- Zwei wie Ernie und Bert
Für die einen sind sie Vollzeitbekloppte, für die anderen die Retter der TV-Unterhaltung. Dabei haben Joko & Klaas ein einfaches Erfolgsrezept: Sie wollen doch nur ihren Spaß
Stell Dir vor, da krabbeln zwei TV-Moderatoren volltrunken auf allen Vieren über einen Sportplatz – und außer der Chefin des Senders zdf neo, der diese Bilder zeigt, regt sich kein Zuschauer darüber auf. Diese beiden sind ja dafür bekannt, dass sie Dinge tun, die sich sonst keiner traut. Kollegen zur „Besoffenen-Olympiade“ einzuladen, zum Beispiel, so etwas hat es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch nicht gegeben. Auf so eine Idee können nur sie kommen: Joko & Klaas.
Das am meisten gehypte Moderatoren-Duo im deutschen Fernsehen. Ein Paar wie Ernie & Bert. Zwei, die nicht miteinander können, aber schon gar nicht ohne einander. Diese beiden spalten die Nation. Die einen feiern sie als Gottschalks Erben, zwei Hoffnungsträger, geeignet, jene Zuschauer ans Fernsehen zu binden, die lieber lustige Pannen-Videos auf Youtube gucken. Für die anderen sind sie schlicht und einfach „Vollzeitbekloppte“.
Diese Kritiker sehen sich jetzt in ihrer Meinung bestätigt. Joko & Klaas sind mit ihrer anarchischen Show umgezogen von zdf neo zu ProSieben. „neoParadise“ heißt jetzt „Circus Halligalli“. Aber im Grunde genommen machen sie dasselbe, was sie schon gemacht haben, als sie sich 2009 beim Musikfernsehen trafen, ohne jeden Plan, ohne großes Budget, aber mit der Gewissheit, dass keiner versuchen würde, ihnen vorzuschreiben, wie sie die Sendezeit totschlagen sollten.
Klaas Heufer-Umlauf, 1983 geboren in Oldenburg, sozialisiert mit dem LiLaLaune-Bär bei RTL, Friseurlehre, Moderator beim Musiksender Viva, sagt, er erinnere sich noch gut an den Tag, als er zum ersten Mal mit Joko vor der Kamera stand. Das war 2009 bei MTV, der Sender lebte noch, aber zuckte nur noch. „Es gab damals ein Machtvakuum. Keiner wusste, wer der Chef war.“
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In diese Lücke stießen sie hinein. „Das leptosome Kind“, wie Klaas Joachim „Joko“ Winterscheidt nennt, 34, abgebrochene Lehre zum Werbekaufmann, Praktikant beim Fernsehen, MTV-Moderator. Und „der kleine, auf den ersten Blick nicht herzliche Unmensch“, wie Joko seinen Kollegen in einem Satz beschreibt. Sie sagen, sie hätten sich als erstes eine Ameisenfarm gekauft, weil sie Gott spielen wollten. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Den Ameisen gelang die Flucht. Aber die Moderatoren blieben ihrem Credo treu: „Macht doch, was Ihr wollt.“
In einer TV-Landschaft, die lieber einmal bewährte Formate recycelte, als etwas Neues auszuprobieren, war ihr pennälerhafter Humor zwar nicht frisch, aber anders, mitunter zwar peinlich bis zur Schmerzgrenze, aber immer ganz schön crazy. Weshalb es kaum auffiel, dass sie 2011 in die warme, weil gebührenfinanzierte Nische von zdf neo wechselten. Als „Comedy mit doppeltem Boden“, so verkauften sie ihre Show. Konzeptlosigkeit als Konzept.
Ob das außer ihren Fans noch jemand sehen wollte, musste sie nicht interessieren. Mehr Sorge bereiteten ihnen ihre Vorgesetzten. Nicht immer deckte sich deren Verständnis von doppelbödiger Comedy mit dem der beiden Moderatoren. Bei der „Besoffenen-Olympiade“ zum Beispiel hörte der Spaß für zdf neo-Chefin Simone Emmilius auf.
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Mitten in der Sendung rief sie Klaas auf seinem Handy an. Es war ein rarer Moment im Fernsehen. Der Zuschauer wurde Zeuge, wie die beiden Anarchos vor laufender Kamera an ihre Grenze stießen. Man hörte ihre wütende Vorgesetzte: „Ist es wahr, dass Ihr Alkohol trinkt?“ Klaas ist der kleinere, aber abgebrühtere von den beiden. Fragt man ihn, wer denn nun von ihnen beiden Ernie und wer Bert sei, sagt er: „Bert ist doch der, der immer schlecht drauf ist. Also bin ich das wohl.“
Er fällt in den Tonfall einer Grundschullehrerin, wenn er erzählt, wie ihn Emmilius ermahnte, das Experiment sofort zu stoppen. Lallend beteuerte Klaas am Handy: „Wir machen gar nichts.“ Seine Chuzpe zahlte sich aus. Die Folge wurde tatsächlich ausgestrahlt. Sie endete mit einem symbolträchtigen Bild: Joko und Klaas, betrunken im Gras. Die beiden hätten es nicht zu den Lieblingen der 14- bis 49-Jähren gebracht, wenn es ihnen nicht auch gelänge, diesen Fauxpas als Hauptgewinn zu verkaufen. „Alle fordern Transparenz in der Politik, wir bieten sie.“
Allerdings mussten sie ihrer Chefin versprechen, dass es bei diesem einen Ausrutscher blieb. Die beiden grinsen, wenn sie von diesem Triumph erzählen. Keine Frage: In dieser Rolle fühlten sie sich in ihrem Element – in der Opposition. Bei ProSieben haben sie es jetzt schwerer. Hier kann es ihnen nicht mehr egal sein, ob 50.000 oder 2,5 Millionen Zuschauer einschalten, um sie auf ihrem Egotrip zu begleiten. Montagabend ist Comedy-Abend.
Entsprechend hoch waren die Erwartungen an die erste Folge von „Circus Halligalli“. Schließlich hatte ProSieben versprochen, alles werde eine Nummer größer werden. Statt in einer abgerockten Studentenbude produzierten sie ihren Mix aus Einspielern, Musik, Talk und Comedy jetzt in einem amerikanischen Salon, mit ledernen Fauteuils und einem Schreibtisch, neben dem der von Harald Schmidt aussieht wie ein Gerippe von Ikea. Doch in der ersten Folge von „Circus Halligalli“ fremdelten sie noch mit diesem neuen Rahmen. Die beiden Grenzgänger, sie wirkten plötzlich wie Statisten in ihrer eigenen Show, so eng war das Korsett.
Ein Trailer ließ erahnen, wie ihnen bei der Premiere zumute war. Sie hatten sich in Zwangsjacken stecken lassen. Ein Doktor fragte sie, wie sie sich jetzt fühlten. Ihr Blick ging ins Leere. Doch matt, aber tapfer betete Klaas den bekannten PR-Slogan für ProSieben nach: „We love to entertain you.!“ Solche Witze über ein Medium, das seinen Zuschauern das Grundrecht auf schlechte Laune verweigert, hätte man sich auch in der Show gewünscht. Doch erstens war das Korsett dafür zu eng. Und zweitens laufen sie in dieser Kulisse ins Leere. Mit der Comedy ist es aber ein bisschen wie mit der Politik. Freunde macht man sich nur in der Opposition.
Dass sie ein Risiko eingingen, als sie das Angebot von ProSieben annahmen, war ihnen bewusst. Sie sagen, natürlich hätten sie ihre Narrenfreiheit bei zdf neo noch bis zur Rente ausnutzen können. Doch wer habe schon Lust, in der digitalen Nische zu versauern? Deshalb gingen sie zu ProSieben. Dem Sender, dem die 14- bis 49-Jährigen vertrauen. Der sie 2012 mit offenen Armen empfing, als noch nicht klar war, ob das gut ging, Ernie & Bert als Gastgeber einer Samstagabendshow.
Es ging gut. „Joko gegen Klaas - das Duell um die Welt“ lebt von dem Dualismus zwischen den beiden. Sei reisen um den Globus, um sich gegenseitig vor grenzwertige Mutproben zu stellen. Alligatoren zähmen in den Everglades, Kickboxen nach Thailand. Rippenbruch, alles inklusive. Muss das sein, fragten sich Kulturpessimisten anfangs. Jetzt ist die Show für den Grimme-Preis nominiert. Sportlicher Ehrgeiz, Action + Selbstironie, diese Mischung gab es so noch nicht. Hier hielten zwei ihre Knochen hin, die sich im Gegensatz zu Stefan Raab, einem ihrer Vorbilder, nicht ernster nehmen, als es das Fernsehen erträgt.
Diese Leichtigkeit, sagt Klaas, sei ihr Kapital. „Es ist wichtig, dass man sich die erhält“. Man möchte ihnen wünschen, dass ihnen das mit „Circus Halligalli“ gelingt. Dass sie cool genug werden, sich das Korsett so anzupassen, dass es ihre Show wird – und nicht ein x-beliebiger Fernsehzirkus. Moderatoren, die sich zum Affen machen, gibt es schließlich schon genug.
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