- Ärzte fordern eine Milliarde exta
Die Reinerträge niedergelassener Ärzte sind zwischen 2007 und 2011 um durchschnittlich 17 Prozent gestiegen. Die Ärzte fordern trotzdem höhere Honorare. Ist das gerechtfertigt?
Den Ärztefunktionären passen die neuen Zahlen momentan gar nicht ins Konzept. Just dieser Tage nämlich verhandeln sie mit den Krankenkassen wieder über die aus ihrer Sicht dringend aufzubessernden Honorare für Praxismediziner. Es geht dem Vernehmen nach um einen Aufschlag zwischen 750 Millionen und 1,4 Milliarden Euro. Da kommt der Beleg, dass ihre Klientel keineswegs am Hungertuch nagt, sondern in den vergangenen Jahren bei den Einkünften so kräftig zugelegt hat wie kaum eine andere Berufsgruppe, höchst ungelegen.
Im Durchschnitt liegt das Monatsbrutto der Ärzte bei 13.833 Euro
Geliefert hat diesen Nachweis das Statistische Bundesamt.
Nach dessen Erhebung stiegen zwischen 2007 und 2011 nicht nur die Einnahmen pro Arztpraxis um 21 Prozent. Auch bei den Reinerträgen – also dem, was nach Abzug aller Personal, Gebäude- und Gerätekosten zu versteuern ist – konnten sich die Praxisinhaber über ein Plus von 17 Prozent freuen. Im Schnitt kam damit im Jahr 2011 jede der gut 4000 Arztpraxen in Deutschland auf einen Reinertrag von 234.000 Euro und jeder Praxisinhaber auf 166.000 Euro an zu versteuerndem Einkommen. Das entspricht einem Monatsbrutto von 13.833 Euro pro Arzt. Und einer Steigerung um rund 2000 Euro pro Monat.
Nun verweisen die Funktionäre gerne darauf, dass Arzt ja nicht gleich Arzt sei und diejenigen mit hohem Investitionsbedarf, wie etwa Radiologen, auch deutlich mehr verdienen müssten. Allerdings zeigt die Statistik, dass seit 2007 so gut wie alle Ärztegruppen von dem Honoraranstieg profitiert haben. Die einzigen, bei denen es nicht deutlich nach oben ging, sind die Frauenärzte. Ihr Reinertrag blieb in den vier Jahren mit rund 12.000 Euro monatlich in etwa konstant.
Die Ärzte legten kräftig zu
Alle anderen Ärztegruppen dagegen legten kräftig zu. Am deutlichsten die Augen- und Nervenärzte, sie erzielten 2011 satte 35 Prozent mehr als vier Jahre zuvor. Erstere kamen zuletzt auf gut 19.000 Euro, die Neurologen auf etwas mehr als 14.400. Röntgenärzte und Nuklearmediziner legten um 14,8 Prozent zu und verbuchten im Monat 25.250 Euro als Reinertrag. Aber auch die klassischen Geringverdiener der Branche konnten sich nicht beklagen. Der Reinertrag von Allgemeinmedizinern etwa kletterte im Schnitt von 9666 auf 11.500 Euro, eine Steigerung um 19 Prozent. Und die Kinderärzte legten um 13 Prozent zu – auf 11.666 Euro. Orthopäden kamen der Erhebung zufolge auf etwas mehr als 16.000, Internisten auf 15.333, Urologen auf 14.000 und HNO-Ärzte auf 12.233 Euro.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bemüht sich, diese Steigerungen zu relativieren. Sie bedeuteten ja nur einen jährlichen Zuwachs von vier Prozent, rechnete KBV-Chef Andreas Köhler vor. Und dieser verringere sich nach Abzug des Inflationsausgleiches nochmals auf „eine reale Steigerung von jährlich zwei Prozent“. Ein Zuwachs in dieser Höhe sei „nicht nur gerechtfertigt, sondern nach mehr als zwanzig Jahren strikter Budgetierung dringend erforderlich“. Deshalb bleibt Köhler auch bei seiner Forderung nach einem neuerlichen Milliardenaufschlag. Ins Feld führt er dafür gestiegene Investitions- und Betriebskosten sowie eine höhere Krankheitslast der Bevölkerung.
Die Krankenkassen dagegen können ihre Freude über die Kronzeugenschaft des Wiesbadener Bundesamtes und den Veröffentlichungzeitpunkt kaum verhehlen. Die Zahlen zeigten, „dass es insgesamt kein Einkommensproblem bei niedergelassenen Ärzten gibt“, sagte Spitzenverbandssprecher Florian Lanz. Wenn einzelne Arztgruppen oder Ärzte dennoch ein zu geringes Honorar erhielten, sei das „ein Verteilungsproblem innerhalb der Ärzteschaft“. Die Ärztevertreter müssten sich nämlich schon fragen lassen, „ob es fair ist, wenn ein Radiologe in der Großstadt mehr als doppelt so viel verdient wie ein Landarzt“.
Tatsächlich dürfen die Durchschnittszahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es unter den Ärzten nach wie vor etliche gibt, die weniger üppig verdienen. So kommt jeder vierte Praxisinhaber, der Statistik zufolge, nur auf einen monatlichen Reinertrag von rund 6700 Euro. Dem steht dann ein oberstes Sechstel gegenüber, das mehr als 24.000 Euro kassiert. Entscheidend für diese Spreizung ist aber nicht bloß die Fachrichtung, sondern auch der jeweilige Arztsitz. In bestimmten Stadtteilen oder auf dem Land verdienen Mediziner vor allem deshalb weniger, weil es ihnen dort an einer Sorte Kundschaft fehlt: den Privatversicherten. Denen nämlich verdanken die Ärzte, obwohl sie nur ein Zehntel aller Versicherten ausmachen, einen Großteil ihrer Honorarzuwächse.
Das erklärt, warum sich die Branche so gegen die Bürgerversicherungspläne der Oppositionsparteien stemmt. Der Anteil der Praxiseinnahmen durch Privatbehandlung beträgt bereits 28,3 Prozent. Im Jahr 2007 waren es noch 25,9 und 2003 nur 22,2 Prozent. Mit Kassenpatienten dagegen ist für Praxisärzte immer weniger zu verdienen. Der Einnahmenanteil durch ihre Behandlung lag 2011 nur noch bei 68,7 Prozent. 2007 betrug er 71 und 2003 sogar 75 Prozent.
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