Bundestrainer Julian Nagelsmann sieht Gemeinsinn, wo keiner ist / dpa

EM-Nachlese - Nagelsmann macht den Olaf Scholz

Die Europameisterschaft war ein Erfolg. Die Stimmung in den Stadien war heiter. Hingegen wirken Versuche, das alles gesellschaftspolitisch zu überhöhen, verkrampft und lächerlich. Der DFB und seine Führungskräfte täten gut daran, die Politik den Politikern zu überlassen.

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Fußball ist und bleibt die herrlichste Nebensache der Welt. Auch wenn sie für viele zeitweise zur Hauptsache werden kann, wie jetzt bei der Europameisterschaft. Dabei kann man eigentlich nicht von „dem Fußball“ sprechen. Denn dieser Sport besteht aus zwei Abteilungen – den Amateuren und den Profis. Was in den 24.000 Vereinen mit 139.000 Mannschaften und knapp 2,3 Millionen Spielern geleistet wird, ist beachtlich. Da wird Jungen wie Mädchen, Jugendlichen wie Erwachsenen nicht nur eine Alternative zum Daddeln auf dem iPhone oder der Freizeitgestaltung als Couch-Potato geboten. Da leisten zugleich Zehntausende Ehrenamtliche unglaublich viel für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und für die Integration von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen.   

Die Spitzenfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) weisen gern und zu Recht auf diese gesellschaftliche Funktion des Sports hin. Das ändert nichts daran, dass der Profifußball in erster Linie Teil der Unterhaltungsindustrie ist. Die Bundesligastars gehen nicht auf den Platz, um im Volk ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Sie strengen sich an, weil sie Geld verdienen wollen – nach Möglichkeit von Jahr zu Jahr mehr. Die Vorstände der 40 Dax-Konzerne beziehen im Durchschnitt knapp vier Millionen Euro. Dafür würden viele Superstars sich nicht ein oder zwei Mal pro Woche 90 Minuten lang anstrengen.

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Romuald Veselic | Mo., 15. Juli 2024 - 16:14

Zitat: „Das Turnier hat einmal mehr gezeigt: Sport steht für Gemeinschaft und Gemeinsinn, Sport und Fußball stehen für Teilhabe.“

Haha.

Das sehe ich besonders an den umherbeklebten Vertikalflächen, gepflastert mit TSV 1860 München Stickers, auf denen dargestellt wird, wie FCB hoch geschätzt wird.

Hier könnte sogar der Hl Nepomuk nicht mehr mithalten.

Satire over. 🤘

Hano Woitek | Mo., 15. Juli 2024 - 16:19

aber vor 4 oder 8 Jahren hättenwir, all die sachverständigen Zuschauer, diese Mannschaft weg gepfiffen. Helmut Schön und Rudi Völler mußten schon wegen Vice-Titeln ihre Posten abgeben.
Aber so ist das halt geworden. Erstmals glaubt ja auch unsere heutige Jugend, dass es ihnen wohl schlechter gehen wird als ihren Eltern. Ja bei !!! So ist das eben ein man nur noch werk-life-balance will mit Schwerpunkt Life und neben der I Phone Glotzerei die Hauptbeschäftigung nach der Suche zum Bürgergeld besteht. Wie wäre es mal mit dem Versuch, mal selbst wieder „anzupacken“?

Urban Will | Mo., 15. Juli 2024 - 16:37

nur das Achtelfinale) und es handelte sich um eine EM, keine WM („WM-Stadien“). So ein bisschen mehr Sorgfalt täte gut, wenn man mit Kritik ansetzt.
Ich gebe Ihnen recht, dass Fußball und Politik oder Gesellschaft allgemein zu trennen sind. Fußball ist und bleibt ein Spiel.
Ich habe mir Nagelsmanns PK angeschaut. Er war emotional, was ich voll verstehen kann. Das Ausscheiden war – mit Verlaub und in der Fußballsprache – Scheiße.
Der klare Elfer hätte gegeben werden müssen und hätte der gesessen, hätte Deutschland das Spiel wohl gewonnen. Und dann...
Alle waren bis auch die Knochen enttäuscht.
Julian Nagelsmann ist noch sehr jung. Zwar erfahren als Trainer aber sicherlich nicht im Halten von Reden.
Und seine Antwort ging – ich denke ohne seine wirkliche Absicht – über in eine Rede und er redete frei, las nicht vom Blatt ab.
Sehen Sie ihm also nach, dass er wohl eher unbeabsichtigt dem Volk eine – so sehe ich das – spontane Standpauke gegeben hat.
Und auch die saß. Wie Fülles Tore.

Klaus Funke | Mo., 15. Juli 2024 - 17:03

Herr Nagelsmann sollte wegen seiner Eintagsfliege, die noch dazu äußerst kurzlebig ist, nicht so ein Theater machen und sich aufspielen. Er muss erstmal nachweisen, dass die neue BRD-Fußmannschaft wirklich ein Durchbruch nach den letzten Pech und Pannen ist. Ein Spiellehrer - mehr ist Herr Nagelsmann nämlich nicht. Die Burschen sollten nach Leistung bezahlt werden und das gilt auch für ihren Trainer. Mich kotzt der Rummel an, den man jetzt um diese magere Leistung macht.

Klaus Funke | Mo., 15. Juli 2024 - 17:04

Herr Nagelsmann sollte wegen seiner Eintagsfliege, die noch dazu äußerst kurzlebig ist, nicht so ein Theater machen und sich aufspielen. Er muss erstmal nachweisen, dass die neue BRD-Fußmannschaft wirklich ein Durchbruch nach den letzten Pech und Pannen ist. Ein Spiellehrer - mehr ist Herr Nagelsmann nämlich nicht. Die Burschen sollten nach Leistung bezahlt werden und das gilt auch für ihren Trainer. Mich kotzt der Rummel an, den man jetzt um diese magere Leistung macht.

Jens Böhme | Mo., 15. Juli 2024 - 17:21

Ein Teil der französischen Nationalmannschaft (u.a. Mbappe) gab während der Pressekonferenzen bei der EM sogar explizite Wahlaufrufe zur französischen Präsidentschaftswahl, wen man unbedingt wählen sollte, damit Frankreich nicht untergehe. Dagegen ist das politische Gesäusel von Nagelsmann weichgespülte Wäsche.

Heidemarie Heim | Mo., 15. Juli 2024 - 17:22

Lieber eine misslungene Weihnachtsmannansprache als Regenbogen-Binde am äußerst unvorteilhaft in Szene gesetzten Oberarm einer Ministerin des Inneren lieber Herr Dr. Müller-Vogg;)! Dieser Anblick blieb uns dieses Mal GSD erspart. Wie wohltuend dagegen die beiden echten VIPS mit ihren Kindern gestern beim Finale, die ihre Mannschaften einfach so, ohne Gedöns und ohne die eigene Publicity anheben zu wollen, mit ihrer Anwesenheit ehrten. König Felipe mit Tochter und Kronprinz William mit Sohnemann waren da im Gegensatz zu unseren Schmalspur-Repräsentanten/innen eine echte Augenweide. Genauso wie die beiden Mannschaften! MfG

Norbert Heyer | Mo., 15. Juli 2024 - 17:28

Alle Politiker dieser Welt haben immer und zu allen Zeiten den Sport für ihre Sache ausgenutzt. Die Römer mit „Brot und Spielen“, die echten Nazis 1936 mit der Olympiade und bis zum heutigen Tag beim Fußball. Nach Katar, totalem Versagen, Armbinde und Mund zuhalten hatte ich gehofft, im eigenen Land eine unpolitische EM zu erleben. Aber schon beim „Spielermaterial“ schlug die linke Zensur zu, allerdings haben aktive Spieler und Spieler als Kommentaren teilweise toll gekontert. Kross findet D ganz toll, will aber mit Blick auf seine Tochter lieber in Spanien bleiben, der Bundestrainer verband eine weinerliche Rede mit größerem Zusammenhalt der Bürger, wobei Hecke schneiden eine Rolle spielte. Ich z.B. schneide auch ohne Verbindung zum Fußball die Hecke unserer Nachbarn. Positiv war, dass unsere Mannschaft ein besseres Bild abgegeben hat, aber es gibt noch Luft nach oben. Ein Politiker von Grün muss auch nicht unbedingt in einer Sportsendung auftreten, da gehören gute Experten hin.

Markus Michaelis | Mo., 15. Juli 2024 - 17:43

Dass Gemeinsinn zum Gelingen einer Gesellschaft beiträgt, scheint mir nicht der strittige Punkt - das würden Linke wie Rechte, Nationale wie Religiöse glaube ich gleich sehen. Nur Liberale betonen etwas die Vorteile von Dosierungen von Individualismus, aber das scheint nicht der wirklich strittige Punkt. Der strittige Punkt scheint mir doch WELCHE Gemeinschaft gelebt werden soll und ob dafür zB national verbindliche Kriterien gelten sollen oder universelle. Die "Universellen" betonen jetzt, dass wir hier gegen Putin, China etc., zusammenstehen müssen - woran man sieht, dass die Universalität keine triviale Frage ist.

Dann soll Vielfalt gut sein, was generell auch keiner bezweifelt. Das Problem ist, dass Vielfalt oft dem Gemeinsinn im Weg steht, weil man über die verschiedenen Ansichten und Sitten entsetzt ist und dann Misstrauen den Gemeinsinn untergräbt.

Interessant ist, wie man versucht diesen Gegensatz aufzulösen. Darüber würde ich auch gerne aus dem Fußball etwas hören.

Markus Michaelis | Mo., 15. Juli 2024 - 17:52

"Gemeinsam hinter der eigenen Nationalmannschaft zu stehen, ist eben nur schwer vergleichbar mit dem Zusammenleben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Selbst wenn die große Mehrheit über die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien übereinstimmt, können bei einzelnen Fragen unversöhnliche Gegensätze aufeinanderprallen."

Das würde ich auch als einen zentralen Punkt sehen. Meine Lebenserfahrung sagt, dass ich mich mit praktisch allen Menschen gut verstehe - ich treffe sie im Urlaub, auf Konferenzen, beim Konzert etc. Aber ich handele mit ihnen keine gemeinsame Gesellschaft aus. 50% aller Ehen werden geschieden, obwohl sich da Zwei schon etxra ausgesucht haben.

Was ich verstanden habe, werden als Lösung dafür meist universelle Werte angeführt, die alle teilen sollen. Aber welche Werte sollen das denn sein, und müsste man die Menschen dafür nicht auch vorzeigen können?

Frank Klaus | Mo., 15. Juli 2024 - 18:15

Wieder ein Erlebnisbericht aus dem deutschen Paralleluniversum, das sich Herr Müller-Vogg zusammenphantasiert.
Wobei ich nicht glaube, dass die menschliche Phantasie ausreicht, um die Wirklichkeit so auszublenden.
Ich glaube also eher, dass Herr Müller-Vogg irgendwo auf einer Südseeinsel lebt und den ganzen Tag ARD und ZDF schaut und das als Grundlage für seine Schilderung Deutschlands nimmt.
Ich denke, dass Herr Müller-Vogg sich irgendwann vor dem Jahr 2008 zum letzten Mal in Deutschland aufhielt. So jedenfalls klingt alles, was er im Cicero über Deutschland schreibt.

Straub Klaus Dieter | Mo., 15. Juli 2024 - 19:44

Als leidenschaftlicher Spieler und Fan, habe ich nach Katar kein Spiel mehr, weder Nationalmannschaft noch Bundesliga angeschaut. Es war mir Piep egal, wann die Regenbogenfarbene Nationalelf ausscheidet. Mit Stolz habe ich die Spanier erlebt, die ihre Nationalhymne sangen. Schotten, Kroaten, Rumänien usw. zeigten ihre Stolz. Naja unser DFB will das doch gar nicht. Für mich gilt:“ Viva Espania“ ein würdiger Sieger!

Jens Böhme | Mo., 15. Juli 2024 - 23:29

Antwort auf von Straub Klaus Dieter

Wenn Spanier mit Stolz ihre Nationalhymne singen, dann haben Sie Paralleluniversum geschaut. Die Nationalhymne Spaniens hat keinen Text.

Kai Hügle | Mo., 15. Juli 2024 - 22:19

Mit seinen Äußerungen über die ständige Miesmacherei in Deutschland hat Nagelsmann natürlich einen wunden Punkt getroffen. Auch vor diesem Turnier standen die üblichen Verdächtigen ja schon in den Startlöchern, das neuerliche Scheitern einer Mannschaft antizipierend, die ihnen zu bunt und zu woke ist und damit symptomatisch für alles, was sie an Deutschland verachten.
Dass sich die Mannschaft sehr achtbar geschlagen hat und es keine nennenswerten Sicherheitsprobleme gab, passt den Ciceronen natürlich nicht. Und über rechtsextrem-nationalistische Symbolik echauffiert man sich hier natürlich nur bei Türken und Albanern, nicht bei Serben und Kroaten.
Vielleicht klappt es ja bei der nächsten WM wieder mit dem Aus in der Vorrunde. Würde mich nicht überraschen, wenn dann die gesellschaftspolitische Relevanz des Fußballs wiederentdeckt und herbeigeredet wird - in diesem Magazin für politische Kultur.

Ernst-Günther Konrad | Di., 16. Juli 2024 - 08:52

Sie sagen es Herr Dr. M-V. Es gibt den Profisport und die Amateure. Wirklich? Inzwischen finden sich immer weniger Kinder und Jugendliche bereit Fußball spielen zu wollen. Es finden sich immer weniger Eltern/ sonstige Betreuer, die bereit sind im Ehrenamt dem Verein zu "dienen". Vereine suchen den Zusammenschluss, erst bestimmte Jugendabteilungen, weil ihnen der Nachwuchs fehlt, dann ganze Vereine, weil öffentliche Fördergelder ganz oder teilweise gestrichen wurden. Sportplätze kosten Geld und mancher Verein/Kommune hat das Geld nicht mehr. Sponsoren müssen her. Und die wollen am Ende des Tages auch mitreden. Und was Nagelsmann anbetrifft und andere, so war es verglichen mit Katar doch zurückhaltend unpolitisch. Vielleicht genau deswegen, "mussten" einige wohl den Mund aufmachen und "Stellung" beziehen und den Fußballsport politisieren. Wenn man schon keine knienden Mannschaften mit Binde sah, brauchte des dann doch noch einen kleinen Nachschlag vom DFB, damit weiter Geld fließt.

Achim Koester | Di., 16. Juli 2024 - 10:04

und wie ARD und ZDF versuchen, eine erzieherische Wirkung auszuüben, zeigte sich deutlich im Kommentar von T.Bartels beim Endspiel, als (deutsche(?) Fans den Spanier Cucurella , den mit der Struwwelpeter-Frisur, auspfiffen, wohl wegen des nicht gegebenen Strafstoßes. Das sollte ein stark überbezahlter ÖR Schwätzer besser unterlassen, denn Auspfeifen gehört zu den wenigen Meinungsäußerungen, die ein Fan noch ausüben darf, wenn ihm an den von woken Funktionären dominierten Zirkus etwas missfällt.

hermann klein | Di., 16. Juli 2024 - 10:15

Der DFB und seine Führungskräfte – Präsident Bernd Neuendorf und Geschäftsführer Andreas Rettig - täten gut daran den Fußball aus der Politik abseits zu halten und nicht jedes Mal aus Wachsamkeit, öffentlich ihren linksgrünen Zeitgeist, dank ihrer politischen DNA zur Schau zu stellen.