- Was steht auf Obamas Agenda?
75 Stunden ist der US-Präsident in Europa beim G-8-Gipfel in Nordirland und danach in Berlin. Welchen thematischen Bogen spannt er bei seiner Reise?
Gut drei Tage wird der Präsident außerhalb der USA sein – eine kleine Ewigkeit angesichts der Debatten um die Datenabschöpfung, die Wende im Umgang mit Syrien und die Vorbereitungen auf die Kongresswahl 2014, von der Barack Obamas Handlungsfähigkeit in den letzten zwei Jahren seiner Präsidentschaft abhängt. Wie kurz sind andererseits 75 Stunden, wenn so viel in die Reise zum G-8-Gipfel in Nordirland und zum Staatsbesuch in Berlin hineingepackt werden soll: historischer Rückblick, aktuelles Krisenmanagement, Absprachen zum Kampf gegen die Steuervermeidung internationaler Konzerne, die Rettung Afrikas und die Schaffung der größten Wirtschaftszone der Erde für Freihandel und unbehinderte Investitionen.
Das Projekt der EU und der USA soll den Führungsanspruch des Westens für Jahrzehnte strategisch sichern.
HISTORISCHES IN BELFAST
Zwei öffentliche Reden rahmen den Trip ein und sollen das Gespür für Amerikas langfristige Bindung an Europa stärken. Nach der Landung am Montagmorgen wird Obama in Belfast – der Stadt, die so lange das Synonym für einen Bürgerkrieg zwischen englandtreuen Protestanten und zur Republik Irland haltenden Katholiken war – an Amerikas Rolle im Friedensprozess erinnern. Im Gespräch mit Studenten möchte er der nächsten Generation ihre Verantwortung für die Wahrung dieses Friedens aufzeigen. Die Rede am Brandenburger Tor am Mittwoch soll ähnlich geschichtsträchtig werden.
WELTWIRTSCHAFTLICHES IN LOUGH ERNE
In der ersten Arbeitssitzung der G-8- Staaten (Amerika, Kanada, Japan, die vier größten EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien sowie seit einigen Jahren Russland) geht es am Montagnachmittag in Lough Erne um die Aussichten der Weltwirtschaft. Die Lage ist aus US-Sicht nicht mehr so krisenhaft wie vor ein, zwei Jahren. Die Börsenkurse sind höher als vor der Krise, Kredite fließen wieder. Die USA haben ein kontinuierliches, wenn auch nur moderates Wachstum um zwei Prozent, ihre Neuverschuldung sinkt. Sorgen macht sich Amerika um die Eurozone mit ihrer hohen Jugendarbeitslosigkeit und der Rezessionsgefahr. Beim Arbeitsdinner stehen der Afghanistanabzug 2014, Syrien, die Stabilisierung Libyens und anderer postrevolutionärer arabischer Staaten sowie der Nahostfriedensprozess auf dem Programm. Zur Vorbereitung hat Obama mit Japans Premier Abe telefoniert und am Freitag in einer Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der vier europäischen G-8-Staaten gesprochen.
Die mit Abstand meiste bilaterale Zeit beim Gipfel widmet Obama Wladimir Putin. In Syrien sind sie auf Konfrontationskurs (siehe nebenstehenden Beitrag). Die Aussichten für Friedensgespräche in Genf verdüstern sich weiter. In Afghanistan und bei der Planung des Abzugs der Nato ist Moskau dagegen hilfreich. Das sagen die USA auch über die Kooperation in der Terrorabwehr, zum Beispiel nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon.
DATEN SIND THEMA IN KLEINER RUNDE
Am Dienstagmorgen sprechen die G-8- Chefs in kleiner Runde über die Terrorabwehr. Obama wird wohl genauer erläutern, welche Daten die USA mit ihren Computerprogrammen zur Analyse verdächtiger Muster im Internetverkehr („Prism“) und internationaler Telefonate („Verizon“-Affäre) scannen – was auch in Berlin beim Treffen mit Angela Merkel noch einmal vertieft werden dürfte. Die zweite Plenarsitzung am Vormittag gilt dem geplanten Freihandels- und Investitionsabkommen der EU und dem Kampf gegen Verbuchungstricks, mit denen Großkonzerne Steuerzahlungen vermeiden. Den Arbeitslunch wollen die britischen Gastgeber der Unterstützung Afrikas widmen – lange schon Schwerpunkt für sie, zunächst im Rahmen der Millenium-Ziele.
REDE AM BRANDENBURGER TOR
Von Lough Erne reist Obama am Dienstagabend nach Berlin weiter. Zwei Drittel der Europareise hat er dann hinter sich, den emotionalsten Programmpunkt aber noch vor sich: die Rede am Brandenburger Tor. Sein stellvertretender Sicherheitsberater Ben Rhodes kündigt ein „machtvolles Ereignis“ an: „Jedes Mal, wenn ein US-Präsident im Herzen Berlins auftreten kann, ist dies eine Gelegenheit, nicht nur über die Rolle Deutschlands und Amerikas zu sprechen, sondern im Kern über die Rolle des Westens und der freien Welt.“
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