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Scarlett Johansson - Ein Hollywoodstar tappt in die Nahost-Falle

Kann denn Sprudel Sünde sein? Weil Scarlett Johansson für die israelische Firma Sodastream warb, wurde die Hilfsorganisation Oxfam sauer

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Sylke Tempel ist promovierte Historikerin und lebt als freie Publizistin in Berlin. Zuletzt erschien von ihr im Rowohlt-Verlag "Globalisierung, was ist das?"

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Zunächst ging es nur um Flaschen. Scarlett Johansson, 29, ist, wie sie sagt, „süchtig“ nach Softdrinks. Nach jenen Erfrischungsgetränken, die in Plastikflaschen abgefüllt werden, die wiederum als riesige schwimmende Müllinseln die Weltmeere verschmutzen. Dass ihre eher unschuldige Sucht sie zwischen die Fronten des Nahostkonflikts katapultieren würde, das hätte die Schauspielerin wohl nicht für möglich gehalten.

Der Reihe nach. Johansson ist jedenfalls nicht nur ein Bubble-Junkie, sondern auch ein umweltbewusster Mensch. In ihrer Familie gehört es seit jeher zum Selbstverständnis, sich für die Allgemeinheit zu engagieren. Botschafterin für die britische Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam zu werden, war daher für die amerikanische Schauspielerin mehr als nur eine Prestigefrage. Es war eine Möglichkeit, ihre Berühmtheit zu nutzen, um auf Wichtigeres als Hollywood aufmerksam zu machen. Auf einer Reise als Oxfam-Botschafterin nach Somalia und Äthiopien wurde der Schauspielerin klar: Das ist keine politische, sondern eine Umweltkrise. „Ich glaube“, sagte sie damals, „dass es wichtig ist zu zeigen, wie sehr sich der Klimawandel schon auf diese Menschen auswirkt.“

Sodastream ist eine umweltbewusste Firma. Sie macht Plastikflaschen überflüssig, weil sich mit ihren Geräten aus Leitungswasser Sprudelwasser herstellen lässt. Es hätte also eigentlich nicht besser kommen können: Schauspielerin, Oxfam-Botschafterin und zweifache „sexiest woman alive“ wirbt während des Superbowls – dem größten US-Sportspektakel, bei dem Millionen Zuschauer während des Footballspiels Millionen Liter Softgetränke konsumieren – lasziv am Strohhalm saugend für ein umweltfreundliches Produkt.

Trotz Oxfams Einwänden blieb Johansson bei Sodastream


Hätte. Wäre Sodastream nicht ein israelisches Unternehmen, das eine Produktionsstätte in der Westbank-Siedlung Maale Adumim hat. Was seit Jahren schon der Fall war, aber niemandem auffiel, ist, seit Johansson im Januar das Werbegesicht der Firma wurde, ein Politikum. Inzwischen ist nämlich die „Boycott, Divestment and Sanctions“-Kampagne ins Rollen gekommen, die zu einem Boykott israelischer Produkte und Sanktionen gegen Israel aufruft. Einer der vehementesten Unterstützer dieser Boykott­aufrufe ist Oxfam, das 1942 gegründet wurde, um den unter der deutschen Blockade leidenden griechischen Kindern zu helfen.

Eine Oxfam-Botschafterin, die für ein in den Siedlungen hergestelltes Produkt wirbt? Unmöglich. So wies Oxfam die Schauspielerin an, ihr Engagement für Sodastream „noch einmal zu überdenken“. Hat Johansson auch. Aber mit für Oxfam unerwartetem Ergebnis: Sodastream wolle „eine Brücke zum Frieden zwischen Israel und Palästina bauen“, teilte sie in einer knappen Presseerklärung mit. Sie setze sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, ebenso sei sie sich – nicht zuletzt wegen ihrer Arbeit für Oxfam – bewusst, was Kooperation bewirke. „In der Fabrik arbeiten Menschen Seite an Seite, die den gleichen Lohn erhalten und gleiche Rechte genießen.“ Im Übrigen glaube sie an einen bewussten Konsum und an Transparenz; „ich vertraue darauf, dass der Verbraucher die für ihn richtige Entscheidung treffen wird.“ So ziehe sie es vor, auf ihre Tätigkeit als Oxfam-Botschafterin zu verzichten.

Nun könnte man denken, Johansson seien schnöde Werbemillionen wichtiger als ein politisches Gewissen. Oder: Ein naives Hollywood-Blondchen habe sich in den Fallstricken des Nahostkonflikts verfangen und reagiere nun pampig.

Sie habe sich nie besonders für Geld interessiert, sagt Johansson. Was sich natürlich leicht sagen lässt, wenn man sehr jung und schon sehr reich ist. Politisch naiv aber ist die Tochter eines dänischen Vaters und einer amerikanischen Mutter sicherlich nicht. Sowohl die Großmutter als auch ihre Mutter haben sich ehrenamtlich in zahlreichen lokalen Ausschüssen und Stadträten in New York engagiert. Wählen zu gehen, Klein-Scarlett samt ihrer fünf Geschwister ins Wahllokal mitzunehmen und mit dem Nachwuchs über Politik zu diskutieren, gehörte zum Alltag in der Familie Johansson. „Wir haben verstanden, dass Politik wichtig ist, und wir Verantwortung tragen.“

Johansson ist politisch links ohne lehrreiche Ansprüche


Wie ihre Eltern und ihre Großmutter, ist auch Scarlett Johansson das, was man in den USA einen „Liberal“ und in Deutschland eine „Linke“ nennt. Sie hat „mit Leidenschaft“ Wahlkampf gemacht für die Demokraten – erst für John Kerry, später auch für Barack Obama. Durch ihre Berühmtheit habe sie das Glück, die Aufmerksamkeit auf etwas zu lenken, „was ich wichtig finde. Aber ich habe den Leuten nie gesagt, was sie wählen sollen.“

Scarlett Johansson ist ein seltenes Exemplar einer politisch Linken – eine ohne pädagogischen Anspruch. Eine, die glaubt, „dass eine Kampagne nicht geeignet ist, um politische Veränderungen zu bewirken“. Eine, die Aufmerksamkeit auf komplexe Themen lenkt – um deren Bewertung dann jedem selbst zu überlassen. Eine, die sich nicht unter Druck setzen lässt – auch nicht von Oxfam.

 

 

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