- In der Edathy-Affäre bestätigt die Politik alle Vorurteile
Die Affäre Edathy schadet vor allem der Politik selbst. Sie bestätigt das Bild einer ichbezogenen Politikerkaste, der es nicht um die Menschen, sondern nur um die Karriere geht
In der Affäre Edathy stehen noch nicht alle Verlierer endgültig fest. Aber eine große Verliererin gibt schon jetzt: Die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. Das ganze Ausmaß der Verheerung kann man noch gar nicht recht vermessen und ermessen.
Als Berliner Journalistenmensch ist man sehr oft damit beschäftigt, Leuten im persönlichen Gespräch ihre Vorbehalte gegenüber denen da in Berlin auszureden, ihnen zu erklären: nein, das sind nicht alle unfähige, intrigante, karrieregeile, skrupel- und charakterlose Kreaturen, die sich obendrein gerne einen über den Durst genehmigen und auch sonst über alle Stränge schlagen.
Es sind doch nicht alle so
Nein, das stimmt alles so nicht, hört man sich fast flehen. Kanzler sein ist ein mörderischer Job, und alle Spitzenpolitiker absolvieren ein Pensum in einem Tempo und unter einem Druck, dem Durchschnittsmenschen nicht standhalten würden. Und sie tun das in einer repräsentativen Demokratie stellvertretend für alle. Für vergleichsweise wenig Geld. Dafür genießen sie ein paar Privilegien, mit denen die meisten aber verantwortungsvoll umgehen.
So hört man sich noch reden.
Und dann kommt die Causa Edathy. Ein SPD-Politiker gerät ins Visier der Ermittler, weil er Fotos nackter Jungen bestellt hat. Ein Kollege von ihm, selbst zumindest vorübergehend Crystal Meth Konsument und zugleich als Mitglied der Kontrollkommission der Nachrichtendienste ein Geheimnisträger, steht nun im Verdacht, Edathy von diesen Ermittlungen berichtet und ihn so gewarnt zu haben. Der damals amtierende BKA-Chef Jörg Ziercke erscheint in einem unseligen Licht, weil er im Verdacht steht, seine Parteizugehörigkeit zur SPD über seine dienstliche Pflicht zu Verschwiegenheit gestellt zu haben.
Und obendrein künden die nicht bestrittenen Kurznachrichten und Beschreibungen der Gespräche zwischen Edathy und seinen Partei- und Fraktionsoberen Thomas Oppermann und Sigmar Gabriel nur von einem: Vom unbändigen Trieb eines ehrgeizigen mitteljungen Abgeordneten, den allein die Frage umtrieb: Werde ich was in der kommenden Großen Koalition? Und wenn ja, was? Parlamentarischer Staatssekretär vielleicht, am liebsten Minister, aber mindestens was in der Fraktionsspitze. Dabei war ihm sogar das Mittel recht, auf seine besondere Eignung als Mann mit Migrationshintergrund hinzuweisen.
Der Frust der Straße über die da oben
In Dresden und anderswo in Deutschland laufen gerade immer montags Zehntausende durch die Straßen, weil sie ein diffuses, zu großen Teilen auch völlig wirres Gefühl umtreibt, dass die da in Berlin alle zu nichts taugen, dass denen die wahren Sorgen der Menschen im Lande völlig egal sind. Hauptsache, sie haben eine tollen Posten und einen dicken Dienstwagen.
Klar ist derzeit, dass jemand lügt in der Darstellung der Abläufe. Offen ist, ob das Lügenkartell je geknackt werden kann. Sonnenklar aber ist: Nach der Causa Edathy, nach dessen Rundumschlag in alle Richtungen, wird es noch schwerer werden, gegen Vorurteile und Klischees über die Politik anzukommen. Weil in diesem Fall die Wirklichkeit schlimmer ist als jedes Klischee.
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