- Nostalgie in Vinyl
In Mecklenburg hat Jörg Hahn das größte Schallplattenpresswerk Europas aufgebaut. Einst hat er die Schallplatte gerettet, jetzt profitiert er von deren weltweitem Boom
Es ist schwer zu sagen, wann Jörg Hahns Augen stärker leuchten: Wenn der Automatisierungstechniker schildert, wie er in Röbel an der Müritz Europas größtes Schallplattenpresswerk aufgebaut hat. Oder wenn er erzählt, wie es ihm zu DDR-Zeiten gelang, Pink Floyds Doppel-LP „The Wall“ zu ergattern. Wenn es allerdings darauf ankommt, siegt doch der Ingenieur in ihm über den Musikliebhaber. Und der 53-jährige Geschäftsführer von Optimal Media präsentiert stolz die 37 Schallplatten-Pressautomaten.
Der Lärm in der Werkshalle ist ohrenbetäubend, es riecht nach verbranntem Gummi. Die Pressen funktionieren wie Waffeleisen. Das Polyvinylchlorid wird auf 130 Grad Celsius erhitzt und durch eine Art Fleischwolf zu einem Vinylkuchen geformt. Der wird automatisch in die Mitte der Presse befördert. Dann schließt sich das Waffeleisen mit 150 Tonnen Druck, formt die Schallplatte und presst auf beiden Seiten die Tonspur in den Kunststoff. Die Schallplatte fällt zum Abkühlen auf eine Spindel. Nach 25 Sekunden ist sie fertig.
Bis zu 70 000 Platten kann das Unternehmen täglich pressen, im Jahr 24 Millionen. Die Maschinen laufen im Vierschichtbetrieb sieben Tage die Woche, nur Ostern und Weihnachten wird kurz pausiert. „Wir haben uns 1995 entschieden, in die Vinylproduktion einzusteigen, zu einem Zeitpunkt, als alle anderen rauswollten“, sagt Hahn. Dafür übernahmen sie von den großen Musiklabels wie Warner und Sony die alten Maschinen und die Aufträge gleich mit. Die hatten den Glauben an Vinyl verloren. Hahns antizyklische Investition hat sich gelohnt. Der Vinylabsatz hat sich allein in Deutschland seit 2006, als mit 300 000 verkauften LPs der Tiefpunkt erreicht war, auf 3,1 Millionen verkaufte Exemplare 2016 mehr als verzehnfacht. In anderen wichtigen Musikmärkten wie den USA und Großbritannien verläuft die Entwicklung ähnlich.
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