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RT-Chefin Margarita Simonjan - Putins Sprachrohr

Margarita Simonjan rückt Russland ins rechte Medienlicht. Die Chefredakteurin steuert den russischen Auslandssender RT und nun auch noch eine Nachrichtenagentur 

Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Im Nordosten von Moskau begrüßt eine gut gelaunte Margarita Simonjan im obersten Stockwerk einer ehemaligen Fabrik ihre Gäste – in bestem Englisch mit leicht amerikanischem Akzent. In einem hochmodernen Studiokomplex residiert der vom Kreml finanzierte und von Simonjan geleitete russische Auslandssender RT, ehemals Russia Today. Von hier aus verbreitete er auf Englisch, Arabisch und Spanisch die „russische Sicht auf die Welt“, erklärt die selbstbewusste junge Frau.

Mit 34 Jahren ist die armenischstämmige Russin sehr weit oben angekommen. Als Chefredakteurin des russischen Auslandssenders befehligt sie 2500 Mitarbeiter; seit diesem Jahr leitet sie zudem die Nachrichtenagentur RIA Nowosti, die unter ihrem neuen Namen Rossiya Segodnya nun ähnlich offensiv wie RT die russische Perspektive verbreitet.

Simonjan hat RT zum Erfolg geführt: Im Sommer überschritt RT auf Youtube die Marke von einer Milliarde Klicks. RT spielt zumindest im Internet in einer Liga mit BBC, Al Dschasira oder CNN. Ihr Ziel – das Meinungsmonopol der angelsächsischen Medien zu brechen – hat Simonjan teilweise erreicht, und das, betont sie, mit einem bedeutend kleineren Budget. 2013 waren es elf Milliarden Rubel, etwa 250 Millionen Euro.

In oppositionellen Kreisen gilt Simonjan als prinzipienlose, Putin-treue Karrieristin. Wer sie näher kennt, erklärt ihr Eintreten für „die russischen Werte“ mit ihrem grenzenlosen Opportunismus. Offen sagt das aber kaum jemand. Gleichzeitig gehört Simonjan zur Moskauer Schickeria, auf Russisch die Glamournaja Tussowka. Diese besteht aus gut verdienenden Hauptstädtern, bei denen grundsätzliche politische Unterschiede kein Hindernis für Freundschaften sind. Per Du ist Margarita Simonjan etwa mit Ksenia Sobtschak, die seit Jahren zu den prominentesten Putin-Gegnern zählt. Wichtig sind der Tussowka gutes Essen – Kochen ist Simonjans Leidenschaft, sie schreibt eine populäre kulinarische Kolumne –, stilvolles Äußeres – das meist aus importierter Designerkleidung besteht – sowie eine grundsätzlich liberale Weltsicht.

Tatsächlich: Margarita Simonjan bezeichnet sich selbst als liberal. Öffentlich bekundete sie etwa ihre Sympathie für den Oligarchen Michail Prochorow, der 2012 bei den Präsidentschaftswahlen mit einem liberalen Programm gegen Putin antrat, während sie zu Putins offiziellem Unterstützerkreis zählte. Für Simonjan ist das kein Widerspruch, sondern Ausfluss des typischen Diskurses der Moskauer Elite. Der lautet: Natürlich lebe man nicht in einer idealen Demokratie, doch gebe es nicht massenhaft politische Gefangene, und im Vergleich zum Chaos der neunziger Jahre gehe es den Russen gut. Wenn man in Russland alle Zügel schleifen ließe, würde das Land im Faschismus versinken.

Geboren wurde Simonjan 1980 im südrussischen Krasnodar in einer armenischen Familie. Gerüchte über ihre angeblich reichen Eltern weist sie entschieden zurück: Ihr Vater habe sein Leben lang Kühlschränke repariert. Schon im Kindergarten liest sie den anderen Kindern Bücher vor, später ist sie Klassenbeste, wird aber, so erzählt sie, wegen ihrer armenischen Abstammung diskriminiert. Mit 15 verbringt Simonjan in New Hampshire ein Jahr in einer Gastfamilie, das sie eine „positive Erfahrung“ nennt. Dennoch bleibt ein zwiespältiges Amerikabild: Zwar liebe sie die USA für ihre einzigartige Kultur, „aber ich liebe Amerika nicht für seine Ignoranz, für die Heuchelei seiner Eliten, für die tiefe innere Überzeugung, dass Nichtamerikaner apriori weniger Menschen sind als Amerikaner, für diesen quasi Faschismus.“

Mit 19 Jahren heuert sie bei einem regionalen russischen TV-Sender an und weckt Interesse mit ihren Reportagen aus dem Tschetschenienkrieg. 2002 schickt sie der Staatssender Rossija als Reporterin in den „Präsidentenpool“, seitdem fährt sie im handverlesenen Putin-Pulk durchs Land. Der überreicht ihr zum 25. Geburtstag einen Blumenstrauß, was bis heute Grund für allerlei Gerüchte ist.

Tatsache ist: Zwei Monate später gibt der Kreml die Gründung von RT bekannt, und Simonjan soll den Sender aufbauen, der das zentrale Stück einer breit angelegten russischen PR-Kampagne im Ausland werden soll. Sie will „Neuigkeiten über die Welt, aber von einer anderen Seite“ zeigen. „Wenn CNN, BBC und Al Dschasira zeigen, dass in Libyen eine Drohne der Nato abgeschossen wurde, dann berichten wir darüber, dass an diesem Tag in Libyen ein Haus bei einem Luftangriff zerstört wurde und dabei 13 Menschen ums Leben kamen, davon fünf Kinder.“

Das Ziel ihrer Strategie benennt sie im Oktober 2013: Man müsse eine möglichst große Zuschauerzahl erreichen, um im Falle eines „zweiten Georgiens die eigene Agenda aufzuzwingen“. 2008 war es zwischen Russland und Georgien zum Krieg um die abtrünnigen Gebiete Südossetien und Abchasien gekommen. Das „zweite Georgien“ beginnt kurze Zeit später: auf dem Maidan in Kiew.

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