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Andreas Müller

i3 von BMW - Das Elektroauto aus dem Benziner-Rennstall

In wenigen Wochen startet BMW den Verkauf seines ersten Elektroautos: des i3. Entwickelt hat ihn der Ingenieur Ulrich Kranz, der sich gegen viele Traditionalisten im Haus behaupten muss

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Lutz Meier ist Wirtschaftsreporter. Als er den i3 voll austestete, freute er sich, wenn in der Kurve die Reifen quietschten

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Noch gibt es diese jungen Männer. Noch laufen Kerle ­herum, wie Friedrich Nitschke und Ulrich Kranz in ihrer ­Jugend welche waren. Zwei dieser Jungs sind extra aus Amerika gekommen, um die schnellen Autos zu bewundern in der BMW-Welt, jener großen Ausstellungshalle des Autokonzerns in München, die aussieht, als sei sie ein metallisch glitzernder Tempel jener Mobilität, wie wir sie noch kennen. Oder ihr Mausoleum.

Der i3 ist so pumperlgsund wie ein Müsli


Die beiden Fans aus Amerika in Shorts und Shirts sehen sich um. Hier stehen die Modelle, auf deren Heck ein großes M prangt. M wie Motorsport, das ist die Welt von Friedrich Nitschke. Er schaut gern mal hier vorbei, um Kontakt zur Kundschaft aufzunehmen und über Motoren zu fachsimpeln. Einen Spaziergang weiter im Innern der BMW-Welt hat Ulrich Kranz seinen i3-Ausstellungsraum. Sein Buchstabe ist ein kleines i. Wofür es steht, ist nicht ganz so klar wie beim M. Für etwas Wegweisendes, Kreatives, Blitzsauberes, i wie innovativ, i wie iPhone. Kranz wollte ein Auto bauen, das so begehrenswert ist wie ein Appleprodukt und so pumperlgsund wie ein Müsli aus dem Bioladen.

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In seinem Ausstellungraum sitzt Kranz zwischen Büchern über nachhaltiges Gärtnern und Bildbänden über die Null-Emissions-Stadt von morgen. Kranz will und kann auf Fans nicht hoffen, wie sie Nitschke drüben erwarten. Aber der Elektroautopionier von BMW kann warten. Er ist sich sicher, dass die Zukunft ihm und seiner Sparte gehört.

Das M und das i. Es sind zwei grundverschiedene Welten. Bei BMW leben sie nun nebeneinander. Im September zeigte der Konzern sein neues Elektroauto i3 zur offiziellen Premiere auf der Automobilmesse IAA in Frankfurt. Ab November wird es richtig ernst, dann muss Ulrich Kranz sein Zukunftsauto an den Mann bringen. Gleichzeitig muss Friedrich Nitschke seinem Publikum beweisen, dass bei allen Öko-Kapriolen BMW weiter reinrassige Autos für PS-Begeisterte liefern kann. Solch eine Doppelstrategie hat noch kein Autokonzern gewagt, aber die BMW-Chefs haben keine Alternative gesehen: Das i brauchen sie, um strengere CO2-Vorschriften einhalten zu können und neue Kunden zu gewinnen: Menschen, die in Bioläden einkaufen und Wert auf Nachhaltigkeit legen. Das M soll in der Zwischenzeit in der alten Autowelt weiter Geld verdienen.

Das Letzte aus dem Motor kitzeln


In der Ausstellungshalle ist diese alte Autowelt noch intakt, halbwegs jedenfalls. Friedrich Nitschke kommt die Treppe herunter. Die beiden jungen Männer aus Amerika stecken mit den Oberkörpern unter der meterlangen Motorhaube des M6 Coupé. „Das heißeste Auto, das wir derzeit haben“, so nennt es Friedrich Nitschke. Die beiden Fans bestaunen die acht Zylindertöpfe wie eine Skulptur. Dann tauchen die Jungs auf aus dem Motorraum und erblicken Nitschke. Sie erfahren, dass dieser Mann der Chef der M-Sparte von BMW ist. Hastig streifen sie Rennfahrer­trikots mit dem großen M über. Handys werden gezückt, Nitschke stellt sich zwischen sie, er legt den Jungs die Arme auf die Schultern, öffnet den Mund zu einem väterlichen Lächeln, Klick, der unwiderbringliche Moment ist für die Ewigkeit festgehalten. „Solche Fans haben wir hier immer wieder“, sagt Nitschke. Sie sind seine Lebensversicherung.

Nitschke steht seit zwei Jahren an der Spitze der M-Sparte. Die Konzerntochter für hochgezüchtete Motoren und sportliche Fahrzeuge bedient jene Autofahrer, denen ein normaler Sechs- oder Achtzylinder von BMW noch zu müde ist. Ein Traumjob für Nitschke: „Ich betrachte es als Privileg und Ehre, für M arbeiten zu dürfen.“ Er ist ein Typ mit den lässigen Bewegungen eines in die Jahre gekommenen Altrockers. Seine Männer machen all das, was Ingenieure anderswo in der Autowelt kaum mehr dürfen: Das Letzte an Power aus dem Motor kitzeln, das Fahrwerk auf Kurvengeschwindigkeit trimmen, koste es, was es wolle.

Anderswo geht es nur noch darum, jedes Bauteil auf Gewichts- und Kostenersparnis abzuklopfen, im hintersten Winkel des Motorraums noch Potenzial aufzuspüren, um den CO2-Wert um ein halbes Gramm pro Kilometer zu senken. Kompromisse, Kompromisse, Kompromisse.

Hinter dem großen M dagegen verbirgt sich ein Rückzugsort der Kompromisslosigkeit. Zwar stehen auch neben den M-Fahrzeugen in der BMW-Welt Schilder, die CO2-Ausstoß und Energieeffizienzklasse anzeigen: ein dunkelroter Balken bezeichnet die schlechteste aller Klassen, 325 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer. In den Augen der potenziellen M-Käufer ist das aber eher ein Beleg dafür, dass wenigstens hier die Autowelt noch in Ordnung ist. „Jeder M muss durch die Hölle“, sagt Nitschke, „die Nordschleife am Nürburgring.“ Wenn die Fahrzeuge da zu langsam sind, gehen sie nicht in Serie. Nitschke pest selbst regelmäßig über den Ring, Wochenenden verbringt er bei Tourenwagenrennen, und wenn er eine Rennstrecke beschreibt, hat er ein Lächeln im Gesicht.

Ein Großkonzern wie BMW funktioniert ähnlich wie eine Volkspartei, die eine Strömung kann nicht ohne die andere: Es ist Friedrich Nitschkes Job, das viele Geld für Ulrich Kranz’ Zukunftsvision zu verdienen; das kleine i braucht noch das Geld vom großen M. So ungefähr jedenfalls beschreibt Nitschke die Arbeitsteilung. Die M-Sparte gibt es seit 40 Jahren. Jetzt ist das kleine i von Ulrich Kranz dazugekommen. Sie wurden nebeneinander gestellt, zwei technische Prinzipien, zwei Ideen der Fortbewegung, zwei Welten. Das breitschultrige M und das pfiffige i. Nitschke und Kranz.

Kranz erklärt in seiner i-Lounge, warum auch seine Aufgabe ein Traumjob ist. Er hat Hände, die wie manikürt wirken, er zeichnet mit ihnen fein abgezirkelte Linien in die Luft, wie ein Dirigent. Er schlägt einen weiten Bogen und sagt, dass nicht nur das Auto von Grund auf ökologisch wird, sondern gleich auch noch die Autoindustrie und die mobile Welt insgesamt. Ganzheitlich, sagt Ulrich Kranz. Windturbinen liefern, zumindest wenn der Wind weht, die Energie für die Fabrik des neuen BMW i3 in Leipzig. Sie sollen signalisieren, dass das ganze Auto möglichst nur mit Öko-Energie zusammengeschraubt, -gepresst und vernietet wird. Kranz erklärt weiter: das Recyclingkonzept, die Aufbereitung der Batterien. Null Emissionen das gesamte Autoleben lang, das sei vielleicht ein schöner Traum, sagt er, aber man wolle dem möglichst nahekommen. Beim i3 sind selbst die Sitze mit olivenblattgegerbtem Leder bezogen. Oder – wahlweise – mit Wolle von Öko-Schafen aus Schottland. Das Armaturenbrett ist mit unbehandeltem Holz belegt, die Türverkleidung aus Bastgeflecht.

Die Revolution noch den Kunden schmackhaft machen


Der i3 wird das erste elektrische Serienfahrzeug aus deutscher Produktion sein, eine riskante Wette des Herstellers auf die Zukunft. Allein die Entwicklung hat schon Milliarden gekostet, wenn man die Investitionen in das im Automobilbau neuartige Karbonfaser-Material mit einrechnet, aus dem der i3 zu großen Teilen besteht. Es ist ein Auto, das mindestens 35.000 Euro kostet und mit einer Batterieladung gut 150 Kilometer weit kommt, ein Auto für Überzeugungstäter.

Im Konzern wächst die Anspannung. Der Preis für das Elektroauto wurde gegenüber den ursprünglichen Andeutungen nach unten korrigiert, gleichzeitig schalteten die Münchner ihre PR-Maschine in den höchsten Gang.

In der Branche kühlen sich die Hoffnungen in die Elektromobilität ab. Pioniere wie Tesla und Fisker wanken, etablierte Hersteller wie General Motors oder Nissan, die schon viel früher mutig Stromgefährte auf den Markt brachten, mussten ihre Pläne zusammenstreichen. Die Kundschaft zögert, weil sie den Batterien ebenso wenig traut wie der unkoordinierten Förderpolitik der Regierungen. Die begrenzte Reichweite der Stromfahrzeuge scheint endgültig die alte Illusion der grenzenlosen Mobilität zu zerstören. „Reichweitenangst“ heißt das Wort, das BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson so ausspricht, als handele es sich um eine ansteckende Krankheit. Er muss die Revolution dennoch den Händlern und den Kunden schmackhaft machen.

Die Botschaft: Öko-Zukunft ohne Verzicht


Widrigkeiten? Ulrich Kranz sagt, er sei überhaupt nicht aufgeregt, und fast möchte man ihm glauben. Er will die ökoangehauchten, vermögenden Großstadt-Akademiker zu BMW-Kunden machen. Eine Gruppe, der Marketingleute schon vor Jahren den Namen „Lohas“ verpasst haben. Das steht für „Lifestyle of Health and Sustainability“ oder frei übersetzt: grün sein, zumindest auf dem Papier. Das Problem ist, dass BMW für die „Lohas“ bisher all das verkörpert, was sie ablehnen. Kranz ficht das nicht an: „Wir wollen mit dem i3 ja gerade neue Kunden ansprechen. Menschen, die vielleicht bisher gar kein Auto fahren und öffentliche Verkehrsmittel benutzen.“ Kranz muss mit dem i3 also nicht nur beweisen, dass die Marke BMW eine Zukunft hat. Das i muss auch noch die Zukunftsfähigkeit des Autos an sich verkörpern.

Kranz ist inzwischen selbst ein Überzeugungstäter, dabei hat er vorher eine Benzinerkarriere durchlaufen. Als junger Ingenieur war er beim Aufbau des ersten US-Werkes des Konzerns dabei, später bei der Entwicklung der geländegängigen X-Fahrzeuge. Bis 2007 verantwortete er schließlich die Produktlinie der erfolgreichen Tochtermarke Mini. Heute spricht Kranz so ergriffen von Handling und Dynamik des Elektrofahrzeugs, als hätte er nie einen Tropfen Benzin verbrannt. Er ist sicher, dass auch ein Elektrofahrzeug auf Touren kommt. Wenn der Konzern Journalisten im i3 über seine Teststrecke schickt, triezt Kranz die Fahrnovizen, auf die Tube zu drücken, bis die Reifen rauchen. Das ist nicht unbedingt nachhaltig, aber die Botschaft an die Lohas dieser Welt lautet: Hier gibt es Öko-Zukunft ohne Verzicht.

Die Geburtsstunde des „Project i“ liegt jetzt sechs Jahre zurück. Damals ruft BMW-Chef Norbert Reithofer seine Vorstandskollegen zusammen, um darüber nachzudenken, ob es in 20 oder 30 Jahren noch eine Automobilindustrie in der heutigen Form geben wird. Oder noch konkreter: Wie lange lässt sich noch mit Großlimousinen, Geländetrumms und Reihensechszylindern Geld verdienen? Reithofer ist alarmiert, von allen Seiten scheint das Geschäftsmodell der alten Autowelt bedroht zu sein: Die Klimaerwärmung lässt Politiker immer strengere CO2-Grenzen beschließen; rasant wachsende Riesenmetropolen suchen nach neuen Mobilitätskonzepten im verzweifelten Kampf gegen den Verkehrsinfarkt; die Autobegeisterung der Jungen in den großen Industrienationen lässt nach; Führerschein und das erste eigene Auto sind längst nicht mehr das Ziel aller Träume.

Die Antworten auf die drängenden Fragen soll Ulrich Kranz finden. Für den heute 55-Jährigen ist das die bisherige Krönung seiner Karriere. Er bekommt ein Büro, eine Sekretärin, ein Budget und die Aufgabe, einen Ausweg zu finden. Er muss nicht unbedingt ein neues Auto entwickeln, sondern eine tragfähige Überlebensidee für den Konzern. Mit sieben Leuten fängt er an, sie löchern Stadtplaner, treffen sich mit Soziologen, fragen Bürgermeister aus, Architekten, Umweltaktivisten in China, Nord- und Südamerika, in Japan und Europa. Sie leben tagelang mit Familien in Schanghai, Mexico City, Tokio und Los Angeles und begleiteten sie auf ihren Wegen zur Arbeit, zur Schule und ins Kino. Dass am Ende doch wieder ein Auto dabei herausgekommen ist, mag man konventionell finden. Wenn man den i3 aber sieht und fährt, ist das neue Modell eine Revolution. Zumindest für die Bayerischen Motorenwerke, gegründet 1916, sie tragen das Röhren und Knattern von Verbrennungsmaschinen ja quasi im Namen.

„Project i“ brachte den ganzen Konzern zum Umdenken


Das neue Auto ist nicht mehr das blechgewordene Versprechen auf Beschleunigung, das die früheren BMWs waren. Es erinnert ein wenig an eine Bergbahngondel, die sich selbstständig gemacht hat. Das Forschungsprojekt hat auch Kranz’ eigene Haltung zum Auto verändert. Für rasante Beschleunigung kann er sich nach wie vor begeistern, aber nun träumt er davon, den Bewegungsdrang des Menschen in Einklang mit der Natur zu bringen.

Das „Project i“ hat im ganzen Konzern für ein Umdenken gesorgt. Zwar waren anfangs nicht alle begeistert von der Elektro­offensive, gepaart mit der Erforschung der Lebensgewohnheiten moderner Großstädter. Zwar referierte Einkaufschef Klaus Draeger im Vorstand unermüdlich über die unübertroffene Energiedichte von Benzin, die eine Batterie niemals erreichen würde. Zwar witzelten die Motorenbauer alter Schule über elektrische Trambahnen und Golfplatzkarren, wenn Kranz in einer abgeschirmten Fabrikhalle die Chefs zu Probefahrten mit ersten Prototypen einlud. Aber Kranz wusste den wichtigsten Mann auf seiner Seite: Norbert Reithofer. Der Vorstandschef überzeugte am Ende all die Zweifler mit einem Argument, das auch die immensen Investitionen für das „Project i“ rechtfertigte: Ohne E-Auto werde es für den Konzern unmöglich, die Grenzwerte der EU einzuhalten. Ab 2020 soll die gesamte Industrie eine Grenze von 95 Gramm CO2 im Durchschnitt pro Fahrzeug nicht überschreiten dürfen. Jeder Hersteller muss die Durchschnittswerte seiner Fahrzeugflotte radikal absenken. Ohne i kein M. Und auch keine großmotorigen Limousinen mehr, oder SUVs.

Längst haben die drohenden Emissionsgrenzen die gesamte Branche auf Trab gebracht und auch zur elektrischen Bewegung hingeführt, doch abgesehen von Renault-Nissan hat kein Autokonzern so viel Geld in das E-Wagnis gesteckt wie BMW.

Formel-1-Techniker basteln am Öko-Auto


Nach außen hin gab Reithofer im Sommer vor vier Jahren ein wirkungsvolles Signal für die automobile Schubumkehr: Mit Aplomb kündigte er an, dass der Konzern die Formel 1 verlässt. Das eingesparte Geld – zwischen 150 und 250 Millionen Euro im Jahr – werde nicht mehr in die schnellsten, sondern stattdessen in die ökologischsten Autos der Welt gesteckt. Dabei profitierte Kranz sogar direkt vom Formel-1-Ausstieg, weil er 30 Techniker aus dem Motorsport-Team übernehmen konnte. Sie hatten vorher daran gearbeitet, die enorme Bremsenergie der Rennwagen in Batterien einzuspeisen, damit diese später mit noch mehr Wumms aus der Kurve kamen. Jetzt tüftelten sie am optimalen Energiemanagement des neuen Öko-Autos.

Mit dem Formel-1-Ausstieg zeigte Reithofer, wie ernst es ihm war, mit BMW den Weg vom PS-Saulus zum Öko-Paulus zu gehen. Leute wie Friedrich Nitschke müssen sich fast zwangsläufig der Frage stellen, ob sie die letzte Entwicklergeneration bei BMW vertreten, für die der Sound eines Benzinmotors Musik ist, die in PS denken und Potenz in Zylindern messen.

Nitschke und Kranz kennen sich. Während sie bei BMW aufstiegen, sind sie sich immer wieder begegnet. Nitschke folgte Kranz als Entwicklungschef bei Mini. Der Benziner würde dem Stromer nie absprechen, ein echter Motormann zu sein. Und Kranz achtet sorgsam darauf, Nitschke nicht als Mann der Vergangenheit zu charakterisieren. Auch PR-Strategen von BMW geben sich große Mühe, den Eindruck zu zerstreuen, dass sie Gegenspieler wären, M und i, Nitschke und Kranz. Tatsächlich hat sie ja beide der gleiche Traum zu BMW geführt.

Kinderfotos von Nitschke, Jahrgang 1954, zeigen ihn vor einem riesigen Tisch voller Modellautos. Auch Kranz, Jahrgang 1958, kann schon im Kindergartenalter Automarken an kleinsten Details auseinanderhalten. Später versucht sich der Saarländer daran, Mopeds bis auf die allerletzte Schraube zu zerlegen. „Als Tuning würde ich das noch nicht bezeichnen“, erzählt Kranz. „Aber es ging schon darum, die Mopeds schneller zu machen.“.

Nitschke probiert derweil in Oberfranken mit Freunden, in alte Autos stärkere Motoren zu verpflanzen. Der Traum von beiden heißt: BMW.

Die Marke sei schon damals cool gewesen, erinnert sich Kranz. „In den Sechzigern und Siebzigern war BMW beim Motorsport immer auf der Überholspur.“

Auch der junge Friedrich Nitschke treibt sich an Rennstrecken herum. „Mit dem M1 war BMW da meist vorne dran“, erzählt er. „Bei den Menschen, die BMW gefahren sind, habe ich einen Spirit gespürt, zu dem ich mich immer hingezogen gefühlt habe.“

Die Erotik des Verbrennungsmotors


Nitschke spart sich vom ersten selbst verdienten Geld einen BMW 1602 zusammen. Bei Kranz reicht es nur zu einem Renault 4, aber er beginnt eine Mechanikerlehre bei einem Autohaus, das aus Straßen-BMWs Rennwagen baut. Die darf er ausgiebig testfahren. „Zu der Zeit war das nicht so schwierig, da waren die Straßen noch frei“, berichtet der Schöpfer des i3.

Heute ist Ulrich Kranz ein bedächtiger Typ, auf den ersten Blick ein typischer Vertreter der eigenen Zielgruppe, der Lohas. Dennoch sagt er: „Natürlich habe ich Benzin im Blut.“ Aber die Welt und die Technik hätten Fortschritte gemacht.

Ob Friedrich Nitschke Benzin im Blut hat, muss man ihn gar nicht fragen. Nitschke ist ein Mann, dem man die Freude am Fahren von Weitem ansieht und der gern über die Erotik des Verbrennungsmotors philosophiert. „Das kommt daher, dass wir von Kindesbeinen an mit der Faszination aufgewachsen sind, mit dem Sound, dem Gefühl beim Gasgeben, der Form von sechs Zylindertöpfen.“

Bei der heutigen Jugend findet er das nicht mehr überall. Die Welt ändert sich, das gibt auch der M-Chef Friedrich Nitschke zu.

Und Ulrich Kranz hebt die Bedeutung der starken Benzinmotoren hervor. Nicht i gegen M, sondern i und M als Traumpaar. Seit sich die Zweifel wieder mehren, ob und wie schnell die Elektroepoche wirklich anbricht, haben sich Kranz und die Leute bei BMW eine neue Argumentation zurechtgelegt. Die Elektropioniere müssten das klassische Automobil nicht ablösen, sie könnten es auch verbessern. So sucht der Konzern natürlich seine Investitionen in E-Antrieb und Leichtbautechnik mit Karbonfaser auch für den Fall zu rechtfertigen, dass der i3 kein Verkaufsschlager wird.

„i und M werden konvergieren“


Vielleicht bleibe das rein batteriebetriebene Fahrzeug auf lange Sicht noch für bestimmte Verwendungszwecke reserviert, aber die Technik brauche man in jedem Fall, sagt Kranz. „Auch bei Hochleistungsautomobilen wird der Anteil von unterstützenden E-Maschinen größer werden. So gesehen werden beide Seiten i und M konvergieren.“

Gleichzeitig macht sich Friedrich Nitschke keine Illusionen über die Zukunft seiner hochmotorisierten Benziner. Einen M mit klassischen Motoren werde man mit den künftigen CO2-Gesetzen nicht mehr bauen können, sagt er. Aber noch verdiene BMW mit seinen Autos halt gutes Geld. Und auf der Rennstrecke könne der i3 nicht mit einem seiner Fahrzeuge mithalten, auch wenn Nitschke das Kurventempo des Elektromodells beeindruckt hat.

Vielleicht wird die i-Revolution zu einer Evolution, vielleicht setzt sich die Technik des Ulrich Kranz eher leise, allmählich und nach einigen Rückschlägen durch. Aber am Ende werden die letzten Ms von Friedrich Nitschke nur noch in den Garagen der Liebhaber stehen.

Der Ingenieur der starken, schnellen Benziner hält sich noch bei seinen Autos in der Halle auf, das Geplänkel mit den beiden Fans aus Amerika hat etwas gedauert. Er schaut auf die Uhr. Schon Viertel nach sechs. Um halb hat er den nächsten Termin in seinem Büro im Vorort Garching, das ist normalerweise kaum mehr zu machen. Aber Nitschke grinst, er hat ja sein M6 Cabriolet dabei. 560 PS.

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