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Unternehmer - Die Sozialarbeiter der Marktwirtschaft

Unternehmer werden häufig als skrupellose Verursacher von Armut und Arbeitslosigkeit dargestellt. Zu Unrecht: Ihr Handeln ist gemeinnütziger und wohlstandsfördernder, als viele denken. Ein Plädoyer

Autoreninfo

Dagmar Schulze Heuling ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin

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Unternehmerinnen und Unternehmer sehen sich häufig mit einer moralischen Hypothek konfrontiert. Oft werden sie als regelrechte Ausbeuter dargestellt, die auf dem Rücken ihrer Angestellten und Kunden nach einem persönlichen Vorteil streben. Da ist es nur folgerichtig, wenn freie Märkte insgesamt als moralisch eher zweifelhafte Einrichtungen erscheinen.

Einer der Gründe dafür scheint die Wahrnehmung zu sein, derzufolge hier vermeintlich Schwache, aber moralisch Gute auf angeblich Starke treffen, mit deren Moral es nicht unbedingt zum Besten steht. Die Schwachen, das sind die Konsumenten, die Starken, klar, die Unternehmer. Weil aber die freie Marktwirtschaft allen anderen bekannten Wirtschaftsformen haushoch überlegen ist und der von ihr erzeugte Wohlstand auch den Schwachen und Schwächsten zugute kommt, ist ein Verzicht auf freien Austausch keine Option. Dieses empfundene Dilemma veranlasst viele Menschen, nach einer Einhegung des Marktes zu rufen, welche die schlimmsten Auswüchse des konstruierten Machtgefälles möglichst verhindern, zumindest aber korrigieren soll.

Über die Frage, welches denn nun das rechte Maß an Regeln für den Markt ist, wird viel diskutiert. Bisweilen kann man fast den Eindruck gewinnen, als wäre dies die Grundfrage jeder wirtschaftspolitischen Diskussion. Doch es gibt auch Stimmen, die die grundsätzliche Diagnose von Unternehmern und Märkten als moralischen Problemfällen bezweifeln.

Kunden sind nicht schwach, sondern stark


Die dabei angeführten Argumente sind durchaus unterschiedlich. Ein Einwand etwa bezweifelt, dass das kolportierte Machtgefälle zwischen Unternehmen und Kunden überhaupt besteht. Wenn von einem Machtgefälle auf einem freien Markt die Rede sein kann, dann in umgekehrter Richtung. Denn nicht die Kundinnen sind den Unternehmen unterlegen, sondern die Unternehmen sind von ihren Kundinnen vollkommen abhängig. Wenn niemand mehr ihre Produkte oder Dienstleistungen kaufen will, dauert es nicht mehr lange bis zur Pleite. Nur Unternehmen, die die Bedürfnisse ihrer Kundschaft befriedigen, können am Markt bestehen.

Die Unternehmen, deren Leistungen nicht oder nicht mehr gewünscht oder gut genug sind, müssen der besseren Konkurrenz weichen. Die Entscheidung darüber fällen die Kundinnen. Nur im Fall von Monopolen und Markteintrittshindernissen wird dieser Mechanismus, der den Kunden das bestmögliche Ergebnis garantiert, beeinträchtigt. Allerdings sind die meisten dieser Hindernisse politischer Natur und gerade kein Beispiel für Marktversagen.

Vielfältiges soziales Engagement


Aber auch die moralischen Zuschreibungen im eingangs geschilderten Bild von Unternehmern und Märkten werden bestritten. Das ist sehr verständlich, insbesondere wenn es Unternehmerinnn und Unternehmer selbst sind, die pauschalen Angriffen auf ihre persönliche Integrität etwas entgegensetzen wollen. In solchen Situationen ist es naheliegend, auf die unzähligen Beispiele kulturellen oder sozialen Engagements kleiner wie großer Unternehmen zu verweisen. Dieses Engagement ist so vielfältig und so prägend für die Gesellschaft und das Selbstverständnis vieler Unternehmerinnen und Unternehmer, dass bisweilen der Eindruck entsteht, als wäre dies der eigentliche Zweck unternehmerischen Handelns. Da ist es nur folgerichtig, wenn das Engagement unter dem Etikett „der unternehmerischen Verantwortung gerecht werden“ firmiert.

Doch ist dieses Engagement, so hilfreich und lobenswert es auch sein mag, wirklich der Kern der unternehmerischen Verantwortung? Wäre dies der Fall, dann bestünde die Daseinsberechtigung des Unternehmens darin, gute Taten zu finanzieren, die definitionsgemäß jenseits des Geschäftsfeldes liegen. Mit anderen Worten: Wenn die unternehmerische Verantwortung in der Wahrnehmung gesellschaftlicher, sozialer oder kultureller Aufgaben läge, dann könnte sie nicht zugleich im wirtschaftlichen Handeln eines Unternehmens bestehen. Implizit wird mit dieser Argumentation, die sich doch gegen die moralische Herabsetzung von Unternehmerinnen und Unternehmern richten wollte, letztendlich nur die Bewertung des unternehmerischen Handelns als zumindest nicht moralisch positiv bestätigt.

Beispiele engagierter Unternehmer als Argument gegen eine vermeintlich unmoralische Wirtschaftsform anzuführen ist deshalb unglücklich, weil unternehmerische Verantwortung eben nicht darin besteht, einen Trikotsatz für die Jugendmannschaft zu sponsern oder ein Schulgebäude in Afrika zu errichten. Das bedeutet nicht, dass entsprechendes Engagement nicht wünschenswert und segensreich ist. Doch es entspringt einer empfundenen persönlichen Verantwortung von Menschen, nicht aus einer formalen Kategorisierung ihrer wirtschaftlichen Rolle. Die spezifisch unternehmerische Verantwortung besteht vielmehr darin, das eigene Geschäft erfolgreich zu betreiben.

Denn wirtschaftlicher Erfolg in einem freien Markt stellt sich nur dann ein, wenn man genügend Menschen dient, ihnen ausreichend Nutzen verschafft. Oder andersherum: Je besser ein Unternehmen seiner Kundschaft dient, desto erfolgreicher wird es im Allgemeinen sein.

Dieser Dienst an der Kundschaft wird üblicherweise nicht als ein moralisches Unterfangen betrachtet. Denn das primäre Motiv für unternehmerisches Handeln dürfte in den meisten Fällen der Wunsch nach Erfolg sein, nicht der Wunsch, anderen Menschen etwas Gutes zu tun. Und doch ist es gerade dieser Eigennutz, der ein insgesamt positives Ergebnis hervorbringt, während für viele vermeintliche Wohltaten gilt, dass gut meist das Gegenteil von gut gemeint ist.

Unternehmerische Auswirkungen sind gemeinnützig


Der Grund für dieses scheinbar paradoxe Ergebnis ist die Unmöglichkeit vollständiger Information. Schon Individuen sind nur begrenzt in der Lage, ihre eigenen Bedürfnisse zu antizipieren. Noch viel weniger zutreffend kann man die Bedürfnisse anderer Menschen erfassen. Solche notwendigerweise fehlerhaften und unvollständigen Informationen zur Grundlage von Produktion und Dienstleistung zu machen, führt zu den bekannten Unzulänglichkeiten einer Planwirtschaft. Daher gibt es außer der Marktwirtschaft keine taugliche Wirtschaftsform für große Gruppen von Menschen, die zudem in einem Mindestmaß von Wohlstand leben wollen.

Doch Marktwirtschaft kann man nicht dekretieren. Um zu funktionieren, benötigt sie unternehmerisches Engagement. Das zu leisten, unternehmerisch tätig zu sein und unternehmerisches Risiko zu tragen, darin besteht die Wahrnehmung der ureigenen unternehmerischen Verantwortung. Deren unmittelbare Auswirkungen sind gemeinnütziger, als man zumeist annimmt. Beispielsweise ist es nicht weniger sozial, eine anonyme Masse von Menschen mit bezahlbarem Brot zu versorgen, als sich an Hilfsprojekten zu beteiligen.

Dass aber auch hinter unserem täglichen Brot ein Unternehmer steht, dessen Engagement und Verantwortungsübernahme wir dieses Produkt verdanken, betrachten wir als selbstverständlich. Das tun übrigens auch viele Unternehmerinnen und Unternehmer. Und verlieren so vielleicht manchmal selbst aus dem Blick, worin der Kern der unternehmerischen Verantwortung besteht: in erfolgreichem Wirtschaften.

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