Eine Frau trägt auf der Liverpool Street am 23.06.2016 in London, am Tag der Abstimmung beim Referendum über den Austritt oder Verbleib Großbritanniens in der EU, eine Handtasche mit einem Aufkleber mit der Aufschrift "Don't let someone else decide your future - Vote remain" für den EU-Verbleib.
Wie wahrscheinlich ist bei einem zweiten Referendum der Verbleib in der EU? / picture alliance

Brexit - Wir wollen die Kontrolle über unsere Zukunft zurück!

Das Brexit-Chaos entfacht Hoffnung bei den Remain-Aktivisten. Sie fordern ein zweites Referendum. Die junge Britin Nina Parker schildert, warum sie der Meinung ist, dass die Bürger das letzte Wort haben sollten, wenn der Deal auf dem Tisch liegt

Autoreninfo

Nina Parker ist eine britische Aktivistin, die sich in verschiedenen Initiativen und Graswurzelbewegungen gegen den Brexit einsetzt. Sie ist Mitbegründerin von „Young Labour for a final Say“ und arbeitet  bei „Best for Britain“.

So erreichen Sie Nina Parker:

Es war die größte Niederlage für einen Premierminister in der Geschichte Großbritanniens. Der Brexit-Deal von Theresa May und ihrer Regierung wurde vom Parlament mit 432 zu 202 Stimmen abgelehnt. Seitdem befindet sich unser Parlament in einer Sackgasse. Ob sich nun Mehrheiten jenseits der Grenzen von Koalition und Oppositionen finden werden, ist ungewiss. Es droht nach wie vor der No-Deal. Was also ist jetzt zu tun?

Im Grunde war der abgelehnte Brexit-Deal ein guter erster Schritt zur nächsten Hürde: Die Frist für den inzwischen berühmten Artikel 50 muss verlängert werden. Aus diesem Grund:

Wenn sich weder die Regierung noch das Parlament einigen können, dann sind es wir Bürger, die erneut abstimmen müssen. Wir müssen ein zweites Referendum abhalten können und über unsere Zukunft entscheiden – frei von Falschbehauptungen, illegalen Aktionen, frei von Lügen und und frei von gebrochenen Versprechen. Wenn weder die Regierung einen besseren Deal mit der EU aushandeln kann, noch die Opposition, dann müssen wir – die Bürger – erneut Verantwortung übernehmen dürfen. 

Protestmarsch für den Brexit
Anti-Brexit-Protest in London

EU schützt Frauen- und Minderheitenrechte

Warum kämpfe gerade ich gegen den Brexit? Weil die Rechte von Frauen und Minderheiten außerhalb der EU gefährdet sind. Darum werde ich weiterkämpfen für ein zweites Referendum, um die Rechte von Frauen, Minderheiten, EU-Bürgern und im Ausland lebenden Briten zu garantieren. Was die EU dazu beigetragen hat, um die Frauenrechte und Gleichheit in Großbritannien zu stärken? Als eine Aktivistin für Frauenrechte werde ich das oft gefragt.

Auf diese Frage antworte ich immer zuerst, dass die „Gleichheit zwischen Mann und Frau“ ein Grundsatz seit der Gründung der EU 1957 ist. Die EU hat außerdem durch ihre Gesetzgebung beispielsweise die Elternzeit für beide Partner ermöglicht, sowie gleiche Bezahlung, Schutz vor Diskriminierung, spezielle Förderung für von Frauen geführte Projekte und Schutz gegen Menschenhandel und Belästigung. Darüber hinaus schützen uns die EU-Gesetze über die Ländergrenzen hinweg. Sie stellen sicher, dass zum Beispiel einstweilige Verfügungen in allen EU-Ländern umgesetzt werden.

Wir könnten unsere Rechte verlieren

Und das Beste daran ist, dass diese Gesetze Frauen schützen und dass jede Regierung der Gegenwart und Zukunft an sie gebunden ist. Kein Staat kann diese Gesetze abschaffen. Polen könnte es versuchen, Ungarn könnte es versuchen. Aber solange sie Teil der EU sind, werden sie scheitern. Es mag vielleicht unrealistisch erscheinen, dass Großbritannien nach einem Brexit all diese Rechte zum Schutz für Frauen und Minderheiten zurücknehmen würde. Fakt aber ist, es wäre möglich. Verlassen wir die EU, verlieren wir auch diesen Schutz. Wir könnten all das neu erstreiten müssen, was längst erstritten ist. Warum? Ich sehe das nicht ein.

Ich gehöre zu den 80 Prozent junger Frauen zwischen 18 und 24 Jahren, die 2016 für den Verbleib gestimmt haben. Wir sind die größte demographische Gruppe, die sich gegen den Brexit positioniert. Inzwischen sind viele weitere junge Frauen wahlberechtigt, die 2016 noch nicht wählen durften. Auch deren Stimme kann jetzt gehört werden. Wir wissen, dass 77 Prozent aller jungen Wähler – Männer und Frauen – in einem zweiten Referendum für den Verbleib in der EU stimmen würden. Unsere Generation will wieder die Kontrolle über die eigene Zukunft übernehmen!

Mehrheit bei erneuter Befragung für den Verbleib

Wir haben Wahlbefragungen durchgeführt, die darauf hindeuten, dass inzwischen zwei Drittel der Wahlkreise in Großbritannien jetzt wieder in der EU bleiben wollen. In 422 von 632 Wahlkreisen in England, Schottland und Wales gibt es jetzt viele Menschen, die für den Verbleib in der EU sind.

Zweieinhalb Jahre hatten die Politiker Zeit, einen Brexit auf den Weg zu bringen. Sie sind damit gescheitert. Die Sackgasse bleibt eine Sackgasse. Der beste Weg nach vorne liegt also darin, den Rückwärtsgang einzulegen, eine Entscheidung zurückzunehmen.

Ich will als Bürger das letzte Wort haben, ob für die konkreten Bedingungen zum Ausscheiden aus der EU und auch für die Option zu bleiben. Ich kämpfe weiter. Ich kämpfe demokratisch, um den Brexit zu stoppen.

Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik, sagen die einen. Die Politik interessiert sich nicht für die jungen Menschen und ihre Anliegen, sagen die anderen. Tatsache ist: Politik wird mehrheitlich von älteren Leuten gemacht und zunehmend auch für ältere Leute, denn die bilden den größten Anteil der Wähler. Mit unserer Serie „Junge Stimmen“ wollen wir darum jenen Gehör verschaffen, die schließlich auch unsere Zukunft sind. Dieser Beitrag macht den Auftakt.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Christa Wallau | Fr., 8. Februar 2019 - 16:38

Diese junge Britin, eine erklärte Kämpferin für Frauen- und Minderheitenrechte,verwechselt i h r e Interessen mit denen vieler anderer, besonders älterer Menschen, die über Lebenserfahrung verfügen.

Es geht in der EU in erster Linie nicht um Rechte, sondern um Pflichten, und zwar im Falle Großbritanniens um Nettozahlungen und die Bindung an a l l e gemeinsamen Verträge, z. B.
in Handelsangelegenheiten. Außerdem marschiert die EU immer mehr auf eine Haftungsunion zu, was den vernünftigen Briten - Zu recht! - ein Dorn im Auge ist. Ganz zu schweigen von der
Migrationspolitik des wichtigsten Mitgliedslandes, Deutschland, das - in den Augen der meisten Briten - von allen guten Geistern verlassen ist.

Das alles dürfte schwerer wiegen als die Wünsche einer jungen Frau nach persönlichem Wohlbefinden und der Befürchtung, in GB könnten die Frauenrechte evtl. wieder beschnitten werden.

Ich bin überzeugt: Auch ein neues Referendum
brächte kein anderes Ergebnis als das alte.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 9. Februar 2019 - 07:49

Antwort auf von Christa Wallau

liebe Frau Wallau, wie immer treffsicher analysiert. Danke. Ich mag zu diesem Thema auch nicht mehr schreiben. Da haben hier schon ganz viele Kommentatoren in ihrem Sinne und weiteren Argumenten alles gesagt.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 9. Februar 2019 - 10:45

Antwort auf von Christa Wallau

den Artikel wollte ich mir schon nicht antun.
Frauenrechte könnten in GB wieder beschnitten werden?
Auf welchem Planeten ("im Andromedanebel") lebt die Autorin?
Die Briten hatten über Jahrzehnte Königinnen und auch schon vor Jahrhunderten, vielleicht gefällt deshalb Frau May so?
Jedenfalls haben die Deutschen sich nicht getraut, die weibliche Linie Königin Viktorias in ihre wilhelminische zu integrieren.
Ich hatte den Eindruck Preussen würde nur Söhne gebären.
Dem war nicht so!
Die Briten ertragen das Deutsche bei sich, umgekehrt wohl nicht?
Dabei war Viktoria so ziemlich das, was man deutsch nennt.

Dorothee Sehrt-Irrek | Sa., 9. Februar 2019 - 12:06

Antwort auf von Christa Wallau

Entscheidungen nicht als reine Zukunftsentscheidungen, also von einem nicht gekannten Ende her, zu fällen.
Vielleicht fällt Frau Parker in 10 Jahren ein, dass ihre Zukunft in Patagonien liegt oder in 20 Jahren dann vlt. schon auf dem Mond?
Immer diese evtl. Versuche Raum und Zeit auszutricksen?
Darüberhinaus ist bekannt, dass sehr betagte Leute, die wo auch immer leben, kein Interesse an einem Brexit haben?
Ich würde mich freuen, wenn die Briten bleiben, aber es ist nicht meine Entscheidung.

Trevor Parker MDPhD | So., 10. Februar 2019 - 15:39

Antwort auf von Christa Wallau

Ich moechte Ihnen klar Recht geben.
Die Globalisten und die Londoner City verabscheuen den Brexit.
Die Mehrheit of Middle England (nicht nur geographisch) wird wieder im Falle eines Referendums mit "We want Brexit stimmen". Die Junk(er)s und Barniers und Tusks zeigen den Englaender taeglich, was die EU bedeutet.
Die linke Frau vertritt ihre Interessen ganz klar, nicht die Interessen von Middle England.
Ich war Abt-Leiter im NHS und kann sagen, dass der Brexit der Gesundheitsversorgung eher nuetzen wird als schaden.
greetings

Werte Frau Wallau, ich kann Ihrem Beitrag vollstens zustimmen.
Die ÖR-Medien wollen uns die EU einfach nur als gut für D verkaufen, bzw. sie tun es bereits massiv.
So z. B. in einer der letzten Phoenix-Runden, wo erklärt wurde, dass der Euro nur stabil bleiben können, wenn wir eine Schuldenunion (Gesamtschuldnerische Haftung) aller Länder hätten.
So ein Unsinn.
Die Schulden der anderen Länder, unsere Target 2-Salden, belasten den Euro u. die gesamte EU-Wirtschaft.

Die EU, so wie jetzt, wird es mittelfristig zerreißen.

Jürgen Lehmann | Fr., 8. Februar 2019 - 17:19

Wie bereits in einem früheren Kommentar erwähnt:
das Brexit-Referendum ist Geschichte und dabei sollte es auch bleiben.
An dieser (meiner) Meinung können auch noch so viele junge Britinnen nichts ändern.

herbert binder | Fr., 8. Februar 2019 - 18:28

Antwort auf von Jürgen Lehmann

Sie, lieber Herr Lehmann, und auch Frau Wallau, drücken
aus, was Sache ist. Aber so ist das Muster: wenn irgendwem
das Ergebnis nicht paßt, "muß" natürlich erneut abgestimmt werden, selbst wenn die Begründung noch so hanebüchen ist.
Dabei war 2016 gerade bei den bis 35jährigen die Wahlfreude
unfaßbar niedrig (bei den bis 24jährigen sogar schlafmützig).
Das scheint die Autorin zu ignorieren. Vertan ist vertan! Somit gilt für a l l e Briten: seht zu, daß ihr jetzt das Beste daraus macht (meine Sympathie habt ihr, wenn's denn nützt).
Übrigens: Bei der Lektüre habe ich ein "sponsored by CICERO"
ständig mitgelesen.

ingrid Dietz | Sa., 9. Februar 2019 - 18:39

sogen. "Steueroasen"(Luxemburg, NL u.a.) sogar offiziell geduldet werden, so lange braucht MIR kein Politiker, etc. etwas von "gemeinsamen Werten" erzählen und so lange werde ich wieder einmal EU-kritisch wählen !

Rob Schuberth | So., 10. Februar 2019 - 18:13

der Jugend in GB, die anscheinend viel zu spät aufgewacht ist, sage ich nur"Wer zu spät kommt den bestraft das Leben". Unwissenheit schützt eben nicht vor Strafe. Sie hätten ja dagegen stimmen können, aber ihnen waren andere Dinge wichtiger... Und nun.... Shit happens.