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CDU-Beschluss zu Flüchtlingen - Merkel hat sogar Seehofer überboten

Leicht gesagt. Es scheint nur so, als hätten sich die Schwestern CDU und CSU wieder vertragen. Merkel hat mit ihrem Versprechen, die Flüchtlingszahlen spürbar zu verringern, sogar Seehofers Forderungen übertroffen. Nun verlangt dieser von ihr ultimativ, dass sie liefert. Merkel bleibt kein Vierteljahr mehr zum Handeln

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich allzu leicht, dass nun CDU und CSU wieder harmonisch beisammen sind. Angela Merkels Leute waren formvollendete Gastgeber. Sie hatten sich fest vorgenommen, Horst Seehofer nett zu empfangen. Er hatte all den Charme mitgebracht, den er der Kanzlerin vorenthalten hatte auf seinem Parteitag. So schien es.

Sein „Liebe Angela“-Gesäusel verpackte jedoch nur watteweich die kernharte Botschaft: Jetzt musst Du liefern, Schwester! In seinen Worten: „Wir sollten uns jetzt darauf konzentrieren, diese Reduzierung und Begrenzung wirksam und mit deutlicher Rückführung der Flüchtlingszahlen zu erreichen. Denn abgerechnet – politisch – wird am Ende über die Zahl der Flüchtlinge.“

Die Flüchtlingszahlen müssen runter: Darauf hat sich die CDU festgelegt, stärker übrigens als die CSU. Denn es geht nur auf den ersten Blick um Semantik. Die CSU hatte eine Obergrenze beschlossen, jedenfalls den Begriff in die Überschrift ihres Antrags geschrieben, ohne ihn darin selbst näher zu spezifizieren. Die CDU spricht hingegen von einer notwenigen Reduktion der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge.

Die Obergrenze zu fordern ist also leichter, als sinkende Flüchtlingszahlen zu versprechen. Merkel hatte klare Gründe, eine Obergrenze abzulehnen. Denn die Definition eines Maximums führt nur dazu, es auch auszuschöpfen.

Die Zahlen der Flüchtlingskrise


Deswegen wurde Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff von seinen CDU-Parteifreunden auch ziemlich gescholten für seine Rechennummer. Darin kam er auf gut 400.000 Flüchtlinge pro Jahr, die Deutschland höchstens aufnehmen könne. Eine Theorie sollte das sein, mehr nicht. Die Zahl war aber nun öffentlich, und die Türkei – so der Vorwurf – werde sie für wahr nehmen und sagen, dass da ja noch viel Luft sei, wenn das allein der deutsche Anteil an allen noch zu verteilenden Flüchtlingen sein soll.

Die CDU hat sich deshalb nur auf die Reduzierung festgelegt. Aber Zahlen nennt sie nicht. Braucht sie auch nicht, da jeder selbst rechnen kann. Wenn täglich 3000 Flüchtlinge kämen, dann wären es im Jahr eine Million. Nicht leistbar auf Dauer sei das, sagen sie auch bei der CDU. Kämen nur die Hälfte, täglich 1500, dann wären es Ende 2016 in der Summe 500.000 und annähernd so viele, wie Haseloff errechnet hat.

Zur Zahl kommt die Zeit. Die haben Merkels Getreue genannt. So sagte Elmar Brok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, dem ZDF: „Wenn wir es bis März nicht schaffen, dass die Zahl der Flüchtlinge sichtbar für die Bevölkerung heruntergeht, dann werden wir ein neues Glaubwürdigkeitsproblem haben.“ Heißt demnach: Ab März dürfen es nicht mehr als täglich gut 1000 Menschen sein, die mach Deutschland fliehen.

Das Schicksal der Kanzlerin


Die Kanzlerin hat damit ihr Schicksal in die Hände der EU gegeben – und zwar jener Staaten, die sich um den Schutz der Außengrenzen Europas kümmern müssen. Auch ist sie nun auf die Türkei angewiesen als Pufferstaat, der den fliehenden Syrern eine Bleibe in ihrer Not sein soll. Russlands Präsident Putin lässt derweil Aleppo bombardieren und viele Türken fürchten, dass die Stadt, die nicht zum IS gehört, bald fallen könnte. Dann machten sich möglicherweise eine weitere Million Menschen auf den Weg Richtung Europa.

Am 13. März sind in drei Bundesländern Landtagswahlen. Seehofer hat auf dem Parteitag in Karlsruhe angeboten, den CDU-Spitzendkandidaten zu helfen. Was freundlich wirkte, war auch nur eine wattierte Warnung: Schaut, liebe CDU, wie viel an Macht bei Merkels Flüchtlingspolitik auf dem Spiel steht.

Merkel schien jedoch dagegen gut gerüstet. Sie hat ihre Parteitagsdelegierten zu 99 Prozent hinter sich versammelt. Ihre Taktik: Sie wählte historische Vergleiche. Ihr „Wir schaffen das“-Credo stellte sie in eine Reihe mit Sätzen großer und von der CDU verehrter Vorgänger.

„Konrad Adenauer hat 1952 nicht gesagt, wir wählen etwas Freiheit. Er hat gesagt: Wir wählen die Freiheit“, sagte Merkel. „Und Ludwig Erhard hat 1957 nicht gesagt, Wohlstand für fast alle. Er hat gesagt: Wohlstand für alle.“ Helmut Kohl habe 1990 zu Recht versprochen, den Osten Deutschlands „schon bald in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt. Blühende Landschaften!“

Die Großen der CDU


Die Delegierten waren aus dem Häuschen und überklatschten frenetisch die Chuzpe ihrer Chefin, sich zu den Gottheiten aus 70 Jahren CDU zu gesellen. Sie konnte überzeugend klarmachen, dass jeder dieser Großen beschimpft und verspottet wurde von den vielen Kleinen, den Verzagten und Ängstlichen, die es zu jeder Zeit gab und gibt. Weil Mäklern die Weitsicht der Macher fehlt.

Tatsächlich war Adenauer vorgeworfen worden, mit seiner Ablehnung der Stalin-Note und damit dem Verzicht auf die Neutralität Deutschlands Teilung besiegelt zu haben. Doch er habe letztlich die Freiheit für ganz Deutschland gewählt, so Merkel, auch wenn es 37 Jahre dauerte.

Ludwig Erhards berühmte Wohlstandsforderung war ebenfalls kühn zu einer Zeit, als noch über 750.000 Deutsche ohne Arbeit waren. Und Kohls „blühende Landschaften“ wurden dem Kanzler der Einheit über das Ende seiner Amtszeit hinaus als Lüge vorgehalten – ohne ihn allerdings redlich zu zitieren und den Unterschied zwischen Blüte und Ernte zu berücksichtigen.

Merkel als mächtigste Politikerin Europas


Unter Merkels 1001 Zuhörern war einer, der seit Gründung der CDU auf allen Parteitagen als Delegierter war. Einer, der von Adenauer bis Merkel jeden auf der Bühne erlebt hat: Heinz Schwarz. Er war 1971 in Rheinland-Pfalz Kohls Innenminister und galt als rechter Hardliner. Er findet, Merkel habe recht mit ihrem Anspruch, als Akteurin etwas wagen zu müssen. Aus der Not die Tugend zu machen. „Wenn sie das Problem löst, dann hat sie in einer bestimmten Situation ähnlich konkret Probleme gelöst, wie die drei Vorgenannten auch“, sagte Schwarz dem ZDF.

Heinz Schwarz, der im Trümmerdeutschland die Junge Union mitgegründet hat, kann nicht verstehen, dass diese heute so skeptisch in die Zukunft schaut. Hätten er, Adenauer, Erhard oder Kohl genauso gehandelt, dann hätte Deutschland nicht diese erfolgreiche Vergangenheit gehabt.

Die Flüchtlinge könnten ein Problem werden, wenn wir sie dazu machen. Sie könnten aber auch wie einst Westbindung, Wirtschaftswunder und deutsche Einheit ein Glück für dieses Land bedeuten. Vorausgesetzt, der Kanzlerin gelingt es, Deutschland mit Zuwanderern nicht zu überfordern. So hat sie das versprochen. Um das zu halten, muss sie jetzt ihr Können als mächtigste Politikerin Europas beweisen – unverzüglich.

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