- Was macht ein Islamist im Sicherheitsdienst?
Ein polizeibekannter Islamist hat auf der Baustelle des Berliner Großflughafens im Wachdienst gearbeitet. Der Salafist Florian L. galt den Sicherheitsbehörden bereits länger als Extremist – und ist offenbar mit Personen bekannt, für die der Dschihad mehr als nur eine Vokabel ist
Jung, fromm, fanatisch – das ist der erste Eindruck beim Blick auf die salafistischen Milieus. So wirkt auch Florian L., dessen Beschäftigung auf der Baustelle des Flughafens Berlin-Brandenburg reichlich Aufregung verursacht.
L. war illegal, aber vom Arbeitsamt als Praktikant an eine Sicherheitsfirma vermittelt, für den Objektschutz des Containerdorfes außerhalb der gesondert geschützten Baustelle tätig, arbeitet dort aber nicht mehr. Die Sicherheitsmaßnahmen auf der Baustelle wurden nach einer Krisensitzung verschärft. Die Behörden fürchten, er könnte einen Sprengstoffanschlag vorbereitet haben.
Was weiß man über Florian L.?
Der 21-jährige Konvertit aus Berlin nennt sich „Abu Azzam al Almani“. Schon der selbst gewählte, neue Name ist möglicherweise ein Hinweis darauf, wie Florian L. tickt. Einer der Chefideologen der internationalen Dschihadistenszene und Mentor von Osama bin Laden war der Palästinenser Scheich Abdallah Yusuf Azzam. Er starb 1989 in Pakistan bei der Explosion einer Bombe.
Azzam ist für militante sunnitische Islamisten auch heute noch eine legendäre Figur.
Biografisch ist Florian L. sonst kaum auffällig. Er soll verheiratet sein und muss sich seinen Lebensunterhalt offenbar mit Gelegenheitsjobs verdienen. Offen bleibt, ob L. auf der Baustelle des Flughafens nur jobbte, um Geld zu verdienen, oder ob er die Anlage ausspähen wollte – oder beides.
Seit etwa einem Jahr fällt Florian L. als Mitglied der Salafistenszene auf. In der Regel tritt der Konvertit in einem hellen orientalischen Gewand auf, das Salafisten nebst Häkelkappe als Ausdruck ihrer urislamischen Gesinnung tragen.
Wie gefährlich ist er?
Bei Sicherheitsbehörden gilt L. als „Gefährder“, das ist die Kategorie für potenziell militante Extremisten. „Gefährder“ bedeutet noch keinen Terrorverdacht, doch in der salafistischen Szene sind die Grenzen zwischen Propaganda und bewaffnetem Kampf so durchlässig wie in kaum einem anderen extremistischen Spektrum. Und Florian L. ist zumindest mit Personen bekannt, die in Verdacht stehen oder standen, der Dschihad sei für sie mehr als nur eine fromme Vokabel.
Beeinflusst wird Florian L. offenbar von Reda S., einem im Berliner Bezirk Charlottenburg gemeldeten Deutschägypter. Gegen S. geriet nach dem verheerenden Anschlag von 2002 auf Touristen auf der Ferieninsel Bali ins Visier der indonesischen, australischen und amerikanischen Sicherheitsbehörden. Die CIA vermutete, S. habe im Auftrag von Al Qaida bei der Finanzierung des Terrorangriffs mitgewirkt. Die indonesischen Behörden nahmen S. fest, übergaben ihn dann aber dem Bundeskriminalamt. In Deutschland gelang es nicht, S. eine Verbindung zum Terror nachzuweisen. Der Mann mit dem mächtigen Vollbart ist aber weiter eine wichtige Nummer im salafistischen Spektrum – und offenbar auch eine Art Vaterfigur für junge Islamisten wie Florian L.
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Berlin ist eines der Zentren des salafistischen Spektrums
Unter seinem Pseudonym Abu Azzam al Almani hat L. mehrere Beiträge auf einer Homepage verfasst, die Reda S. betreibt. Der großspurig wirkende Titel der Website lautet „Islamisches Nachrichten- und Informationszentrum Al Risalah“. Es handelt sich um eine Plattform für salafistische Propaganda, verbunden mit dem im Juni von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verbotenen Verein „Millatu Ibrahim“. Florian L. hat für Risalah unter anderem über die Ausschreitungen vom Mai in Solingen und Bonn berichtet. Bei den Krawallen der Salafisten, die gegen provokante Auftritte der islamfeindlichen Partei „Pro NRW“ protestierten, wurden mehrere Polizisten verletzt.
Sie beleidigen den Propheten und sperren unsere Löwen ein“ schrieb Florian L. in seinem Text zu der Randale in Solingen. Der Hass richtet sich gleichermaßen gegen die Rechtsradikalen wie die Polizei. Und L. stigmatisiert den Dänen Kurt Westergaard, der die Mohammed-Karikaturen gezeichnet hat, als „Feind Allahs“. Im selben Satz wird auch erwähnt, dass Westergaard von Angela Merkel eine Auszeichnung erhielt.
Solche Texte fachen Emotionen an und können gerade bei jungen Muslimen die Radikalisierung forcieren. Trotz seiner 21 Jahre, so scheint es, fühlt sich Florian L. schon zum Einpeitscher berufen. Ein weiteres Beispiel ist der „Offene Brief“ vom April, den L. im Internet an die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, geschrieben hat. In herablassendem, teilweise aggressivem Ton attackiert L. die Verfassungsschützerin, nachdem sie sich in einer Fernsehsendung über Salafisten geäußert hatte. „Ihr schamloser Vorwurf, dass wir lediglich Vertreter einer politischen Ideologie sind, die den Koran und den Islam missbrauchen um unsere politischen Ziele zu verwirklichen, ist der Gipfel ihrer falschen Behauptungen“, wettert der junge Salafist. Der Verfassungsschutz, an Beleidigungen von Extremisten gewöhnt, hat den Brief registriert – als weiteres Indiz für die Fanatisierung von Florian L. Die aber offenkundig noch nicht so weit gediehen ist, dass es ihn zu einer Reise in den Dschihad drängt. Bislang sei von einem Aufenthalt in der pakistanischen Terrorhochburg Wasiristan nichts bekannt, heißt es in Sicherheitskreisen. Die meisten Kumpane haben inzwischen auch andere Ziele. Mehrere Islamisten aus Berlin sind in diesem Jahr nach Ägypten gereist. Das Land am Nil wird offenbar eine weitere Drehscheibe für Dschihadisten.
Welche Bedrohung geht von der Salafistenszene aus?
Berlin ist eines der Zentren des salafistischen Spektrums. Der Verfassungsschutz schätzt die Szene auf etwa 350 Personen, knapp ein Drittel sei gewaltorientiert. Bundesweit rechnen die Behörden der Szene ungefähr 3800 Personen zu. Nicht alle sind potenzielle Dschihadisten. Aber Verfassungsschützer verweisen darauf, dass die meisten sunnitisch-islamistischen Terroristen sich in salafistischen Milieus radikalisiert haben.
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