- Die Weihnachtsfrau
Madeleine Schickedanz, die Hauptaktionärin von Karstadt-Quelle, fiebert dieses Jahr dem Weihnachtsfest mehr entgegen als in vergangenen Jahren. Denn die Zahl der Geschenke unter dem Christbaum könnte über das Schicksal ihres Warenhauskonzerns entscheiden.
Die Wochen vor Weihnachten sind die wichtigste Jahreszeit für Madeleine Schickedanz. Freilich würde die 62-Jährige das so nie formulieren. Mag sein, dass der Konzern Karstadt-Quelle, an dem sie die Mehrheit hält, in diesen Dezembertagen sein Geschäft macht mit Elektronik, Kleidung, Spielsachen und Reisen. Doch was ist schon wirklich wichtig für eine Frau, deren Privatbesitz auf rund 1,15 Milliarden Euro geschätzt wird? Sie würde wohl abwinken und auf einen ihrer Manager verweisen.
Vielleicht würde sie sagen, dass gerade ihr schmerzlich bewusst wird, dass man die wahren Dinge nicht kaufen kann: Gesundheit zum Beispiel. Ihre kleine Tochter erkrankte 1982 an Blutkrebs. Fast sieben Jahre verbrachten Mutter und Kind in Krankenhäusern, bis der Krebs besiegt war. Aus Dankbarkeit gründete Schickedanz eine Stiftung gegen Blutkrebs. Zum Spendensammeln tritt die sonst so öffentlichkeitsscheue Dame sogar auf die Bühne. Unlängst zeigte sie sich in Sachen Krebshilfe sogar neben Günther Jauch und Veronica Ferres in der Fürther Stadthalle. Vor immerhin 600 Gästen.
Genaue Aussagen darüber, was Weihnachten für die Karstadt-Quelle-Mehrheitsaktionärin bedeutet, sind unmöglich, denn Madeleine lässt sich nicht fragen. Enge Beobachter streiten gar darüber, ob sie in ihrem Leben zwei oder vielleicht drei Interviews gewährt hat. Sicher ist, dass es so gewichtige Wirtschaftsfachblätter waren wie Bunte und die Nürnberger Lokalausgabe der Münchner Abendzeitung.
Ganz egal kann Madeleine Schickedanz das Weihnachtsgeschäft 2005 aber nicht sein. Laut Manager Magazin ist ihr Vermögen aufgrund der Karstadt-Krise zwischen Oktober 2004 und Oktober 2005 um rund 500 Millionen Euro abgeschmolzen. So viel Geld hat kein anderer Deutscher innerhalb eines Jahres verloren. Der Kapitalverlust blieb nicht ohne Folgen: Bei der Hauptversammlung gab es statt gebratenen Birkhuhnbrüstchen wie in den Vorjahren erstmals nur mehr Erbsensuppe mit Würstchen. Die Aktionäre mussten 500 Millionen Euro zuschießen; für Schickedanz bedeutete das mehr als 200 Millionen Euro. Ungeachtet der existenzbedrohenden Krise ihres Unternehmens kauft Madeleine Schickedanz seit Monaten in großem Stil Aktien des eigenen Unternehmens zurück. Ihren Anteil stockte sie beharrlich von weit unter 50 auf inzwischen fast 60 Prozent auf. Trotz dieser Investitionen bleibt sie selbst an Schicksalstagen ihrem Unternehmen fern und erschien nicht zur Hauptversammlung.
Das Geschäft überlässt sie anderen. Während ihre Mutter gerne nach Hongkong fuhr und Stoffe selbst einkaufte, hält die Tochter sich vom Tagwerk fern. Am gesellschaftlichen Leben nimmt sie weder am Firmensitz in Fürth noch an ihrem Wohnort in Sankt Moritz teil. Einzige Ausnahme: In der fränkischen Heimat erscheint sie hin und wieder in einer Schule und erinnert auf Abschlussfeiern an das Vorbild ihrer Mutter, die ihr Leben lang hart arbeitete und dafür sogar auf ihren Wunsch verzichtete, viel Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.
Zum Leid der Tochter: Ihre Eltern Grete und Gustav Schickedanz dachten immer ans Geschäft. Als Mädchen hatte sie kaum Freunde, lebte im sprichwörtlichen „goldenen Käfig“. Und Mutter Grete würde man ob ihrer dominanten Art wohl als „Übermutter“ bezeichnen. Selbst am Geburtstag der Tochter stand die Mutter im Mittelpunkt, denn beide feiern am gleichen Tag: am 20.Oktober. Geboren wurde Madeleine 1943 in einem Luftschutzkeller.
Ihrem Vater stand die Tochter näher, am meisten vielleicht in der Zeit, als er nach dem Krieg, weil er für die -NSDAP im Stadtrat saß, Berufsverbot hatte. Während die Mutter den Versandhandel zum zweiten Mal aufbaute, gingen Tochter und Vater gemeinsam spazieren. Später kam sie oft von der Schule in die Firma, um ihre Eltern beschäftigt zu finden. Und selbst der heimische Mittagstisch galt häufiger Mitarbeitern und Geschäftsfreunden als dem familiären Gespräch: Ganz spontan lud die Mutter immer wieder Besucher zum Mahl. Anschließend ging’s zurück ins Büro, abends wurde zu Hause weitergearbeitet. Es war sicher gut gemeint, dass die Mutter den Namen „Madeleine“ 1978 zu einer der besten Marken des Hauses machte, indem sie einen der Kataloge für die gehobene Klientel nach ihr benannte. Es ist aber auch bezeichnend. Vielleicht ist Madeleine ihren Mitarbeitern auch heute noch als Katalog „Madeleine“ am vertrautesten.
Im diesem Advent bewegt die 90000 Angestellten von Karstadt-Quelle vor allem eine Frage: Warum hat Madeleine Schickedanz in den vergangenen neun Monaten kontinuierlich Aktien ihres Unternehmens aufgekauft und dabei mehr als 300 Millionen Euro investiert? Brancheninsider haben zwei Theorien: Sie wolle 75 Prozent erlangen, weil sie den Konzern dann aufteilen und stückweise verkaufen kann. Die Einzelteile seien nämlich mehr wert als der Gesamtkonzern. Die andere Theorie wird von Konzernchef Thomas Middelhoff vertreten und besagt schlicht, dass sie eben ein besonderes Vertrauen habe in die Sanierung der Warenhauskette. Deshalb kaufe sie jetzt preiswert, so viel sie kriegen kann. Was auch immer stimmen mag: Vielleicht macht sich Madeleine Schickedanz selbst in diesem Jahr das größte Weihnachtsgeschenk – und legt sich die absolute Kontrolle des eigenen Unternehmens unter den Weihnachtsbaum.
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