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Doppelpass - Die rot-grüne Sabotage an der eigenen Revolution

Die SPD hat der Union die überfällige doppelte Staatsbürgerschaft abgerungen. Doch einigen Linken, Grünen und sogar Sozialdemokraten geht diese gesellschaftliche Revolution nicht weit genug. Bis vors Verfassungsgericht könnten Ideologen ziehen und damit die Chance auf eine moderne Einwanderungsgesellschaft vernichten

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Kein Zweifel, die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft ist überfällig. Sie gehört zu einer modernen Einwandergesellschaft. Migranten pendeln in der globalisierten Welt zwischen Kulturen, zwischen Identitäten und zwischen Ländern. Sie leben nicht mehr in einer Welt, sondern in mehreren Welten, in zwei, manchmal sogar in drei. Sie sind mit Flugzeug, Fernsehen und Facebook ständig zwischen diesen Welten unterwegs. Sie steigen nicht mehr auf die Mayflower, um den alte Kontinent hinter sich zu lassen und in ein neues Leben aufzubrechen. Im 21. Jahrhundert leben Migranten in Doppelidentitäten. Dass sie zwei Pässe haben, ist dafür ein Symbol.

Der faule Kompromiss des Oppostionsmodells


Die Einführung des Doppelpasses ist deshalb überfällig. Das Optionsmodell für junge Einwanderer hingegen, das es seit dem Jahr 2000 in Deutschland gibt und vor allem türkische Einwanderer betrifft, war von Anfang an ein fauler Kompromiss. Doch auch dieser konnte den Siegeszug des Doppelpasses nicht aufhalten. Innerhalb der EU sind zwei Pässe längst Alltag. Auch für US-Amerikaner, Kanadier und Schweizer zum Beispiel ist er mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, die niemand infrage stellt.

Und es ist eine Mär, dass sich aus einer doppelten Staatsbürgerschaft - abgesehen vom Wahlrecht - irgendwelche Vorteile oder Privilegien ableiten ließen. Alle möglichen Konflikte sind durch bilaterale Verträge längst ausgeschlossen.

Jetzt kommt der Doppelpass auch für die muslimischen Einwanderer. Dass die SPD der Union in den Verhandlungen zur Bildung einer Großen Koalition nach hartem Ringen die Zustimmung zum Doppelpass abgerungen hat, gleicht einer gesellschaftlichen Revolution. Schließlich hatten Christdemokraten und Christsoziale ein Jahrzehnt lang eine Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts blockiert und Vorbehalte in ihrer Wählerschaft mobilisiert.

Der rot-grüne Bundesrat könnte das Verfassungsgericht anrufen


Wie üblich wurde in den letzten drei Monaten um die Einführung des Doppelpasses und die Details eines Gesetzentwurfes noch einmal gerungen. Aber am Donnerstag meldeten der christdemokratische Innenminister und der sozialdemokratische Justizminister Vollzug. Wer mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt hat, bekommt einen deutschen Pass, auch wenn er seinen alten behält. Vor allem der Christdemokrat Thomas de Maizière musste dabei noch einmal deutliche Zugeständnisse machen. Noch in diesem Jahr soll das Gesetz in Kraft treten.

Der Doppelpass könnte die Republik verändern. Doch was machen die Anhänger des Doppelpasses? Sie lassen nicht die Korken knallen. Statt den Durchbruch als den Erfolg ihres jahrelangen Kampfes zu feiern, schauen sie ins Kleingedruckte und mäkeln. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) spricht von einem „integrationsfeindlichen Bürokratiemonster“, der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck spricht von einer „Optionspflichtverlängerung“, die linke Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von einem „kleingeistigen und engstirnigen Kompromiss“. Im Bundesrat wollen die rot-grün regierten Länder auf der völligen Abschaffung des Optionsmodells beharren.  Sogar von einem Gang vor das Verfassungsgericht ist nun die Rede.

So wird eine Chance vertan. Es mag ja sogar sein, dass es noch die eine oder andere bürokratische Hürde gibt. Doch alle Erfahrungen zeigen, so etwas schleift sich. Wichtiger ist das Signal, in die Gesellschaft, an die Migranten. Doch ausgerechnet rot-grüne Ideologen zerreden nun dieses Signal, sabotieren ihre Revolution.

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