Peter Thiel kämpft gegen Gawker: Zweifel an seinen Motiven sind erlaubt. Bild: picture alliance

Facebook-Investor Peter Thiel - Er ist die Macht, die das Gute will und das Böse schafft

Die Medienkolumne: Ein bizarrer Rechtsstreit hält die US-Nachrichtenbranche in Atem. Der Milliardär Peter Thiel will das Klatschportal „Gawker“ in den Ruin treiben. Seine edlen Motive könnten verheerende Folgen haben

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Diesen Mann sollte man sich merken: Peter Thiel, Silicon-Valley-Milliardär, Facebook-Investor, Fan von Donald Trump. Der gebürtige Frankfurter ist die zentrale Figur in einem Rechtsstreit, der weit über Amerika hinaus Bedeutung erlangen könnte. Es geht um Privatsphäre und Pressefreiheit. Um journalistische Ethik, digitale Debatten, die Rolle der vierten Gewalt.

In dieser Woche ist bekannt geworden, dass Thiel heimlich eine Klage unterstützt hat, die das New Yorker Klatschportal „Gawker“ an den Rand der Pleite treiben könnte.

Gawker und der Gossentratsch


Gawker Media ist nicht ganz unschuldig daran: Eine ihrer Webseiten hatte im Oktober 2012 ein Sexvideo des Wrestlers Hulk Hogan veröffentlicht. Gawker zerrt immer wieder schmutzige, ja intime Details von Prominenten an die Öffentlichkeit. Das Motto der Seite: „Der Klatsch von heute ist die Nachricht von morgen.“ Schmerzgrenzen – Fehlanzeige. Mit Journalismus hat das meist nichts zu tun, hier passt der englische Begriff des „Gossip“, der an Gossentratsch erinnert, besser: Statt Fakten zu prüfen, werden Anwälte unterhalten. Es zählt, was klickt und das sich wie ein Virus durch die sozialen Medien frisst.

Der umstrittene Clip, 1:47 Minuten lang, zeigt Hulk Hogan beim außerehelichen Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau seines besten Freundes. Eine Jury in Florida befand: Das ist rechtswidrig, dem Sportler steht Schadenersatz zu. „Gawker“ muss nun 140 Millionen Dollar zahlen. Eine Summe, die das Portal alleine kaum aufbringen kann. Es musste sich – ausgerechnet – einen russischen Investor holen .

Aber um Hulk Hogan geht es eigentlich gar nicht mehr. Denn ohne Peter Thiel hätte es diesen Richterspruch gar nicht gegeben: Er hatte Hogan bei seinem Prozess mit rund zehn Millionen Dollar unterstützt. „Aus Menschenliebe“, wie Thiel sagte. Er bekämpft Gawker bei mindestens zwei weiteren Prozessen.

Peter Thiel gegen seinen Willen geoutet


Denn, so vermutet der Gawker-Gründer Nick Denton in einem offenen Brief an Peter Thiel, dem Superreichen sei es nur um „kalte“ und „anonyme“ Rache gegangen. 2007 hatte das Klatschportal diesen geoutet: „Peter Thiel ist total schwul, Leute“ lautete die grelle Zeile des Gawker-Portals „Valleywag“.

Thiels Homosexualität war damals nur wenigen Vertrauten im Silicon Valley bekannt. Ein öffentliches Interesse an Thiels sexueller Ausrichtung gab es nicht; diese Art des Tratschens gegen den Willen des Betroffenen widerspricht jeglichen Standesregeln. Gawker Media outete noch weitere Personen der Zeitgeschichte als homosexuell, darunter Apple-Chef Tim Cook. Aber ein Promi, auch ein reicher, auch ein unsympathischer, hat ein Recht auf Intimsphäre. Alles andere ist purer Voyeurismus, Geldgier.

Thiel räumte seine Homosexualität erst Jahre später ein. Und bebte vor Zorn: Er bezeichnete das Gawker-Portal Valleywag einmal als „Silicon-Valley-Äquivalent von Al Qaida“. Seiner Logik folgend wäre der juristische Feldzug gegen Gawker ein Krieg gegen den medialen Terror.

Aufweichung der Pressefreiheit


In den USA sind Medienforscher alarmiert. Sie fürchten die Aufweichung der Pressefreiheit – Erster Zusatzartikel der US-Verfassung. Demnach könne der Prozess gegen Gawker ein Einfallstor für eine ganze Welle von Milliardärs- und Konzern-Klagen gegen unliebsame Berichterstattung werden. Fast zwei Drittel der US-Medien gaben in einer Umfrage der Knight Foundation an, sie könnten sich gegen rechtliche Angriffe noch schlechter wehren als noch vor einem Jahrzehnt. In neun von zehn Fällen würde es am Geld liegen: Während die Medien in einer tiefen Krise sind, werden in Urteilen immer höhere Summen erstritten. Zudem gebe es heutzutage mehr private Kläger „mit unbegrenzten finanziellen Mitteln, die sich das leisten können“, sagte ein Rechtsexperte dem Magazin Forbes. Prozesse wie der von Hogan und Thiel gegen Gawker würden die ganze Medienbranche entmutigen: Sie berichteten kaum noch kritisch über die Mächtigen.

Peter Thiel sagte der New York Times, in seinem Fall gehe es gerade nicht um Enthüllung und Machtmissbrauch. „Gerade weil ich Journalisten respektiere, glaube ich nicht, dass sie bedroht sind durch meinen Kampf gegen Gawker.“ Thiel ist prominenter Spender des „Committee to Protect Journalists“. Diese Organisation setzt sich für verfolgte und inhaftierte Reporter weltweit ein.

Donald Trump will die Mediengesetze verschärfen


Es ist tragisch, dass nun ausgerechnet Gawker zum Vorkämpfer der Pressefreiheit in Amerika stilisiert wird. Dieses Klatschportal hätte es ohnehin verdient, abgeschaltet zu werden, weil es Standards einreißt. Wenn sich Portale wie Gawker als seriöse Nachrichtenmedien ausgeben, fällt es vielen Leserinnen und Lesern zunehmend schwer, zwischen Klatsch und Journalismus zu unterscheiden.

Zu Thiels vermeintlichem Einsatz für die Pressefreiheit passt eine Sache nicht. Er unterstützt Trump bei den republikanischen Vorwahlen Mitte Juli in Ohio. Trump kündigte am Donnerstag an, er wolle Gesetze gegen Medien verschärfen. Als Beispiel nannte er die New York Times und die Washington Post. Wenn diese Zeitungen einen Hit landeten, „der eine Schande ist“, „dann können wir sie verklagen und Geld verdienen“.

Daraus spricht nicht etwa die Besorgnis um ethische Standards und guten Recherchejournalismus, sondern ein medienfeindliches, ja -verachtendes Bild.

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