- ...ob Homöopathie unseren Frieden gefährdet
Man kann an Gott glauben, an Allah – oder an weiße Zuckerkügelchen. Stetig wächst die Glaubensgemeinschaft der Homöopathie-Dschihadisten. Haben wir das Zeitalter der Aufklärung verlassen?
Seit kurzem habe ich eine Freundin weniger. Sie hat mich bei Facebook entfreundet, weil ich geschrieben habe, dass ich nicht an Homöopathie glaube. Homöopathie habe nichts mit Glauben zu tun, fauchte sie – und kündigte mir die Freundschaft. Ich kenne sie seit 30 Jahren.
Wenn man früher eine Party aufmischen wollte, musste man sagen, dass man Terroristen versteckt oder seine Kinder schlägt. Heute genügt es, die Wirksamkeit der weißen Zuckerkügelchen anzuzweifeln, schon wird man von Anhängern der Hahnemann’schen Heilslehre verfolgt, als habe man eine Mohammed-Karikatur aufs Papstgewand gepinkelt.[gallery:20 Gründe, warum das Betreuungsgeld überfällig ist]
Dass bislang in keiner wissenschaftlichen Studie die Wirksamkeit der Methode nachgewiesen werden konnte, ficht die Gläubigen nicht an. Sie warten mit unglaublichen Wunderheilungen auf, die ihnen oder ihren Bekannten oder ihren Haustieren widerfahren sind. Bei Tieren wirkt kein Placebo! Wer heilt, hat recht! Wer’s glaubt, wird selig.
Inquisition war früher, heute gibt es Homöopathie. Wer zweifelt, ist der Häresie überführt und wird mit wütender Verachtung nicht unter 200 Jahren bestraft. Die Gläubigen halten sich selbst für Wissende. Und wollen – wie alle religiösen Fanatiker – die Ungläubigen bekehren. Dass auch Angehörige der gebildeten Stände die Homöopathie (und andere zweifelhafte Heilslehren vom Handauflegen bis zur Irisdiagnostik) propagieren, legt den Verdacht nahe, dass wir das Zeitalter der Aufklärung verlassen haben. Das magische Denken, das diesen Methoden zugrunde liegt, gilt aus medizinischer Sicht als psychopathologisch. Oder wie sonst soll man eine Lehre nennen, deren Anhänger sich mit Filzstift Zeichen auf den Körper malen, um ihre energetischen Schwingungen zu harmonisieren?
Es handelt sich um die sogenannte „Neue Homöopathie“, ihr Guru Erich Körbler war gelernter Antennentechniker. Wenn das so weitergeht, haben wir hierzulande bald die gesellschaftliche Spaltung, um nicht von einem Religionskrieg zu sprechen. So beobachtete ich kürzlich auf einem Spielplatz, wie sich ein Kind das Knie aufschlug. Seine Mutter näherte sich mit Wundspray und Pflaster, wurde aber von einer engagierten Homöopathin weggerissen, die in die Runde blickte und rief: „Ein Filzstift, schnell!“ Die Dame kann von Glück sagen, dass es nicht mein Kind war. Es ist klar, dass mir nach diesem Text eine Fatwa der Homöopathie-Dschihadisten droht. Kurz dachte ich daran, Asyl in Nordkorea zu beantragen, wo es keine Kügelchen-Krieger gibt. Aber nun gehe ich erst mal hier in den Untergrund. Vielleicht habe ich ja noch ein, zwei noch nicht erleuchtete Freunde, die bereit sind, mich zu verstecken.
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Vielen Dank Frau Fried für Ihren Artikel. Sie sprechen mir und auch vielen anderen Menschen aus der Seele. Es braucht Menschen wie uns, die sich trauen, für das einzustehen, was sie für richtig halten. Bitte machen Sie weiter so. Und was die verbissenen und leider auch verblendeten Homöopatieanhänger angeht (ich könnte jetzt hier den Rahmen sprengen und das auch auf Impfgegner beziehen, da man diese oft in einen Sack stecken kann), da kann man nicht viel machen, nur hoffen, dass diese irgendwann mal "aufwachen" und auf das vertrauen, was man nachweisen und belegen kann. Danke schön.
Ich wünsche mir sehr, dass die genannte Filzstifttherapie eine satirische Überzeichnung des traurigen Homöopathiewahns ist. Vergeblich?