solchen Verbündeten wirkt Weberfreund Victor geradezu wie ein lupenreiner Demokrat liebe EU! MfG

Gerhard Lenz | Mi., 8. Mai 2019 - 09:13

Antwort auf von Heidemarie Heim

"Wer gegen mich ist, der betrügt!". Kennt man ja. Aber diese "Führerfiguren" haben ihre Anhänger.
In der Türkei, in den USA, in Russland, in Ungarn. Bei uns war es nicht anders, bei uns wäre es auch heute nicht anders.

Ich möchte ihren Kommentar ergänzen. Was "Führerfiguren" betrifft, IST es bei uns nicht viel anders. Der Zustand unserer Gesellschaft in Zeiten einer Presse, die sich als Regierungsverlautbarungsorgan versteht und den "Führungsfiguren" huldigt, spricht Bände. Diese Entwicklung verspricht nichts Gutes.

Aber m.E. eben nicht alle gleich. Die Motivationslage mag sich ähneln, die Vorgehensweise, auch der Anhänger sind aber doch sehr unterschiedlich. Stellen Sie sich nur mal vor, dieser Autokrat wäre Vollmitglied unserer EU mit Schengen und allem drum und dran. Den könnten Sie gemäß Ihrer Ansicht zwar mit einem Salvini oder Orbàn in "einen Sack stecken", aber doch nicht die anhängigen Bevölkerungen über diesen selben Kamm scheren. Mir machen die teils gut organisierten Erdogan-Anhänger/ Mitbürger Sorge, die ich in ihrem ambivalenten Verhalten zu unserem Staat nicht mehr recht verstehe. Mit Rückkehr zu religiös-politischen Traditionen
und einem eigenartig doppelten Rechtsverständnis bezüglich Demokratie kehrt man der übrigen Gesellschaft den Rücken zu und läuft jedweder Integration m.E. zuwider. In diesem Sinne stößt meine persönliche Toleranz auch leider zwangsläufig auf Grenzen, wie man Kommentar aufzeigte. Alles Gute! MfG

Und sollte mal Sie ausnahmsweise nicht Recht haben, tritt automatisch § 1 in Kraft.
Wäre(?) Herr Lenz? Noch viel schlimmer, weil Sie Lügen & denuzieren im vollen Bewußtsein!
Ich hatte damals (wenn auch mit klein wenig Bauchschmerzen) Frau Merkel gewählt, weil Sie "klar & deutlich inklusiv Ihrer Steigbügelhalter sich "gegen Multi-Kulti (Getto -und Clanbildung z.B.) !!!!!" ausgesprochen hat. Und? Nach fast 1500 Tagen!!!!!! hat man noch keine Reglung gefunden, so dass man noch immer mit "verlorenen" Papieren ohne Strafe oder Zurüchweisung unser Territorium betreten kann.
Kurioser Weise forderte Pegida (Dunkeldeutschlands Rechte) bereits 2015 ein Einwanderungsgesetz nach schweizerischen oder kanadischen Vorbild. Herr Lenz, sind das auch "rechte" Staaten?
Eigentlich konnte ich bisher die absoluten "Vollidioten" (Links wie Rechts) an ihrer Kleidung & ihre dumpfen Parolen erkennen.
Des wegen, ich lasse mir meine Meinung von niemanden aufschwatzen, egal ob......
Ihr Leser Nimmerklug

Ernst-Günther Konrad | Di., 7. Mai 2019 - 17:37

Die Mehrheit der Türken im Land und angeblich auch der hier lebenden Türken wollten diesen Präsdienten. Jetzt müssen sie ihn halt aushalten Es gibt wohl offensichtlich eine Opposition, d.h. in der Türkei ist wohl Widerspruch begrenzt noch möglich, solange man kein Gülenanhänger ist oder sonst wie des Terrorismus verdächtigt wird. Die Türken haben es in der Hand, noch deutlicher als bei der letzten Istanbulwahl Erdogan die rote Karte zu zeigen. Es war doch völlig klar, dass die Wahlkommission dem Antrag der AKP folgt. Der Einfluss Erdogans geht auch in dieses Gremium hinein. Ich habe leider noch nirgends gelesen, was konkret an der Wahl manipuliert wurde. Es wird zwar behauptet, sie sei unsauber gelaufen, wie konkret aber, das lese ich nirgends. Es wird etwas behauptet, einen nachprüfbaren Beweis bietet man nicht. Ich befürchte nur, sollte die zweite Wahl zu Gunsten Edogans ablaufen, könnte es zum Aufstand kommen, wenn ihm die Wirtschaft nicht vorher um die Ohren fliegt. Schaun mer mal.

Romuald Veselic | Mi., 8. Mai 2019 - 05:58

als Tourist für 2 Wochen. Seit dem nicht mehr. Trotz sehr günstigen Angeboten.
Für mich gibt's dort nichts zum ansehen oder bewundern, was anderswo nicht besser wäre, ohne überall vorhandene Bigotterie. Auch wenn wenig günstiger, als in der Türkei. Dabei bleibts.
Die Faschoregierungen in den Islamländern werden dadurch am meisten betroffen, wenn keiner dorthin reist. Privat oder dienstlich. Putin hats nach dem Abschuss seiner Su24 (2015) das richtig vorgeführt.

dieter schimanek | Mi., 8. Mai 2019 - 10:20

Es zeigt, was in der Türkei möglich ist, Erdogan verliert an Zustimmung. Bei den Deutsch - Türken wäre ihm das nicht passiert, bei uns in Germany braucht er nicht einmal Wahlkampf machen um zu gewinnen. Parallelen dazu sehe ich bei der Merkel CDU, die braucht eigentlich auch keinen Wahlkampf zu machen. Da hat Herr Lenz schon recht, "Führerfiguren" werden hier bei uns gnadenlos gewählt, ganz unabhängig von ihrer Leistung.

Norbert Heyer | Mi., 8. Mai 2019 - 11:40

So ist das eben bei den lupenreinen Demokraten: Wenn ein Wahlergebnis nicht passt, war eben Manipulation der bösen Gegenseite im Spiel. Aber da Herr Erdogan ein Demokrat durch und durch ist, hätte er auch eine für ihn negative Endscheidung der Wahlkommission akzeptiert, denn er ist ja ein Verfechter der Demokratie. Jetzt müssten selbst seine größten Verehrer und Fahnenschwenker ins Grübeln kommen. Dieser Mann hat nach und nach die Demokratie in der Türkei abgebaut, seine Gegner eingekerkert und sich so ziemlich mit der ganzen Welt angelegt. Erst Putin hat ihm gezeigt, was eine Harke ist. Er betreibt eine Politik der Unterdrückung und einen krankhaften Religionswahn. Wenn er jetzt noch die Wirtschaft in den Sand setzt, kann es für ihn ziemlich schnell unangenehm werden. Er hat sich während seiner Regierungszeit viele Feinde geschaffen, für diese ist die Zeit für seine Ablösung gekommen. Man kann nur hoffen, das die Türkei dadurch nicht in eine schlimme Situation gerät und instabil wird.

Juliana Keppelen | Mi., 8. Mai 2019 - 14:45

und schätze mal, dass die Erdogan-Partei bei der erneuten Wahl eine deutlichere Niederlage einstecken wird.