Glosse - Alles nicht so gemeint

Es gibt eine junge Partei, in der das kalkulierte Missverständnis zum Programm gehört. Kabarettist HG. Butzko denkt die Erst-provozieren-dann-zurückrudern-Taktik einmal logisch zu Ende

HG. Butzko

Autoreninfo

HG. Butzko ist Satiriker und wird als „Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts“ bezeichnet.

Der gebürtige Gelsenkirchener verbindet das Politische und das Private, den Alltag und den Bundestag, die große Welt und den kleinen Geist, und hat dabei einen ganz eigenen Stil entwickelt, den die Presse als „Kumpelkabarett“ oder „Thekengespräch mit Publikum“ bezeichnete. In der Laudatio zum Deutschen Kleinkunstpreis hieß es, HG. Butzko sei „ein Meister des investigativen Kabaretts“.

So erreichen Sie HG. Butzko:

Wir haben in Deutschland ein paar Dutzend politische Parteien. Und wenn wir uns jetzt mal vorstellen sollen, also nur mal rein hypothetisch, darunter gäbe es eine Partei, die sich immer wieder systematisch darüber beschwert, falsch verstanden worden zu sein, etwas so nicht gemeint zu haben, permanent aus dem Zusammenhang gerissen zu werden, und überhaupt: Lügenpresse! Lügenpresse! Na, an welche Partei müssen wir da jetzt spontan denken?

Mal ehrlich, eine solche Partei, wenn es sie denn gäbe, wirkte doch genauso seriös wie ein Gebrauchtwagenhändler, der sich ständig darüber beschwert, dass man bei seinen Autos dauernd Mängel und Defekte an der Steuerung entdeckt.

Rein hypothetisch

Wobei ich jetzt nicht Gebrauchtwagenhändler mit einer solchen Partei vergleichen will. Denn ein Gebrauchtwagenhändler überrascht hin und wieder ja doch mal mit einem brauchbaren Angebot. Während eine solche Partei eher nur Gebrauchtes im Angebot hat: Abgestandener Schrott von gestern mit braunen Rostflecken.

Und wenn wir uns jetzt aber mal vorstellen sollen, also nur mal rein hypothetisch, in einer solchen Partei gäbe es Politiker, die zum Beispiel sagen, die Europäer müssten hohe Grenzzäune bauen, damit die Afrikaner endlich aufhören, dauernd zu schnackseln, oder der Schusswaffengebrauch an Deutschlands Grenzen auf Flüchtlinge gelte selbstverständlich auch für Frauen und Kinder oder niemand wolle in Deutschland neben einem schwarzen Fußballspieler wohnen, dann sollten wir nicht vergessen: Diese Politiker stellen sich Wahlen. Sie wollen in Parlamente einziehen. Da bekäme der Begriff Parlament-Arier doch eine völlig neue Bedeutung.

Zwischen die Zeilen reininterpretiert

Und wenn wir uns jetzt mal vorstellen sollen, also nur mal rein hypothetisch, die Politiker einer solchen Partei würden sich hinterher dauernd beschweren, dass da zwischen die Zeilen etwas reininterpretiert wurde, was da gar nicht steht, man könne sich an Gesagtes nicht mehr erinnern oder sei doch nur auf der Computermaus ausgerutscht, dann sollten wir eines nicht vergessen: Wenn Politiker einer solchen Partei eventuell irgendwann Regierungsverantwortung übernehmen, dann würden wir Leuten die Herrschaft über ein Land überlassen, die nicht mal in der Lage sind, ihr Mundwerk zu beherrschen.

Denn wenn es eine solche Partei gäbe, also nur mal rein hypothetisch, dann gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Politiker dieser Partei sind nicht in der Lage, das zu sagen, was sie wirklich meinen. Oder sie meinen wirklich genau das, was sie sagen. Beides machte sie ein bisschen weniger vertrauenswürdig als einen Gebrauchtwagenhändler. Wobei ich jetzt nicht Gebrauchtwagenhändler mit einer solchen Partei vergleichen will, denn... Aber lassen wir das.

Lieber an der Klobürste lutschen

Oder, wie ich es neulich mal im Internet gelesen habe: Vieles ist in unserem Land kritikwürdig. Die Regierung, die Gesellschaft, das System. Aber wer aus Protest eine solche Partei wählt, der lutscht auch in der Kneipe an der Klobürste, wenn’s Bier nicht schmeckt.

Und wer jetzt behauptet, dass es eine solche Partei in Deutschland aber doch wirklich gibt, der hat mich ganz falsch verstanden, und etwas bei mir zwischen die Zeilen reininterpretiert, was ich so nicht gemeint habe. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern.

HG. Butzko live: 08. und 09. Juli in Würzburg / 23. Juli in Bielefeld

 

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