N-VA-Vorsitzender Bart De Wever (l.) und König Philippe von Belgien / dpa

Belgien ohne Brandmauer - Rechte führen neue Regierungskoalition an

Mehr als 230 Tage nach der Parlamentswahl steht fest: In Belgien wird die Regierung von der rechten N-VA aus Flandern angeführt. Wie viel Einfluss werden die Nationalisten haben?

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Mit Belgien bekommt ein weiterer EU-Staat eine von Rechten angeführte Regierungskoalition. Die migrationskritischen flämischen Nationalisten der N-VA einigten sich mit vier weiteren Parteien auf die Bildung einer Koalition. Regierungschef soll der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever werden. Der 54-Jährige war bislang Bürgermeister der Hafenstadt Antwerpen. Ein drastischer Rechtsruck ist in Belgien allerdings nicht zu erwarten, da die anderen Parteien der Mitte zusammen weiter eine klare Mehrheit haben.

Parteien formen „Arizona-Koalition“

Die N-VA, die unter anderem mehr Autonomie für den wirtschaftsstärkeren Landesteil Flandern anstrebt, war bei der Wahl für eine neue Abgeordnetenkammer im Juni stärkste Kraft geworden. Gemeinsam mit der liberalen Partei MR aus der französischsprachigen Wallonie, den Christdemokraten aus beiden Landesteilen (Les Engagés und CD&V) sowie den flämischen Sozialdemokraten (Vooruit) soll nun eine sogenannte Arizona-Koalition gegründet werden.  

Der Name ergibt sich aus den Farben der Parteien, die mit denen der Flagge des US-Bundesstaates übereinstimmen: Orange (CD&V), Blau (MR und Les Engagés), Rot (Vooruit) und Gelb (N-VA).

Ziel der neuen Regierung ist vor allem ein Abbau der großen Schuldenlast sowie der Neuverschuldung Belgiens. Erwartet werden demnach drastische Reformen mit schweren Einschnitten in den Sozialstaat. Wann die Regierung antreten kann, blieb zunächst unklar. „Der Termin für die Vereidigung des Premierministers und der Regierungsmitglieder wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben“, teilte der Königspalast mit.

De Wever schrieb nach der Einigung auf der Plattform X: „Alea iacta est“ („Der Würfel ist gefallen“). Der Chef der liberalen Partei MR aus der Wallonie, Georges-Louis Bouchez, kommentierte: „Heute Abend wird die Zukunft klarer. Für Belgien. Für jeden Belgier. Wir sind bereit.“ Die Partei wurde bei der Wahl im Juni drittstärkste Kraft hinter dem radikal rechten Vlaams Belang aus Flandern.

N-VA bislang in der Opposition

Bereits bei der vergangenen Parlamentswahl 2019 hatte die N-VA die meisten Stimmen bekommen, war jedoch in der Opposition geblieben. Erst nach rund 16 Monaten Verhandlungen stand damals die sogenannte Vivaldi-Koalition aus sieben Parteien – den Grünen, den Liberalen und den Sozialdemokraten aus beiden Landesteilen sowie den Christdemokraten aus Flandern.

Die N-VA bezeichnet sich selbst als „eurorealistische Partei“, die sich traue, Fragen zur Arbeitsweise der EU zu stellen. Die Staatengemeinschaft dürfe nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Weiter heißt es auf der Webseite der Partei: „Die EU kann nur dann auf genügend Rückhalt rechnen, wenn sie in der Lage ist – bzw. sich traut –, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“  

Ein Ziel der Partei ist eigenen Angaben nach ein unabhängiges Flandern als Mitgliedsstaat von Europa. „Der Weg dorthin soll Schritt für Schritt zurückgelegt werden, und zwar auf demokratische Weise“, heißt es auf der Webseite. Ob die neue Regierungskoalition versuchen wird, den Regionen in Belgien mehr Autonomie zu geben, bleibt abzuwarten.  

Im Europäischen Parlament sind die N-VA-Abgeordneten Mitglied der konservativ-rechten EKR-Fraktion, zu der unter anderem auch die Abgeordneten der Partei Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehören.

Meistens langwierige Regierungsbildungen in Belgien

Regierungsbildungen in Belgien sind kompliziert und zumeist langwierig. Das liegt unter anderem auch daran, dass die meisten Parteien entweder in der französischsprachigen Wallonie oder im niederländischsprachigen Flandern antreten. Der König spielt dabei eine Vermittlerrolle.  

Insgesamt waren gut acht Millionen Belgier zur Wahl aufgerufen. In Belgien herrscht Wahlpflicht. Nichtwählern, die ohne richterlich akzeptierten Grund keine Stimme abgeben, droht eine Strafe. 

Quelle: dpa

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Volker Naumann | So., 2. Februar 2025 - 09:50

Wenn das so weiter geht, ist Deutschland bald der Geisterfahrer in Europa und beschwert sich, alle fahren falsch rum.

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal!

MfG

Ernst-Günther Konrad | So., 2. Februar 2025 - 10:12

Uih, wieder ein "rechter" Staat direkt neben uns. Brauchen wir Panzer und Soldaten, droht uns von allen Seiten der Faschismus in Form gewählter rechter Regierungen? Rüstet Meloni eigentlich Italien auf? Wurde der Duce wieder ausgegraben? Droht uns Orban mit Ungemach, gar mit einem Überfall? Überall wabert das "rechte Gespenst" durch Europa und die wackeren Deutschen, sie wollen partout an die links-grüne Apokalypse glauben und organisieren bezahlte Demos gegen rechts. Und jetzt auch noch die Belgier. Vielleicht werden wir in Deutschland zum gallischen Dorf Belgiens? Mit Olaf auf dem Schild, Baerbock als Gute Mine und Habeck als Barde? Und der Sauerländer als Fischverkäufer bekommt sie nur nicht los. Und Lindner als Idefix verliert sein Fell und seine kläffende Stimme. Ach herrlich. Es ließen sich tolle Geschichten schreiben, wenn die Lage bei uns im Land nicht so bitterernst wäre. Während ein Land nach dem anderen in Europa erwacht, taumeln wir immer noch durch das Sekten Nirwana.

Hallo Herr Konrad, keine Angst Luxemburg wird uns dann Verteidigen!, DE ist dazu ja selber nicht mehr in der Lage!, mit Holzgewehren bei der BW kann man die BÖSEN RECHTEN nicht aufhalten!

Stefan | So., 2. Februar 2025 - 10:54

Wieder ein Nachbarland in dem die Bürger eine rechtsnationale Regierung an den Start gebracht haben.
Die Frage nach dem warum erübrigt sich.
In Deutschland sollte man sich die Frage eher stellen, ob solches Theater wie in der vergangenen Woche im Bundestag,ob der Not in der sich unser Land befindet, überhaupt gerechtfertigt ist und ob sich vor den Nachbarländern nicht eher geschämt werden müsste.
Und ja, natürlich wird in Belgien die gewählte, legitime Regierung Einfluss haben.
Es wäre auch traurig wenn nicht.

Gerald Gfröschl | So., 2. Februar 2025 - 11:45

Anscheinend ist Deutschland das einzige Land in der EU wo das Linkskartell inkl. Merz CDU meint, weiter eine Regierung gegen die große Mehrheit der Bevölkerung, die wieder Konservative, also Mitte + Rechts der Mitte und ja da gehörten die Blauen dazu, machen will!! Wie lange meint dieses Kartell, dass sich der Bürger diese Politik noch anschauen wird!!?? Herr Merz versucht ja jetzt schon mit RotGrün die neue Regierung auszuhandeln, also quasi höchsten Stillstand, wahrscheinlich noch weiterer Absturz!!

Tomas Poth | So., 2. Februar 2025 - 12:16

Es geht doch. Es ist der Zeitenwandel der weiter vorschreitet. Die Besinnung, der Abschied von sozialistischen Kollektiven ist voll im Gange. Weiter so, auf gehts, auch in Deutschland. Freiheit und mehr Demokratie. Weniger Bürokratismus und weniger Abzocke der Bürger, damit das Bürokratiemonster ausgehungert wird.
Die Null-Diät für das Brüsseler EU-Monster kommt auch auf den Gesundungsplan!

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 2. Februar 2025 - 14:17

SPD dazu eine winzige Minderheitenposition vertreten, vielleicht auch nur privat.
Wenn man als junger Mensch Jaques Brel singen hörte "Mein flaches Land, mein Flanderland", wenn man Charles de Coster "Till Ulenspiegel" gelesen hat, dann weiss man um die Sehnsucht der Flamen?
Ich hatte eigentlich gehofft, dass mit der EU auch die Möglichkeit wachsen würde, kleineren Gebilden, die früher nur eingemeindet existieren konnten, doch ihre Eigenständigkeit zurückzugeben oder wenigstens zu stärken.
Das vertrete ich tendenziell gegenüber Spanien und eben Flandern in Belgien.
Ist Tirol auch so ein Land?
Es ist mir klar, dass man Länder nicht einfach so wegbrechen lassen kann.
Dann bedarf es aber eines hohen Masses an Autonomie.
Es ist schon erstaunlich, dass Deutschland dies meistert als evangelisches und katholisches Land!
Alles keine Selbstverständlichkeit.
Ich glaube jedenfalls nicht, dass sich die EU eignet als Verfügungs-Macht nach Innen.
Es braucht viel Verstehen...
Jaques Brel RIP