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Die Mühlen der Integration - Seid Realisten, verlangt das Unmögliche!

Der Sozialstaat lähmt die Integration von Zuwanderern, indem er falsche Anreize schafft, sagt die russischstämmige Publizistin Sonja Margolina. Migranten müssten nicht bedient und erzogen, sondern in die Pflicht genommen werden, fordert sie

Autoreninfo

Sonja Margolina, Jahrgang 1951, ist 1986 aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik emigriert. Sie arbeitet als Journalistin und Buchautorin.

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Alles redet von Integration. Und je eindringlicher sie beschworen wird, umso weniger wahrscheinlich erscheint ihr Gelingen. Die Rhetorik der Integration ist ein Instrument der positiven Meinungsbildung in einer verunsicherten Gesellschaft, ein Beruhigungsmittel gegen Zweifel und Ängste. Sie verwandelt Idealismus in Tatendrang, wie die Massenbewegung der Flüchtlingshelfer eindrücklich vor Augen geführt hat. Deren unermüdlicher Einsatz wird von den europäischen Nachbarn mit einer Mischung aus Bewunderung und Befremden registriert. Seid Realisten, verlangt das Unmögliche: dass der „arabische Mann“, ein Afghane vom Land den deutschen Benimmregeln folgen würde, nachdem er im Integrationskurs von der Gleichberechtigung gehört hat; dass ein Analphabet die deutsche Sprache erlernt, nur weil er zum Deutschunterricht verdonnert wird, oder dass er seine traditionelle Sozialisation gegen den neuen Verfassungspatriotismus eintauschen wird.

Der erwachsene Migrant wird als ein passives Objekt eines staatlichen Umerziehungs,- und Gestaltungsprojekts gesehen, nicht als Subjekt, das bereits durch seine Kultur fertig geformt ist. Die Schaffung eines „neuen Menschen“ mag in einer totalitären Erziehungsdiktatur wie der Sowjetunion halbwegs funktioniert haben, in einer Demokratie geht das nicht. Das Instrumentarium der Sanktionen gegen „renitente Integrationsverweigerer“ ist dürftig. Der Wille zur Integration scheint ohnehin weniger ausgeprägt zu sein als oft suggeriert wird.

Modernisierung in eigener Sache
 

In einem Wohlfahrtsstaat zahlt sich die Anstrengung zur Integration für erwachsene Menschen, von wenigen Aufsteigern einmal abgesehen, nicht aus. Denn seine Familie mit einfacher Arbeit über die Runden zu bringen, hat weniger Aussicht auf Erfolg als seinen Lebensunterhalt mit staatlichen Zuwendungen und Kindergeld zu bestreiten. Das mag politisch nicht korrekt klingen, ist aber eine allgemein bekannte empirische Tatsache. Das üppige Sozialpaket für Bedürftige, das den sozialen Frieden sichert, lähmt die Integration der Migranten eher, als dass es sie fördert.

Seine Wirkung ähnelt dem aus Ölstaaten bekannten „Ressourcenfluch“, wie zum Beispiel in Russland: Dank der Umverteilung der üppigen Ölrente wird dort die fällige Modernisierung, insbesondere die politische Liberalisierung, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, ja blockiert. Integration in die Aufnahmegesellschaft ist aber nichts anderes als eine Modernisierung in eigener Sache: ein Aufbruch ins Unbekannte, eine Loslösung von den tradierten Strukturen. In Wohlfahrtsstaaten unterbleibt sie oft. Im Gegenteil hilft die staatliche Sozialsicherung eher, alte Strukturen und familiäre Machtverhältnisse zu stärken und sie in Abwehr gegen die fremde Umwelt aufrechtzuerhalten. Die kulturellen Barrieren sind bei Migranten aus islamischen Stammesdiktaturen, wo die Werte so ziemlich das Gegenteil von dem sind, was in Europa gelebt wird, besonders hoch.

Vermeintliche Bringschuld vom Kopf auf die Füße stellen
 

Die Sozialsicherung ist nicht der einzige Grund für das häufige Scheitern der Integration über Generationen hinweg. Doch sie bestimmt das Verhältnis der Migranten zur Aufnahmegesellschaft mehr als alles andere. Die liberale Maxime „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“ wird im Wohlfahrtsstaat auf den Kopf gestellt. Denn er ist es, der die Verantwortung für Migranten übernimmt und diese davon weitgehend entbindet. Die Gesellschaft handelt so, als ob sie eine Bringschuld gegenüber den Neuankömmlingen hätte. Dabei ist es im überragenden Interesse der Flüchtlinge und Migranten, nach Deutschland zu kommen und hier auf Dauer zu leben. Sie profitieren davon, während die Aufnahmegesellschaft umgekehrt enorme Risiken und Kosten auf sich nimmt. Nur wenn man die vermeintliche Bringschuld vom Kopf auf die Füße stellt, wäre es möglich, über den Beitrag der Zugewanderten zur ihrer Integration rational zu diskutieren.

Integration ist nicht, wenn man seine Unterschrift unter einen Anforderungskatalog von Werten leistet. Sie ist schlicht die Fähigkeit, seinen Unterhalt selbst zu verdienen und seinen Kindern ein Fortkommen zu ermöglichen. Männer vom Patriarchat und ihren schlechten Manieren zu kurieren, ist nicht die Aufgabe der Allgemeinheit. Der Staat kann ohnehin nicht in die Familie eingreifen, auch wenn sie eine Hölle ist.

Eigenverantwortung der Migranten in den Vordergrund stellen
 

Wenn schon ein Soli-Beitrag für Integration diskutiert wird, wäre es mehr als billig, dass auch Migranten einen Beitrag zur Unterstützung ihrer Leidensgenossen leisten. Kredite fürs Studium wären angesichts der enormen Ausbildungskosten nur gerecht. Auch ein soziales Jahr für die Schulabsolventen in den Flüchtlingsheimen ist vielleicht keine schlechte Idee. Ebenso wäre es angebracht, Migranten an den gemeinschaftlichen Aufgaben zu beteiligen.

Es geht nicht um einzelne Rezepte, zumal sie sofort auf Empörung stoßen und mit rechtlichen Argumenten versenkt werden können. Es geht um ein gesellschaftliches Konzept, das eine Rückbesinnung auf die traditionellen Tugenden der Einwanderer ermöglicht, die Eigenverantwortung, Risikobereitschaft, Anstrengung des Einzelnen erfordert und das Migranten nicht zum Objekt bürokratischer Verwaltung und zu Rentenempfängern degradiert.

Flüchtlinge mögen Leidtragende der Verhältnisse in ihren rückständigen und diktatorischen Ländern gewesen sein, viele von ihnen sind Kriegs- und Terroropfer. Doch nun sind sie, verglichen mit ihren unzähligen Leidensgenossen, keine Opfer mehr, sondern Gewinner. Sie müssen nicht bedient und erzogen, sondern in die Pflicht genommen werden. Seid Realisten, verlangt das Unmögliche.

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