Von der Redaktion überarbeitete kolorierte Fotografie des Deutschen Reichstags um 1900 / dpa

Zwischen bewahren und gestalten - Was heißt denn hier konservativ? (Teil 2)

Der Zielkonflikt zwischen Freiheit und Sicherheit lässt sich nicht dauerhaft auflösen. Wer vor allem Sicherheit will, muss die Freiheit einschränken, wer Freiheit will, auch auf ein entsprechendes Maß an Sicherheit verzichten.

Autoreninfo

Peter Voß war von April 1993 bis September 1998 Intendant des SWF und von Oktober 1998 bis April 2007 Intendant des SWR. Er studierte an der Universität Göttingen Germanistik und Anglistik, später Soziologie. Nach dem Studium arbeitete er bei verschiedenen Zeitungen, bevor er von 1971 bis 1977 Nachrichtenredakteur beim ZDF war. 1977 ging er als Korrespondent nach Berlin und wechselte ein Jahr später zum Fernsehmagazin „Report München“ beim Bayerischen Rundfunk. 1981 kehrte er zum ZDF zurück, wo er 1983 Redaktionsleiter des „heute-journals“ wurde. Im Jahr 1985 stieg er zum Hauptredaktionsleiter Aktuelles auf und wurde 1990 Stellvertretender Chefredakteur. / Foto: SWR

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Nur Sicherheit, ein primäres Bedürfnis fast aller Menschen, schafft Stabilität und ermöglicht die Verlässlichkeit menschlichen Interagierens, und ihre strukturelle Voraussetzung nennen wir gemeinhin Ordnung. Wir müssten also den Slogan von 1789 abwandeln und „Freiheit, Gleichheit, Ordnung“ oder „Freiheit, Gleichheit, Sicherheit“ proklamieren, aber das klänge weit weniger leidenschaftlich und herzerwärmend.

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Thorwald Franke | Mo., 17. Juni 2024 - 18:40

Dem Autor muss widersprochen werden. Es ist nicht so, dass alle drei -- Liberal, Sozial und Konservativ -- jeweils in gleicher Gefahr wären, sich zu verabsolutieren. Denn der Ordnungs- und Stabilitätsgedanke des Konservativen trägt die Idee von Maß und Ausgleich immer schon in sich.

Es sind die anderen beiden Aspekte, die intrinsisch zur Übertreibung neigen, das Konservative seiner Natur nach nicht.

Der Rechtsradikalismus ist in diesem Sinne keine Übertreibung des Konservativen, sondern rührt von einer anderen Wurzel her: Es ist der simple Egoismus, die pure Rücksichtslosigkeit. Ein Konservativer ist gewiss Realist, jedoch gewiss nicht Egoist.

Und was folgt aus all dem? Dass auf keinen Fall mehr CDU gewählt werden darf! Denn die CDU folgt einem Pseudo-Konservativismus, demzufolge die CDU immer dasselbe wie die Grünen will, nur langsamer. Die Zeit von Bündnis Deutschland und WerteUnion ist gekommen.

Da bin ich eher bei unserem Autor. "Egoismus" wird ja eher den (markt-)liberalen zugeordnet. Persönliche Freiheit und Verantwortung mit einem sozialen Gedanken, der auch ökologische Aspekte mitbringt, halte ich persönlich für die Mischung, die den größten Wohlstand erzeugt.
"Konservativ" im Wortsinn, also bewahrend, kann sich auch auf diese Ordnung beziehen (eigentlich auf jede andere). Daher ist der Begriff eigentlich nicht gut für dieses politische Lager. Eine Ordnung zu bewahren, Sicherheit zu garantieren, Wohlstand zu mehren - auch persönlichen und die Interessen des Landes global zu vertreten, das ist traditionell die Position, die als konservativ bezeichnet wird und auch die Balance-Funktion mitträgt. Wenn es zu "Werten" kommt, also etwa ob Homosexuelle heiraten dürfen oder nicht, ist davon losgelöst. Man findet die bewahrende Position oft bei den Konservativen, weil Änderungen und Transformation auch Kosten bedeuten. Das ist wertfrei, mal gut, mal weniger.

Helmut Bachmann | Mo., 17. Juni 2024 - 19:12

aber etwas zahnlos. Das Mannsche Boot neigt sich derzeit jedenfalls extrem nach links gepaart mit enormer Angst vor Freiheit. Die Angst ist ein schlechter Berater.

Gerhard Hellriegel | Di., 18. Juni 2024 - 09:22

Um es klar zu sagen: mich interessiert nicht der Staat, in dem ich lebe, sondern meine, unsere Lebensweise, meine, unsere Lebensverhältnisse.
Würde also dieser Staat durch einen anderen, nach meinem Urteil besseren ausgetauscht, ich hätte nichts einzuwenden.
Für einen inhaltsfreien Patriotismus bin jedenfalls ich ungeeignet.
Aber gerade zu EM-Zeiten ist mir klar, dass es immer welche geben wird, die sich nur dann wohl fühlen, wenn sie irgendeiner Fahne hinterherlaufen.

Einen Konflikt zwischen Freiheit und Gleichheit oder Freiheit und Sicherheit kann ich nicht erkennen. Es sei denn, man versteht Freiheit als ungehemmte Selbst- oder Profitsucht.

Im Gegensatz zu Freiheit und Gleichheit ist "Ordnung" oder "Sicherheit" inhaltlich unbestimmt. Mir kommt das jedenfalls vor wie ein Regal mit Fächern, in die man nun alles Beliebige ablegen kann. Vielleicht ist da doch etwas dran an den "Sekundärtugenden".

Jens Böhme | Di., 18. Juni 2024 - 12:40

Nur Sicherheit gab es in der DDR. Wir wurden eingemauert, das Denken ca. dreißig alten Männern und zwei Frauen überlassen und fertig war die Demokratie, die sich die Unfehlbaren wünschten. Der Umbau geschah historisch sehr schnell. Heutzutage sind solch Tendenzen wieder zu beobachten. Der Umbau des Systems muss nicht Militärregime oder kommunistische Diktatur heissen, charakteristisch bleibt das Autoritäre. Zudem nähert sich das Zeitalter der Freiheit und Demokratie dem Ende. Je länger zuviel Freiheit erodiert das System, da durch zuviel Freiheit die sozialen, wirtschaftlichen und monetären Sicherheiten verloren gehen. Deshalb geht der Trend bei Wahlen immer mehr zu rechten und linken autoritären Parteien. Hierzu reicht auch ein Blick über den Tellerrand. Die Demokratie verliert zunehmend an Bedeutung und quasidemokratische Staatsformen übernehmen (wieder) die Welt.