CDU-Chef Friedrich Merz redet bei der Preisverleihung des Werner Holzer Preis für Auslandsjournalismus im Kaisersaal im Frankfurter Römer / dpa

Kann es Friedrich Merz wirklich besser? - Verfrühter Optimismus

Woher nehmen wir eigentlich die Gewissheit, dass die nächste Regierung die tiefen strukturellen und mentalen Schleifspuren dieses Landes beseitigen kann? Das schmachvolle Versagen einer Regierung bedeutet nicht, dass es die nächste besser macht.

Autoreninfo

Dr. phil. Dominik Pietzcker studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik. Von 1996 bis 2011 in leitender Funktion in der Kommunikationsbranche tätig, u.a. für die Europäische Kommission, diverse Bundesministerien und das Bundespräsidialamt. Seit 2012 Professur für Kommunikation an der Macromedia University of Applied Sciences, Hamburg. Er ist Visiting Scholar der Fudan University, Shanghai. Zahlreiche Veröffentlichungen, zuletzt „Was ist Schönheit? Eine kurze Geschichte der Ästhetik“ (Herder Verlag).

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Aufgrund des desaströsen Bildes, welches die Ampel hinterlassen hat, ist allein schon der bevorstehende Regierungswechsel ein Fortschritt. Doch weniger Mittelmaß ergibt noch keine Höchstleistung. Die euphorisch anhebende Renaissance des Konservatismus ist hierzulande womöglich trügerisch. Und dies gleich aus mehreren Gründen. Erster Grund, wir befinden uns in einem Land, das von wirtschaftlichen und ideellen Voraussetzungen lebt, die vor mehreren Generationen geschaffen und seitdem niemals mehr hinterfragt worden sind. Es hat sich zu lange nichts Grundlegendes geändert. 

Nur zur Erinnerung, Exzeptionalismus ist keine amerikanische Spezialität. Seit der lutherischen Reformation hatte auch dieses Land stets die höchsten Ansprüche an sich selbst gestellt. Eine kleine Auswahl der gängigen Selbstzuschreibungen genügt zur Verdeutlichung der vermeintlichen, doch ambitionierten Sonderstellung: der wahre (protestantische) Glaube, die größten Philosophen, Schriftsteller und Erfinder, die treuesten Helden, besten Demokraten, fleißigsten Arbeiter und erfolgreichsten Unternehmer.

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Urban Will | Mo., 2. Dezember 2024 - 08:53

Offenlegung des Versagens von Merz schon im Vorfeld und bekommt eine pseudo-philosophische Zusammenschau dessen, was alles schief läuft hier. Ja, das tut es.
ABER: Noch nie hatte der – laut Umfragen wohl ziemlich sichere – nächste Kanzler schon in der Opposition die Mehrheiten, die überfällige Wende einzuleiten, seine eigenen Gesetze durchzubringen, die schlimmste Not bereits zu lindern.
Und macht nichts. Sagt sogar noch blöde im Interview: sorry, da wird sich bis Sommer '25 nichts tun. Und das, obwohl d Laden brennt.
Und alles nur aus Angst, dass da Leute zustimmen, die per Gesinnungspflicht und öffentlichem Druck als „böse“ zu gelten haben.
Das ist eine Verachtung der Demokratie und widerliche Feigheit zu Lasten des Landes, die eigentlich jedem klar machen muss: Fritzel kann es nicht, er ist in jeglicher Hinsicht ungeeignet für dieses Amt. Er wird mit den Versagern koalieren und nichts groß ändern.
Sein Leitfaden heißt Brandmauer. Mehr hat er nicht drauf. Weg mit ihm.

Gerhard Hellriegel | Mo., 2. Dezember 2024 - 09:10

Also mir ist es immer etwas peinlich, wenn ich sage, dass ein Artikel genau den Punkt trifft.
(Schwaben loben nicht, sie nörgeln lieber.)

Dieser tut es. Danke.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 2. Dezember 2024 - 09:15

ausruhen zu dürfen, verlange ich von anderen keine Höchstleistungen!
Wo würden die denn erbracht auf der Welt?
Die Bundesrepublik steht dann nur wieder alleine da und muss dann auch dadurch entstehende strukturelle Ungleichgewichte gerade in Europa stemmen.
Das Bild oben gefällt mir ganz gut.
Ich kannte diese Kaiserreihe nicht.
Merz wirkt da nicht deplaziert, von der "Physiognomie" her?
Ich möchte doch nur Augenmaß statt "Fahren auf Sicht" und Weitblick statt universellem Moralismus.
Ich sehe nicht, dass Japan an Bedeutung verliert, denn es steht zu seinen Deutungen. Das könnte allerdings eine Kultur der historischen Schuld miteinschliessen.
Ich sehe kein Problem zu schrumpfen, werden die Steuereinahmen doch immer höher.
In der EU stört mich die Doppelmacht von Parlament und Rat. Unser System ist besser!
Deutschland hat sich bewährt in den letzten Jahrzehnten, auch mit den "Merkel"-Regierungen.
Sie konnte nicht, wie sie m.E. "nicht konnte".
Es war nicht einfach, blieb aber im Rahmen.

Claudia Martin | Mo., 2. Dezember 2024 - 09:21

Die Menschen möchten es mehrheitlich so. D ist zutiefst sozialistisch. Es gab nur nach WW II ein amerikanisches Intermezzo. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ließ man D dann alleine und der Weg nach linkes konnte ungestört aufgenommen werden. Linke Politiker:innen gab es ja nach der Wiedervereinigung genug. Alle nichtlinken Parteien werden ausgegrenzt. Die CDU hat sich in eine linke und grüne Partei gewandelt. Insofern sind eigentlich Wahlen unnötig. Wer den Kanzler stellt ist irrelevant.

Maria Arenz | Mo., 2. Dezember 2024 - 09:27

die vorhandene Maschine wieder in Gang setzen. Im Falle Deutschlands wäre das der Schiffsmotor. Wenn der aber so kaputt ist, wie inzwischen einigermaßen gesichert, kann man so oft und so fest draufdrücken, wie man will, das Schiff sinkt einfach weiter. Deshalb sind auch die angekündigten Neuwahlen völlig überflüssig. Mit der von Merz wieder und wieder bestätigten Brandmauer, hat er ja gar keine Chance, auch nur die für ein paar Meter weiter erforderlichen notwendigsten Reparaturen durchführen zu dürfen. Reicht es ihm wirklich, einmal in seinem Leben Kanzler zu werden? Das vom Artikel pauschal dem Volk vorgeworfene Abrücken an die Ränder ist einfach unfair. Was sollen sie denn machen? Seit einem Vierteljahrhundert bekommen sie denselben Wassermelonenmatsch (außen grün, innen rot), egal was sie wählen.Wesentlichste Ursache des Dilemmas? Eine total versemmelte Bildungsreform, die Masse statt Klasse in die Universitäten und von dort in die Funkhäuser, Redaktionen und Parteien spülte.

Chris Groll | Mo., 2. Dezember 2024 - 09:33

Sie schreiben: „die Menschen hierzulande sind müde, verzagt und zukunftsfeige. Dieser Befund verweist allerdings nicht auf die Politik, sondern auf die Bürger selbst.“
Dieser Befund verweist auf die Bürger UND die Politik.

Die Frage ist also nicht, ob Merz und die Konservativen bereit sind, einen neuen und schmerzvollen Weg zu gehen. Sondern: Ist das Land dazu überhaupt in der Lage?
Ist es nicht!!!.
Wie Ryanair-Chef sagte: „Deutschland ist in den nächsten Jahren am Arsch“

Noch eins. Merz und seine Anhänger gehören NICHT zu den Konservativen, sie sind links. Sie sind heute genau so müde, verzagt und zukunftsfeige wie die Mitglieder der anderen Blockparteien.
In den USA gibt es einen wirklichen Umschwung. Der deutsche Bürger traut sich nicht. Er meint, er könnte sich über die USAmerikaner erheben. Die Bürger dort haben mehr Mut und demokratieverständnis, als die meisten Deutschen es je haben werden.

Auf die Deutschen trifft zu: „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom „

Wolfgang Borchardt | Mo., 2. Dezember 2024 - 09:40

Zunächst verspricht eine Partei, die Probleme zu lösen, die ihr Mitglied Merkel initiiert hat. Hat Herr Merz als gleiche Macht wie sie, könnte er ähnlich machtvoll in anderer Richtung agieren. Wenn da nicht die anderen wären, deren Lautstärke eben nicht ihrem Wähleranteil von 10 - 20%, sondern 100% beträgt. Die Entbürokratisierung müsste in Brüssel beginnen, aber wer soll das machen? Die Nürokratie wird sich zu wehren wissen. Es muss erst noch schlimmer werden, bevor es besser werden kann. Es bleibt die spannende Frage, wie lange die nächste Regierung durchhalten wird. Werden die Zerfallszeiten kürzer? Immerhin kann nichts Neues entstehen, ohne, dass dass das Alte zuzugrunde gegangen ist.

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