- Amerikanische Ingenieure warnen vor Flutkatastrophe
Der Tigris-Staudamm in Mossul ist nach Jahren der ausbleibenden Wartungsarbeiten reichlich marode und bedarf dringend einer Erneuerung. Wenn im Frühjahr die Schneeschmelze in den türkischen Bergen einsetzt, könnte eine Flut den Damm zum Bersten bringen
Der US-Oberbefehlshaber in Bagdad schlug kürzlich Alarm. Die Staumauer des Mossul-Dammes könnte bersten, warnte General Sean MacFarland, der vor Ort die westliche Allianz gegen den „Islamischen Staat“ kommandiert. „Wenn es passiert, wird es schnell gehen. Und das ist schlecht.“ Taucher würden derzeit die Fundamente der 113 Meter hohen und 3400 Meter langen Sperre untersuchen, welche Ingenieure der US-Armee als den gefährlichsten Damm der Welt ansehen. Das Bauwerk sei „in jeder Hinsicht unsicher“, sein Kollaps könne 500.000 Menschen in den Tod reißen und eine Million obdachlos machen, urteilten Fachleute.
Staudamm von Anfang an ein Problemfall
Und die Gefahr wächst. Denn Ende Februar setzt in den türkischen Bergen die Schneeschmelze ein und lässt die Wassermassen des Tigris anschwellen. Und seit der „Islamische Staat“ die Talsperre im August 2014 für elf Tage in seine Gewalt brachte, bevor kurdische Peschmerga sie zurückeroberten, sind alle Wartungsarbeiten gestoppt und klaffen immer größere Risse in der maroden Konstruktion. 1984 von Diktator Saddam Hussein als Prestigeprojekt errichtet, war der Damm von Anfang an ein chronischer Problemfall. Acht Milliarden Kubikmeter sind in dem größten Süßwasser-Reservoir des Irak aufgestaut, von dem Millionen Menschen mit ihrem Trinkwasser und zehntausende Bauern mit ihrer Feldbewässerung abhängen.
Die Staumauer jedoch steht auf einem Untergrund aus Gips, Kalkstein und Tonerde. Das unterirdische Wasser wäscht das weiche Material ständig aus und untergräbt das Fundament durch immer neue Hohlräume. Während der Saddam-Zeit hielt die Barriere nur, weil Arbeiter jeden Tag rund um die Uhr große Mengen Zement in das löchrige Erdreich verpressten, insgesamt mehr als 50.000 Tonnen. Doch nach dem IS-Intermezzo im Sommer 2014 waren „alle Maschinen weg und alle Arbeiter verschwunden“, bilanzierte ein Sprecher der US-Armee. Obendrein steht das Zementwerk in Mossul, was die spezielle Füllmischung produzierte, nun unter der Kontrolle der Gotteskrieger.
Westliche Botschaften schmieden schon Pläne zur Evakuierung
Die Folgen eines Dammbruchs haben irakische Wissenschaftler bereits 2009 in einem Gutachten beschrieben. Innerhalb von zwei Stunden würde die Zwei-Millionen-Metropole Mossul von einer zwanzig Meter hohen Welle überschwemmt, genauso wie die weiter flussabwärts liegenden Städte Tikrit und Samara. Weite Landstriche mit Ackerflächen und Dörfern würden in den Fluten versinken. Selbst in Bagdad wären einige Tage später die Wassermassen noch vier Meter hoch. Die amerikanische und mehrere westliche Botschaften haben daher im letzten September Evakuierungspläne für ihre insgesamt 30.000 Mitarbeiter ausgearbeitet.
Trotzdem gab sich die irakische Regierung in Bagdad unbeeindruckt. Noch Mitte Januar erklärte das Wasserministerium, dessen Chef Mohsin al-Shammari der Partei des schiitischen Predigers Moktada al-Sadr angehört, man brauche keine ausländische Hilfe und wolle die Bevölkerung nicht in Panik versetzen. Auch der Generaldirektor des Mossul-Dammes, Riyadh Ezzedine al-Nuaimi, versicherte, es gebe keinen Grund zur Sorge. Der Damm sei nicht ernsthaft gefährdet. Und so musste erst US-Präsident Barack Obama persönlich den irakischen Premierminister Haider al-Abadi per Telefon ins Gebet nehmen, bis die irakische Seite endlich reagierte.
IS ist nur 40 Kilometer vom Staudamm entfernt
Am Dienstag beauftragte das Kabinett in Bagdad nun nach zweijährigem Hin und Her den italienischen Trevi-Konzern, die zerfressenen Fundamente zu sanieren und zu stabilisieren. 18 Monate sollen die Arbeiten dauern und rund 380 Millionen Dollar kosten, eine schwere Bürde für den gebeutelten irakischen Staatshaushalt. 450 italienische Soldaten werden die europäischen Spezialisten bei ihrer Rettungsmission schützen. Denn die IS-Terrormiliz operiert nur 40 Kilometer von der heiklen Baustelle entfernt.
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