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(picture alliance) Für die absolute Mehrheit in Bayern hat er sogar die Kanzlerin lieb — Horst Seehofer

Seehofers CSU - Ein Hauch von Panik

Die absolute Mehrheit ist das Ziel. Dafür kuschelte Horst Seehofer in der vergangenen Woche sogar mit der Kanzlerin. Hinter der Wandlungsfähigkeit Seehofers steckt aber ein größeres Problem: Die CSU ist auf der Suche nach sich selbst. Nicht erst der Anruf beim ZDF offenbarte, wie nervös die Partei in Wahrheit ist

 

Es ist erst eine Woche her, da zelebrierte die CSU auf ihrem Parteitag in München ihr scheinbar unerschütterbares Selbstbewusstsein. Kein Zweifel sollte in der Öffentlichkeit daran aufkommen, dass die Macht in Bayern auch weiterhin in den Händen der Christsozialen liegen werde. Vergessen die innerparteilichen Intrigen, vergessen die europapolitischen Stänkereien, vergessen die Sprunghaftigkeit des Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Vergessen auch die Wahlniederlage vor vier Jahren, die die bayerische Staatspartei erstmals nach fünf Jahrzehnten Alleinherrschaft zwang, mit der FDP eine Koalitionsregierung zu bilden.

„Mir san mir“, so heißt es bei der CSU und pünktlich zum Parteitag vermeldeten die Demoskopen für die CSU gute Umfragewerte. Elf Monate vor der Landtagswahl steht die CSU wieder bei 48 Prozent und kann sich demnach Hoffnung machen, die absolute Mehrheit im bayerischen Landtag zurückerobern zu können.

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Doch nach einer Woche hektischer Diskussionen über das Verhältnis der CSU zu den Medien, nach dem Rücktritt des Parteisprechers Hans Michael Strepp und einem eher suboptimalen Krisenmanagement, sieht die christsoziale Welt schon wieder ganz anders aus. In der CSU brodelt es, die Basis ist verunsichert.

Im Grunde war der Anruf des Parteisprechers beim ZDF eine Lappalie, der Versuch einen Bericht über den SPD-Landsparteitag zu verhindern, völlig überflüssig. Aber die sogenannte ZDF-Affäre und vor allem der Umgang der CSU mit ihr zeigen, die Partei ist nervös. Und es ist kaum zu glauben, dass der Parteisprecher sich ganz alleine und aus eigenem Antrieb dazu verleiten ließ.

Die Parteistrategen wissen, Horst Seehofer kann sich überhaupt nicht darauf verlassen, dass es mit dem angepeilten Wahlsieg und der Rückeroberung der absoluten Mehrheit im September 2013 klappt. Die Zustimmung der Wähler zur CSU ist fragil, die Stimmung kann schnell kippen. Die kommenden elf Monate sind voller Unwägbarkeiten. Zumal die SPD mit dem Münchener Oberbürgermeister Christian Ude zum ersten Mal seit Langem wieder einen ernst zu nehmenden Herausforderer nominiert hat. Die heile bayrische Welt der CSU zeigt längst tiefe Risse.

Bereits auf dem Parteitag in Nürnberg musste sich die CSU eingestehen, dass es keine eigene Stärke ist, die die CSU in den Meinungsumfragen stabilisiert hat. Nicht das Poltern des CSU-Generalsekretärs gegen den Euro hat den bayerischen Wählern gefallen, sondern das Krisenmanagement der Bundeskanzlerin. Nicht wegen der Dauerstichelei gegen den Koalitionspartner FDP hat sich die CSU erholt, sondern trotz. Nicht Horst Seehofer ist im Wahlkampf der kommenden Monate der wichtigste Trumpf der CSU, sondern Angela Merkel.

Der CSU-Vorsitzende höchstpersönlich musste einräumen, dass es für die CSU gefährlich werden könne, weiterhin gegen die Kanzlerin und ihre Euro-Krisen-Politik zu opponieren. Eben noch wollte die CSU die Griechen möglichst noch in diesem Herbst aus dem Euro schmeißen, jetzt wollen sie dem Land wie Merkel zwei Jahre mehr Zeit geben. Einen so tiefen Diener vor der Schwesterpartei hat schon lange kein CSU-Parteitag mehr gemacht. Für das Selbstbewusstsein der CSU ist so etwas gar nicht gut.

Zu allem Überfluss machte sich Horst Seehofer in diesen Tagen öffentlich Gedanken über seinen Nachfolger, nannte vier Namen sowie einen „Joker“. Seehofer hat Spaß daran, seine Mitstreiter wie Marionetten durch die politische Arena zu führen und so seine uneingeschränkte Macht innerhalb der CSU zu zelebrieren. Doch gleichzeitig bereitete er so das Feld für neue innerparteiliche Intrigen und verunsicherte gleich zu Beginn des Wahlkampfes die Parteibasis.

Seite 2: Die CSU, eine Partei voller Widersprüche

Wofür die CSU politisch noch steht, ist indes nicht so leicht zu erkennen. Zahllos sind mittlerweile ihre politischen Volten nicht nur in der Europapolitik. Genauso vehement und kompromisslos, wie die CSU bis zum Atomunfall in Fukushima für die Atomkraft gekämpft hat, treibt sie nun die Energiewende voran. Eben noch waren die Studiengebühren der Kern konservativ-bürgerlicher Hochschulpolitik, jetzt werden sie möglicherweise noch vor der Landtagswahl abgeschafft. So schnell vollzieht Horst Seehofer seine politischen Wenden, dass dem Wähler ganz schön schwindelig werden kann. Warum die CSU hingegen ausgerechnet auf der Einführung des Betreuungsgeldes und damit auf einem traditionellen Rollenbild in der Familie besteht, erschließt sich kaum jemandem. Zumal die Partei offensichtlich ein Frauenproblem hat. In der Partei und bei den Wählern sind sie unterrepräsentiert.

Natürlich steckte die CSU schon immer voller Widersprüche, über Jahrzehnte integrierte sie erfolgreich konservative und sozialdemokratische, liberale und reaktionäre Politikansätze. Der Kitt war Bayern. Wie eine Ersatzreligion inszenierte die CSU die bayerische Lebensart. Doch längst ist das Land vielfältiger geworden, preußischer und europäischer, bunter und weltoffener. Dirndl und Lederhose sind kein politisches Bekenntnis mehr, sondern nur noch Folklore. Auch schrille politische Töne, die an den Kalten Krieg erinnern, kommen nicht mehr an. Der CSU-Generalsekretär Dobrint wirkt wie ein politischer Keifer, der als Wiedergänger der 80er Jahre nicht mehr in die Zeit passt. Das Land Bayern und seine Wähler sind längst moderner als die CSU.

Was fehlt ist neuer Kitt. Weder wissen die Christsozialen, wie sie modernen Konservatismus buchstabieren sollen, noch können sie glaubhaft den ökologischen Zeitgeist repräsentieren oder eine zeitgemäße Sozialpolitik formulieren. Der Versuch des Alt-Christsozialen Wilfried Scharnagl hingegen, das Land mit seinem Buch „Bayern kann es auch alleine“ in die europäischen Separationsbewegungen à la Schottland oder Katalonien einzureihen, wirkt aufgesetzt.

Auch die Lorbeeren der Vergangenheit helfen der CSU im Wahlkampf der kommenden Monate überhaupt nicht. Dass selbst glänzende Wirtschaftsdaten und Vollbeschäftigung nicht vor Wahlniederlagen schützen, diese bittere Erfahrung mussten die Christdemokraten gerade in Baden-Württemberg machen. Noch wenige Monate vor der Landtagswahl im März 2011 galt eine Wahlniederlage der CDU in dem christdemokratischen Musterländle als undenkbar. Doch dann zeigte sich in Baden-Württemberg in der Auseinandersetzung um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 die andere Seite der Macht: Arroganz, Abgehobenheit und Selbstherrlichkeit. Vor allem das neue städtische und ökologische Bürgertum wandte sich von der CDU ab und stürzte sie in eine tiefe Identitätskrise. Diese Gefahr droht auch der CSU in Bayern.

Erst jetzt beginnt der Landtagswahlkampf in Bayern und erst jetzt beginnen die Wähler darüber nachzudenken, was sie tatsächlich wählen werden. Meinungsumfragen sind da allenfalls Momentaufnahmen. Das weiß die CSU aus eigener bitterer Erfahrung. Elf Monate vor der letzten Landtagswahl 2008 lag die CSU im Herbst 2007 bei 54 Prozent, es folgte ein Wahlkampf voller Pannen und ein beispielloser Absturz auf 43,4 Prozent.

Es ist nicht zu übersehen, wie schmal der Grat ist, auf dem die CSU und ihr Frontmann Horst Seehofer wandeln, zwischen Selbstbewusstsein und Selbstherrlichkeit, zwischen Durchsetzungswillen und Arroganz der Macht, zwischen Sieg und Niederlage. Zumal Horst Seehofer im Wahlkampf für jede Überraschung gut ist. Insofern verrät der Anruf des Parteisprechers Hans Michael Strepp in der heute-Redaktion des ZDF, so peinlich, arrogant und überflüssig er war, vor allem eines: ein Hauch von Panik.

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, der CSU-Parteitag fand in Nürnberg statt. Tatsächlich wurde er jedoch in München abgehalten. Der Fehler wurde korrigiert.

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