- Kein Palästina ohne Israel
Nur ein zwischen Israel und den Palästinensern ausgehandelter Frieden bringt Stabilität in den Nahen Osten. Abbas' Gang zur UNO bringt die Palästinenser keinen Schritt näher an einen wirklich souveränen Staat, sondern belastet den ohnehin fragilen Friedensprozess.
Es wird kein leichter Gang für Mahmud Abbas. Geht er doch einen Weg, dessen Ende bereits vorhersehbar, dessen Scheitern bereits feststeht. Abbas weiß das und wird ihn dennoch gehen, diesen Weg. Zu groß ist der Druck, den er letztlich selbst erzeugte, zu groß sind die Erwartungen, die er mit seinem Vorhaben weckte. Wenn Abbas am Freitag vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die Anerkennung des palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 sowie die Vollmitgliedschaft in der UN wirbt, dann macht er dies in der Gewissheit zu scheitern. Sein Anliegen ist lediglich noch von symbolischem Wert. Eine Symbolik, von der allerdings das falsche Signal ausgeht. Die Anerkennung von Staatlichkeit sollte am Ende eines Friedensprozesses stehen, sollte Ziel und Anregung für Palästina zugleich sein und nicht Mittel, um der eigenen Bevölkerung zu signalisieren, dass man den Großen in der Weltpolitik die Stirn bietet.
Selbst, wenn es eine Mehrheit für das umstrittene palästinensische Anliegen in der Generalversammlung geben wird, was wahrscheinlich ist, wird das palästinensische Anliegen im Sicherheitsrat, dem tatsächlichen Entscheidungsgremium der Vereinten Nationen, keinen Erfolg haben. Die USA haben bereits angekündigt, dort ihr Veto einzulegen.
Alle Beteiligten wissen das. Sie wissen auch, dass ein lebensfähiger, souveräner Staat Palästina nicht per Abstimmung in den UN, sondern nur durch direkte Verhandlungen mit Israel, nur im Zuge eines Friedensvertrages zwischen Israelis und Palästinensern zu erlangen ist. Der Versuch des Palästinenserpräsidenten Abbas über den Umweg UN Druck auf Israel auszuüben, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken, erinnerte von Anfang an den trotzigen Versuch, mit dem berühmten Kopf durch die berühmte Wand zu wollen. Druck hat jetzt vor allem Abbas selbst. Er hat seine Position und die der Palästinenser geschwächt, hat gezeigt, dass er unberechenbar ist, hat sich und seine Bevölkerung in eine Situation manövriert, in der es unmöglich erscheint, dass alle Parteien gleichermaßen ihr Gesicht wahren. Abbas' Vorstoß ist kontraproduktiv für die Friedensverhandlungen in Nahost und schürt Erwartungen in der palästinensischen Bevölkerung, die nicht zu erfüllen sind. Er hat sich unnötigerweise in eine Position gebracht, in der es nach eigenem Bekunden „kein zurück mehr“ gibt.
So arbeitet dann auch hinter den Kulissen das diplomatische Nahost-Chor daran, Schlimmstes zu verhindern, damit nicht mehr noch als nur diplomatisches Glas zerbricht. Barack Obama selbst verhandelte noch am Donnerstagabend mit Abbas, ist händeringend auf der Suche nach einem Kompromiss, bei dem alle Seiten ihr Gesicht wahren können.
Dabei ist Obama nicht ganz unschuldig an der Entwicklung. Abbas' Gang vor die UN ist auch Obamas ganz eigener Nahoststrategie geschuldet. Es war kein geringerer als der US-Präsident, der den Palästinensern die Aussicht auf Aufnahme in die UNO im vergangenen Jahr in Aussicht stellte. Dies geschah, nachdem Israel und die Palästinenser erstmals seit 2008 wieder direkte Verhandlungen aufgenommen hatten. Die Verhandlungen wurden relativ schnell wieder eingefroren, doch die palästinensische Hoffnung auf Anerkennung bei der UNO blieb. Insofern setzte Obama auf palästinensischer Seite eine Dynamik in Gang, in dessen Verlauf sich alles auf die Aufnahme Palästinas in den erlauchten Kreis der UN konzentrierte und die Forderung nach direkten Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern gleichermaßen in den Hintergrund rückte.
Klar ist: Es muss ein Szenario verhindert werden, das die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern zusätzlich erschwert. Abbas' Gang vor die UN beschreibt aber genau ein solches Szenario. Spätestens nach dem Scheitern der palästinensischen Bemühungen, könnte sich die Stimmung in der Bevölkerung radikalisieren. Hamas und andere extremistische Gruppierungen würden sich in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber Israel bestätigt fühlen. Die Enttäuschung der palästinensischen Bevölkerung wäre vorherbestimmt, das Risiko eines möglichen Gewaltausbruches würde steigen. Die arabischen Proteste wurden bislang nur am Rande von antiisraelischen Ressentiments flankiert. Auch das könnte sich schnell ändern.
Mit einer möglichen Anerkennung Palästinas durch die UNO nimmt man Israel ein entscheidendes Mittel, um die Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch zu locken. Würde es eine Anerkennung Palästinas außerhalb von Friedensgesprächen geben, dann gäbe es für die Palästinenser einen gewichtigen Grund weniger in konstruktive Friedensverhandlungen, in direkte Gespräche mit Israel zu treten. Es wäre das völlig falsche Signal, die Verweigerungshaltung der palästinensischen Seite an den Verhandlungstisch mit Israel zurückzukehren durch die staatliche Anerkennung Palästinas quasi zu belohnen.
Unklar ist, für wen Abbas eigentlich spricht. Spricht er für die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO, die einzige palästinensische Organisation, die Beobachterstatus bei der UNO hat? Ihr aber gehört beispielsweise die Hamas nicht an. Oder spricht er in Vertretung aller Palästinenser, was wiederum die Hamas und andere Radikale einschließen würde?
Problematisch wird der Auftritt Abbas', blickt man in die vorhandenen Verträge zwischen Israelis und Palästinensern. Denn der Vorstoß der Palästinenser vor der UNO verstößt gegen bestehende UN-Resolutionen und Verträge. Die UN-Resolutionen 242 (1967) und 338 (1973) sowie die Verträge von Oslo als auch die „Roadmap“ verpflichten zu einvernehmlichen Lösung des Konflikts durch Verhandlungen und nicht durch einseitige Initiativen, die nicht mit der Gegenseite abgesprochen sind.
Auch sind, bei aller Sympathie und allem Verständnis für den palästinensischen Wunsch auf Eigenstaatlichkeit, wichtige Grundvoraussetzungen für einen palästinensischen Staat bei weitem nicht erfüllt. In der Frage des Schutzes von Minderheitenrechten und in Fragen von Sicherheit und Kontrolle das eigene Staatsgebiet betreffend, liefern die Palästinenser noch kein wirklich überzeugendes Konzept.
Fest steht: Das palästinensische Kind ist in den Brunnen gefallen. Alle Beteiligten sind jetzt aufgerufen, die verfahrene Situation zu entschärfen. Bei aller Unfähigkeit der palästinensischen Führung, muss der Wunsch der palästinensischen Bevölkerung nach Souveränität jedoch ernst genommen werden. Dass es einer Zweistaaten-Lösung bedarf, steht außer Frage. Auch der Versuch diese gewaltlos und auf diplomatischem Weg zu erreichen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Der Versuch von Abbas jedoch, diesen Gang ohne Absprache mit Israel zu gehen, ist eher Rückschritt denn ein möglicher Fortschritt in den Bemühungen Israelis und Palästinenser zu versöhnen. Es ist ein Rückschlag für das Bemühen um palästinensische Eigenstaatlichkeit gleichermaßen wie es die Chance auf echten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ein weiteres Mal unterläuft.
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