Hmeimim
Ein gepanzertes russisches Militärfahrzeug in der Nähe des Luftwaffenstützpunkts Hmeimim / dpa

Nach dem Sturz von Assad - Wie weiter für Russland in Afrika?

Die Entmachtung des syrischen Präsidenten Assad könnte das Ende der Partnerschaft zwischen Moskau und Damaskus bedeuten. Die USA und die EU dürften die Schwäche Russlands in der Region zu nutzen versuchen – für die Türkei gilt das erst recht.

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Ronan Wordsworth ist Analyst bei Geopolitical Futures.

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Der Sturz von Bashar al-Assad in Syrien wird wahrscheinlich weitreichende Folgen für den (ehemals) engen Verbündeten Russland haben, die sich sogar auf seine Operationen in Afrika erstrecken. Syrien war jahrzehntelang ein wichtiges Logistikzentrum für Moskau und beherbergte Militärbasen und Unterstützungseinrichtungen, die für russische Aktivitäten im Ausland von entscheidender Bedeutung waren. Da Assad nun in Russland im Exil lebt, wird der Kreml die Auswirkungen auf seine Operationen in Afrika gewärtigen müssen.

Handel mit Gold, Diamanten und Edelhölzern

Afrika ist für Russlands langfristige Strategie aus einer Reihe von Gründen von entscheidender Bedeutung. Berichten zufolge verdient Moskau allein mit seinen Operationen in der Zentralafrikanischen Republik, zu denen auch der Handel mit illegalem Gold, Diamanten und Edelhölzern gehört, jährlich eine Milliarde Dollar. Die Verwaltung der Ölfelder in Libyen und im Sudan durch Russland sind eine wichtige Devisenquelle und helfen Moskau, die westlichen Sanktionen zu umgehen. Russland hat auch politische Interessen auf dem Kontinent. Die afrikanischen Staaten haben größtenteils gezögert, Russlands umfassenden Einmarsch in der Ukraine zu verurteilen, und einige haben sogar die Behauptung Russlands unterstützt, es führe den Kampf gegen die westliche Hegemonie an.

Inmitten des Krieges zwischen Russland und der Ukraine ist Afrika (neben Zentralasien) zu einer wichtigen Quelle für Arbeitskräfte in Russland geworden, das mit einem wachsenden Arbeitskräftemangel konfrontiert ist, insbesondere in der verarbeitenden Industrie und im Dienstleistungssektor. Afrikanische Arbeitsmigranten wurden angeworben, um in russischen Drohnen- und Munitionsfabriken zu arbeiten, die für Moskaus Kriegsanstrengungen unerlässlich sind. Und schließlich sind die Sahelzone und Zentralafrika zu Orten geworden, von denen aus Russland die Südflanke der Nato bedrohen kann, indem es beispielsweise eine weitere Migrationswelle nach Südeuropa auslöst und damit möglicherweise Zwietracht unter den EU-Mitgliedern sät. Die in Libyen stationierten russischen Militärangehörigen und Raketen sind für Moskau auch ein wertvolles Druckmittel bei künftigen Verhandlungen mit europäischen Regierungen.

Strategischer Luftwaffenstützpunkt Hmeimim

Doch Moskaus Präsenz in Afrika könnte durch die ungewisse Zukunft seiner Partnerschaft mit Syrien gefährdet sein. Der russische Marinestützpunkt in Tartus, der 1971 von Hafez al-Assad, dem Vater von Bashar al-Assad, an Moskau verpachtet wurde, ist das einzige Marinezentrum des Landes im Mittelmeer und hat sich zu einer der wichtigsten Einrichtungen für Operationen in Übersee entwickelt. Im Jahr 2017 wurde Moskaus Zugriff auf den Stützpunkt mit einem 49-jährigen Pachtvertrag verlängert, auch dank seiner entscheidenden Rolle bei der Stützung des Assad-Regimes seit 2015. Russland und russische Söldnergruppen nutzen den Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Latakia auch als Aufmarschgebiet für Operationen in Afrika. Ohne Zugang zum Luftwaffenstützpunkt Hmeimim wäre Libyen der einzige Verbündete Russlands in Afrika, den man mit dem Flugzeug erreichen könnte, ohne auftanken zu müssen – und selbst das könnte eine Herausforderung sein, da man dafür direkt über die Türkei fliegen müsste. Diese beiden Stützpunkte bieten logistische Unterstützung für die Versorgung russischer Operationen im Ausland mit Waffen, Munition und Ausrüstung sowie für die Personalrotation und sind ein Drehkreuz, über das Moskau Mineralien und Öl aus Afrika exportieren könnte.

Darüber hinaus könnte Russlands Versagen beim Schutz Assads etliche Regierungen in Afrika dazu veranlassen, den Wert ihrer Beziehungen zu Moskau in Frage zu stellen. Russland hat enge Beziehungen zu mehreren afrikanischen Ländern aufgebaut, darunter Mali, Burkina Faso, Niger, die Zentralafrikanische Republik, Sudan und Libyen. Russische Beamte und ehemalige Mitglieder der Söldnergruppe Wagner haben enge persönliche Kontakte zu autoritären Führern in der Region geknüpft, um diese Beziehungen zu festigen, und im Gegenzug wurde Moskau oft Zugang zu Mineralien oder anderen Ressourcen gewährt. Von zentraler Bedeutung für die Aufrechterhaltung dieses Netzwerks war jedoch die Vorstellung, dass Moskau ein gewisses Maß an Schutz für Regierungschefs bieten konnte, die beim Westen in Ungnade gefallen waren. Die Unfähigkeit des Kremls, Assad vor dem Sturz zu bewahren, wird Regierungen auf dem ganzen Kontinent dazu bringen, diese Annahme zu hinterfragen. Die Junta-geführten Regimes in Mali, Burkina Faso und Niger fragen sich nun zweifellos, ob Russland wirklich in der Lage ist, ihnen zu Hilfe zu kommen, wenn ihre Macht in Frage gestellt wird – insbesondere in Anbetracht des möglichen Verlusts der syrischen Stützpunkte.

Gespräche mit Moskau über Hafen von Tartus

Der Kreml muss nun überlegen, wie er am besten vorgehen kann. Berichten zufolge haben russische Beamte mit den Rebellengruppen, die den syrischen Aufstand angeführt haben, Gespräche über den weiteren Zugang Russlands zum Hafen von Tartus geführt. Die Rebellenführer haben erklärt, dass alle unter Assad unterzeichneten Vereinbarungen vorerst nicht neu verhandelt werden und ihr Schicksal dem syrischen Volk überlassen werden sollte. Der Chef der Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die den Aufstand angeführt hat, hat sich nicht öffentlich zu der Angelegenheit geäußert – aber wenn man bedenkt, dass die Unterstützung Moskaus entscheidend dazu beigetragen hat, Assad so lange an der Macht zu halten, und dass Moskau der Assad-Familie weiterhin sicheren Unterschlupf bietet, werden die Oppositionsgruppen Russlands Friedensangeboten wahrscheinlich skeptisch gegenüberstehen. Darüber hinaus wurde HTS in hohem Maße von der Türkei unterstützt, die ein eigenes Interesse daran hat, Russland den Zugang zu militärischen oder logistischen Ressourcen in Syrien zu verwehren. Offenen Quellen zufolge haben bereits russische Frachtschiffe und mindestens zwei Antonow An-124-Frachtflugzeuge die Stützpunkte in Tartus und Latakia aufgesucht, möglicherweise um Ausrüstung abzuziehen.

Russland wird wahrscheinlich Alternativen in Afrika in Betracht ziehen, über die es seine Projekte in Übersee verwalten kann. Es wünscht sich seit langem einen Stützpunkt an der sudanesischen Küste des Roten Meeres. Im Jahr 2017 unterzeichneten die beiden Länder ein Abkommen, das die Einrichtung eines russischen Stützpunkts dort vorsieht. Berichten zufolge wurde der sudanesische Hafen bereits vor dem Sturz Assads für begrenzte russische Operationen genutzt (einschließlich Betankung und Nachschub für russische Söldner, die in Mali operieren, sowie Unterstützung für das sudanesische Militär). Die Entfernung wird für Moskau jedoch eine Herausforderung darstellen. Es wäre nicht in der Lage, von russischem Territorium aus Nachschub direkt in den Sudan zu transportieren, so dass die Aufrechterhaltung einer ständigen Basis im Sudan kompliziert werden könnte. Hinzu kommt, dass der seit 20 Monaten andauernde Krieg im Sudan kaum Anzeichen für eine Abmilderung aufweist, was die Sicherheit der russischen Militäreinrichtungen im Lande ebenfalls gefährden könnte.

Libyen für Moskau von großer Bedeutung

Das bei weitem am besten ausgebaute russische Netz in Afrika befindet sich in Libyen. Während des gesamten Jahres 2024 hat Moskau seine militärische Präsenz dort ausgebaut und die Start- und Landebahnen seines Luftwaffenstützpunkts erneuert, damit Il-76-Frachtflugzeuge im Land landen können. Im Gegenzug für die Verbesserung der Infrastruktur erhielt Russland ständige Andockrechte im Hafen von Tobruk, obwohl die dortigen Marineeinrichtungen für eine dauerhafte Nutzung zu unterentwickelt sind. Ein langfristiger Zugang würde eine Zusammenarbeit mit dem Befehlshaber der in Tobruk stationierten Libyschen Nationalarmee, Khalifa Haftar, erfordern, der den Osten und Süden des Landes kontrolliert. Moskau pflegt seit geraumer Zeit Beziehungen zu Haftar, aber jede weitere Investition könnte vergeblich sein, sollte er aus den Regionen, die er derzeit kontrolliert, vertrieben werden.

In Algerien hat Russland den Wunsch geäußert, einen Hafen zu bauen, der als Basis für Operationen auf dem Kontinent dienen könnte. Angesichts der Verärgerung Algeriens über die Haltung der Europäischen Union im Westsaharakonflikt und ihrer Kritik am algerischen Präsidenten könnte dies ein guter Zeitpunkt für die Aufnahme von Gesprächen sein. Dennoch würde Algerien wahrscheinlich nicht seine verbleibenden westlichen Partnerschaften riskieren, um einen russischen Stützpunkt zu beherbergen.

In Westafrika könnten die Länder am Golf von Guinea Moskau ebenfalls einen Stützpunkt für seine Operationen in der Sahelzone bieten, auch wenn die dort errichteten Einrichtungen wahrscheinlich nicht die Kapazität hätten, als umfassende logistische Drehscheiben zu fungieren. Länder wie Togo, Benin, die Elfenbeinküste und Ghana stehen im Visier des Kremls, aber auch die USA versuchen verstärkt, die Ausbreitung des russischen Einflusses in der Region zu verhindern.

Ankara in zunehmender Konkurrenz zu Russland

Da Russlands Möglichkeiten begrenzt sind, sehen sowohl Europa als auch die USA eine Chance, Russlands Netzwerk im Ausland zu begrenzen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten und die EU Gespräche mit der neuen syrischen Regierung unter Abu Mohammad al-Golani führen – und dass dieser auf russische Vorschläge nur deshalb eingeht, um bei künftigen Gesprächen mit dem Westen ein Druckmittel zu haben. In der Zwischenzeit könnte die Türkei, die mehr Einfluss auf die neue syrische Regierung hat als jedes andere Land, die Situation nutzen, um Russlands Engagement im Nahen Osten und in Afrika zu begrenzen, wo Ankara zunehmend in direkter Konkurrenz zu Moskau steht.

Die Tatsache, dass Russland weder in der Lage noch willens war, Assad während des Vormarschs der Rebellen zu helfen, ist ein Indikator für den Druck, dem der Kreml durch den Krieg in der Ukraine ausgesetzt ist. Dies wird sich wahrscheinlich auch auf Moskaus Pläne in Afrika auswirken und sie auf Bemühungen mit geringem Aufwand wie Desinformations- und Propagandakampagnen und sehr begrenzte Truppeneinsätze beschränken. In den vergangenen Wochen haben sowohl der Tschad als auch der Senegal ihre militärische Zusammenarbeit mit Frankreich beendet, aber keiner der beiden Staaten hat angedeutet, dass er die französische Präsenz durch russische Truppen ersetzen wird.

Afrika-Strategie neu justieren

Die Entmachtung Assads könnte das Ende der jahrzehntelangen Partnerschaft zwischen Moskau und Damaskus bedeuten. Die USA und die EU werden die Schwäche Russlands in der Region als Chance sehen, seine Fähigkeiten zur Machtprojektion anderswo zu untergraben. Die Türkei wird dies als Chance sehen, um sicherzustellen, dass Russland durch seine Beziehungen zur HTS nicht wieder in Syrien Fuß fassen kann. Und Russland wird überlegen müssen, wie sich diese Entwicklungen auf seine Strategie in Afrika auswirken werden.

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