Der chinesische Präsident Xi Jinping (v.r.) spricht während der Verleihung der nationalen Medaillen bei einer Zeremonie in der Großen Halle des Volkes mit den Ausgezeichneten / picture alliance

Südchinesisches Meer - China lässt die Muskeln spielen

Mit der Demonstration militärischer Stärke will China seine Nachbarn daran erinnern, dass es immer noch eine Macht in der Region ist. Das ist ein Signal an die von den USA geführte Pazifik-Allianz. Doch es gibt noch einen Grund für das Theater: Geld.

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Victoria Laura Herczegh, die fließend Mandarin, Spanisch, Französisch und Englisch spricht, ist Analystin bei Geopolitical Futures und Doktorandin für Internationale Beziehungen und Politikwissenschaft der Corvinus-Universität in Budapest.

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Am vergangenen Wochenende herrschte im Südchinesischen Meer eine noch nie dagewesene militärische Betriebsamkeit. Zum allerersten Mal setzte die chinesische Marine drei Flugzeugträger zur gleichen Zeit und am gleichen Ort ein. Neben den Vereinigten Staaten, Australien, Japan und den Philippinen nahm auch Neuseeland erstmals an Marineübungen in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Philippinen teil. In den vergangenen Monaten hat China seine militärischen Übungen und damit verbundenen Aktivitäten erheblich ausgeweitet – manchmal allein, manchmal gemeinsam mit Russland.

Obwohl die Demonstration neu entwickelter Waffen nicht ungewöhnlich ist, zeigt China sie in der Regel in friedlichen Luft- oder Seedarbietungen. Doch das beginnt sich zu ändern. Ende August beispielsweise verletzte ein chinesisches Y-9-Überwachungsflugzeug zum ersten Mal den japanischen Luftraum, während chinesische Schiffe zu den umstrittenen Senkaku/Diaoyu-Inseln vordrangen. 

Im Laufe des Sommers wurde außerdem eine rekordverdächtige Anzahl chinesischer Marineschiffe und Flugzeuge in der Nähe von Taiwan gemeldet. Die zunehmend routinemäßigen Übergriffe Chinas auf die Luftverteidigungszone der Insel haben sich Taiwan selbst genähert. Gewaltsame Zusammenstöße mit der philippinischen Marine in der Nähe der umstrittenen Seegebiete im Südchinesischen Meer sind ebenfalls häufiger geworden, was beide Nationen dazu veranlasst hat, ihre Präsenz in diesem Gebiet zu verstärken.

Stabilität und Macht demonstrieren

Chinas Demonstration der Stärke soll seine Nachbarn daran erinnern, dass es immer noch eine Macht in der Region ist, mit der es sich zu verbünden lohnt. Dies ist für Peking umso dringlicher geworden, als die von den USA geführte Pazifik-Allianz ihre verteidigungspolitische Zusammenarbeit verstärkt. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, warum Peking ausgerechnet jetzt seine militärischen Muskeln spielen lässt: Geld. 

Die Handelsgespräche zwischen den USA und China werden zwar fortgesetzt, doch konnten die beiden Länder bisher keine Einigung erzielen. US-Investoren stehen an der Spitze eines stetigen Exodus von ausländischem Kapital aus China. Darüber hinaus ist gerade eine neue Runde von US-Zöllen auf chinesische Waren im Umfang von 18 Milliarden Dollar in Kraft getreten. 

Betroffen sind unter anderem Elektrofahrzeuge, Batterien für Elektrofahrzeuge und Solarpaneele, was China noch weiter von dem entfernt, was es in den Gesprächen zu erreichen gehofft hatte. (Gesonderte Zölle auf Elektrofahrzeuge, die von der Europäischen Union erhoben werden, könnten Ende Oktober in Kraft treten.) Infolgedessen hat Peking begonnen, die Hoffnung aufzugeben, dass sich seine Wirtschaft mit westlichen Direktinvestitionen ankurbeln ließe. Die Militärübungen sollen also Stabilität und Macht demonstrieren, während Peking seine wirtschaftlichen Probleme selbst lösen muss.

Chinas Benehmen im südchinesischen Meer

Es ist kein Zufall, dass Peking zum Zeitpunkt dieser Vorfälle auf See über eine Entscheidung nachdachte, die die Art und Weise beim Umgang mit seiner Wirtschaft grundlegend verändern würde: Sollten die Konjunkturmaßnahmen langsam eingeführt und ihre Auswirkungen schrittweise getestet werden, oder sollte ein aggressives, koordiniertes Paket auf einmal eingeführt werden? 

Noch vor einem Monat schien es, als seien sich die meisten chinesischen Wirtschaftswissenschaftler und Politbüromitglieder einig, dass es der richtige Weg sei, mit kleinen Schritten zu beginnen. Schließlich ist dies seit Jahren die bevorzugte Vorgehensweise der Regierung. Doch am Dienstag vor einer Woche stellte der Gouverneur der People’s Bank of China, Pan Gongsheng, ein neues Paket groß angelegter Unterstützungsmaßnahmen vor, darunter die Senkung des Hypothekenzinssatzes für bestehende Kredite und des Mindestreservesatzes sowie neue Instrumente zur Stützung des Aktienmarktes. Auf diese Maßnahmen folgte die unerwartete Ankündigung, dass die Regierung einmalige Bargeldauszahlungen an in Armut lebende Menschen plant – ein Wohlfahrtsprogramm, das vor nicht einmal einem Jahr noch als unwirksam galt.

Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies: Peking ist zu dem Schluss gekommen, dass der stetige Verfall der Immobilienpreise, die Zahlungsunfähigkeit von Bauträgern, das schwache Verbrauchervertrauen, die Abhängigkeit von ausländischen Märkten für den Produktionsüberschuss und die hohe Jugendarbeitslosigkeit nicht langsam oder behutsam weggeschoben werden können. Peking hat also erkannt, dass es auf sich selbst zählen muss und nicht auf ausländische Direktinvestitionen aus dem Westen, um seine wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Und es bedeutet, dass es sich im Südchinesischen Meer nicht mehr zu „benehmen“ braucht.

In höchster Alarmbereitschaft

Es ist verständlich, dass Chinas militärische Aktivitäten die USA und ihre pazifischen Verbündeten in höchste Alarmbereitschaft versetzt haben. Die immer wiederkehrende Abstimmung mit Russland hat ihre Besorgnis nur noch verstärkt. Während der „Ocean 2024“, einer gemeinsamen Marineübung im Pazifik und in der Arktis sowie im Mittelmeer, im Kaspischen Meer und in der Ostsee, wurden russische Flugzeuge beim Eindringen in die Luftverteidigungsidentifikationszone von Alaska gesichtet, was das Risiko einer chinesisch-russischen Allianz deutlich macht.

Bis zu einem gewissen Grad ist ein solches Bündnis sinnvoll. Russland befindet sich mitten in einem langwierigen militärischen Feldzug, der zu internationalen Sanktionen gegen das Land geführt hat, und China muss einen Weg finden, um seine Wirtschaft zu sanieren. Beide wollen die weltweite Aufmerksamkeit von ihren Schwächen auf ihre Stärken lenken und, was noch wichtiger ist, ihren regionalen Einfluss aufrechterhalten. 

Ein schwerer Rückschlag

Eine wichtige Stärke Chinas und Russlands sind ihre jeweiligen Streitkräfte, die beide in relativ kurzer Zeit modernisiert wurden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihre Zusammenarbeit im Bereich der Technologie, insbesondere der Militärtechnologie, stetig und intensiv ist. Mit gemeinsamen militärischen Demonstrationen können beide Länder zeigen, dass sie in der Lage sind, ihren Status aufrechtzuerhalten, und dass sie in der Lage sind, einen Kampf zu beginnen, wenn sie es wollen.

Doch Chinas militärische Fähigkeiten weisen einige gravierende Mängel auf. Einem kürzlich erschienenen US-Bericht zufolge ist ein chinesisches Angriffs-U-Boot mit Nuklearantrieb in diesem Sommer in seinem Dock gesunken, während es sich im Bau befand – ein schwerer Rückschlag für die Marine und ein Hinweis darauf, dass das chinesische Militärprogramm zwar boomt, aber möglicherweise Qualität zugunsten von Schnelligkeit geopfert wird.

Dennoch wird China seine auf Verteidigung basierenden Beziehungen zu Russland wahrscheinlich fortsetzen und riskiert dabei sogar Konflikte mit seinen regionalen Verbündeten. Anfang dieser Woche kritisierte Vietnam einen Angriff chinesischer Ordnungskräfte auf vietnamesische Fischer in der Nähe einer umstrittenen Insel, während Malaysia seine Bohrungen in einem umstrittenen Gebiet im Südchinesischen Meer trotz der neuen militärischen Haltung Pekings verstärkt hat. Diese Vorfälle zeigen, dass China möglicherweise das Gegenteil von dem erreicht, was es will: ein gefürchteter Akteur im asiatisch-pazifischen Raum zu sein. Seine wirtschaftlichen Probleme und die Defizite seines Militärs schaden dem Land ersichtlich.

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Christoph Kuhlmann | So., 13. Oktober 2024 - 09:08

Das kann man von deutschen Investoren nicht sagen. Entweder sie investieren gerade oder sie sind bereits so abhängig vom chinesischen Markt, den eine kommunistische Diktatur kontrolliert, dass sie der Bundesregierung in den Ohren liegen, sie möge ähnliche Zölle in Europa verhindern. Die Bundesregierung spurt. Ich hoffe sämtliche Kosten einer potenzielles Konfliktes werden durch die Firmen und ihre ihre Aktionäre selbst getragen und nicht durch die Steuerzahler. Sie müssen endlich die Bedeutung des Satzes, frag nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst, kennen lernen.

Albert Schultheis | So., 13. Oktober 2024 - 10:47

Man kann nur bei der kommenden US-Wahl auf einen Sieg Donald Trumps hoffen! Nur er wäre in der Lage, den widerwärtigen, jeder Vernunft widersprechenden, aus rein westlicher Hybris geborenen Krieg in der Ukraine zu beenden! Aber genau das ist der Grund, weshalb die Überlebenschancen des Orange Man mit jedem Tag weiter schwinden - alle Wahrscheinlichkeiten sprechen dafür, dass Trump den Tag seiner Wahl nie erleben wird! Zu gewaltig sind die Interessen in den USA und diesseits des Atlantik, die diesen irren Krieg fortsetzen wollen, obwohl er offensichtlich längst verloren ist. Als ehemaliger Grünenwähler kann ich nur sagen, dass die heutigen Grünen alle Prinzipien verraten haben, für die sie einmal standen. Das gleiche gilt für den Liberalismus der FDP, für die Sozialdemokratie der SPD wie für den Konservatismus der SchwarzKristen! Alles Verräter an ihrem eigenen Wahlvolk - ja, Volks-Verräter!

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