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Atombomben - Keine Waffen des 21. Jahrhunderts

Der Atomtest in Nordkorea hat die westliche Welt in Aufruhr versetzt. Ist die Nichtverbreitungspolitik damit jetzt gescheitert? Nicht unbedingt, sagt Friedensforscher Oliver Meier. Er warnt vor einem zu schnellen Strategiewechsel beim Umgang mit dem Land

Autoreninfo

Dr. Oliver Meier ist Wissenschaftlicher Referent am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Korrespondent der Arms Control Association.

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Dienstag, kurz vor 12 Uhr Mittag Ortszeit. Nordkorea zündet unterirdisch einen Atomsprengkopf. Es war der dritte Nukleartest des Staates seit 2006 – und mit einer Sprengkraft von rund sieben Kilotonnen der bisher stärkste.

Seit 15 Jahren ist Nordkorea das einzige Land, das noch Atomwaffen testet. Sollte sich herausstellen, dass der Sprengsatz unter Verwendung von hoch angereichertem Uran, statt wie bisher mit Plutonium, gefertigt wurde, könnte Nordkorea über wesentlich mehr Sprengsätze verfügen als die bisher angenommenen zehn Waffen. Erst am 12. Dezember hatte Nordkorea erfolgreich einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn geschossen und damit gezeigt, dass es technologisch in der Lage ist, Langstreckenraketen zu bauen. Die Befürchtung ist nun, dass Pjöngjang diese Fähigkeit auch dazu nutzt, den Erzfeind USA nuklear zu bedrohen. Eine hochgefährliche Lage, mit der sich der UN-Sicherheitsrat unverzüglich befasste.

Aber belegt der nordkoreanische Test auch die These vom Scheitern internationaler, insbesondere amerikanischer, Nichtverbreitungsbemühungen? Schon jetzt ziehen konservative Kommentatoren in den USA diesen Schluss und fordern einen Strategiewechsel: die Zeit der Verhandlungen sei vorbei, nun helfe nur noch mehr Druck.

Mehr Druck und weniger Diplomatie wären der falsche Weg

Auf den ersten Blick scheint die Forderung nach einem neuen Ansatz in der Nichtverbreitung schlüssig. Bereits vor mehr als 20 Jahren wurde Nordkorea bei dem Versuch ertappt, waffenfähiges Plutonium im Geheimen zu produzieren. Seitdem gab es viele Anläufe, das Regime in Pjöngjang davon zu überzeugen, seine Atomwaffen aufzugeben. Zwischenzeitlich unterbrach Nordkorea sogar sein Atomprogramm, öffnete die eigenen Atomanlagen internationalen Kontrollen und riss einige dieser Einrichtungen ab. Eine grundsätzliche Abkehr vom Streben nach Nuklearwaffen erreichte die Verhandlungspartner aber nicht. Mittlerweile ist das nordkoreanische Atomprogramm weit fortgeschritten.

Ist nun also die Zeit für einen Kurswechsel gekommen? Kann eine bessere Kontrolle von Atomwaffen durch mehr Druck und weniger Diplomatie erreicht werden? Diese Schlussfolgerung ist aus mehreren Gründen vorschnell.

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Zunächst ignoriert die Forderung nach einem Strategiewechsel, dass Druck bereits seit langem ein Instrument im Umgang mit Nordkorea ist. Im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche kombinierten die Verhandlungspartner China, Japan, Russland, Südkorea und die USA schon immer wirtschaftliche Kooperationsangebote mit der Androhung internationaler Sanktionen, um mit einer Doppelstrategie Nordkorea zu einer Änderung der Atomwaffenpolitik zu bewegen. Auf jeden Atomtest antwortete die internationale Gemeinschaft mit Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und immer strikteren Handels- und Reisebeschränkungen. Aber die Palette der Zwangsmaßnahmen ist mittlerweile praktisch ausgeschöpft. Eine signifikante Verschärfung wäre nur möglich, wenn man zusätzliches Leid der bitterarmen Bevölkerung in Kauf nimmt.

Nordkorea auf der „Achse des Bösen“

Und eine militärische Option gegen das nordkoreanische Atomprogramm gibt es nicht. Sollte es geheime Atomanlagen geben, dürften diese verbunkert tief unter der Erde liegen. Selbst wenn es gelingen sollte, das Nuklearprogramm auszuschalten: eine nordkoreanische Vergeltung wäre nicht auszuschließen. Und die Millionenstadt Seoul liegt in der Reichweite der nordkoreanischen Artillerie.

Zudem haben die USA in der Vergangenheit bereits versucht, Nordkorea durch noch mehr Druck zum Umlenken zu bewegen. George W. Bush setzte Pjöngjang (zusammen mit dem Irak und Iran) gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2002 auf die „Achse des Bösen“ und betonte die nukleare Abschreckung sogenannter Schurkenstaaten. Das Resultat: 2003 erklärte Nordkorea seinen Austritt aus dem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag, drei Jahre später führte es den ersten Atomtest durch.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Iran keine wirkliche Bedrohung ist

Falsch ist es auch, aus Nordkoreas Festhalten an Atomwaffen ein generelles Scheitern internationaler Nichtverbreitungsbemühungen abzuleiten. Nordkorea ist ein Sonderfall. Nicht nur wegen der nationalistischen und auf Autarkie ausgerichteten Juche-Ideologie, sondern vor allem weil die Drohung mit der nuklearen Option für das vollkommen isolierte und verarmte Land die einzig noch verbliebene Möglichkeit der Einflussnahme ist. Wer das nicht glaubt, möge einen Blick auf die Nachrichtenseite der staatlichen Agentur KCNA wagen, wo die Lobpreisungen radikaler kommunistischer Splittergruppen und nordkoreanischer Tarnorganisationen als Belege für die internationale Unterstützung der eigenen Politik herhalten müssen. Selbst das Nachbarland China, das Pjöngjang vor allem aus Angst vor den Folgen eines Regimezusammenbruchs lange Zeit den Rücken freihielt, hat mittlerweile die Geduld mit dem ehemaligen Verbündeten verloren und Nordkorea vor dem neuen Atomtest scharf gewarnt.

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Die gute Nachricht für internationale Nichtverbreitungsbemühungen ist: Es gibt keinen anderen Staat (mehr), dessen internationaler Einfluss nur vom eigenen Atomwaffenbesitz abhängt. Dies gilt insbesondere auch für den Iran, der im Gegensatz zu Nordkorea noch gar nicht über Atomwaffen verfügt und Mitglied im Nichtverbreitungsvertrag ist. Iran bleibt ein politisch und wirtschaftlich bedeutender Regionalstaat. Damit ergeben sich auch andere Möglichkeiten der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme als im Falle Nordkoreas.

Nordkoreas Atomtest ist ein Anachronismus

Atomwaffen waren die Waffen des 20. Jahrhunderts. Für die Welt des 21. Jahrhunderts, die geprägt ist durch wachsende Interdependenzen, sind Atomwaffen denkbar schlecht geeignet, um mehr Einfluss oder gar Sicherheit zu schaffen. Es ist daher kein Zufall, dass US-Präsident Obama in seiner Rede an die Nation einen Tag nach dem Atomtest Nordkoreas ebenso viel Zeit auf die nukleare Rüstungskontrolle verwendete, wie darauf, neue Initiativen zur Verbesserung der Cybersecurity vorzustellen. Diese asymmetrischen Bedrohungen und Verwundbarkeiten sind es, die vermehrt die amerikanische Sicherheitspolitik bestimmen werden.

Gefährlich bleiben die noch existierenden rund 20.000 Atomwaffen in den Händen von neun Staaten trotzdem. Und je mehr Atomwaffenbesitzer es gibt, desto instabiler wird die Welt. Aber vor dem Hintergrund neuer Bedrohungen erscheint der Atomtest Nordkoreas eher als ein Anachronismus, denn als ein Indiz für die wachsende Bedeutung von Atomwaffen.

Letztlich ist es so: Ist eine Regierung wild entschlossen, Atomwaffen zu entwickeln und bereit, die ökonomischen und politischen Kosten zu tragen, gibt es in einer globalisierten Welt kaum Möglichkeiten, sie dauerhaft von diesem Weg abzubringen. Eine effektive Nichtverbreitungspolitik kann den Weg zur Bombe verlängern, indem sie waffenrelevante Technologien möglichst umfassend kontrolliert und Versuche, solche Kontrollen zu umgehen, frühzeitig aufgedeckt. Und sie kann die Option auf die Bombe verteuern, indem sie rechtliche Grundlagen bereitstellt, um Regelverletzungen zu sanktionieren. Schließlich kann sie die normative Basis bilden für eine politische Ächtung von Staaten, die Atomwaffen unter Umgehung internationaler Regeln und Normen entwickeln, weitergeben oder gar einsetzen. Begleitet werden müssen solche Nichtverbreitungsbemühungen von Maßnahmen, um die Sicherheit derjenigen zu erhöhen, die direkt von Staaten wie Nordkorea bedroht werden – nicht zuletzt um diese selbst vom Griff nach der Bombe abzuhalten.

Hürden für die Beschaffung von Atomwaffen erhöhen

Nachhaltig ist ein derartiger Ansatz nur, wenn Atomwaffen global geächtet werden. Eine Zweiklassengesellschaft, in der die einen an der nuklearen Abschreckung – so wie beispielsweise auch Deutschland in der NATO – festhalten, während sie von den anderen nuklearen Verzicht fordern, untergräbt die Glaubwürdigkeit einer jeden Nichtverbreitungspolitik.

Die richtige Reaktion auf den nordkoreanischen Atomtest ist es daher, die Rolle von Atomwaffen in der internationalen Sicherheit weiter zu reduzieren und die Hürden für ihre Entwicklung, Beschaffung oder ihren Einsatz zu erhöhen. Damit werden die unmittelbaren Gründe für das Streben nach Atomwaffen zwar nicht beseitigt. Aber eine solche Politik vergrößert die Wahrscheinlichkeit, dass die internationale Gemeinschaft geschlossen auf Regelbrecher wie Nordkorea und Iran reagiert. Sie macht die Waffen – und nicht die Atomwaffenbesitzer – zum Problem und ermöglicht damit weitere Schritte auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt.

Dr. Oliver Meier ist Wissenschaftlicher Referent am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg und Korrespondent der Arms Control Association.

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