- Kalter Krieg der Währungen
China hat den Yuan drei Tage in Folge abgewertet. Und das ist kein Einzelfall: Weltweit werten Notenbanker die eigenen Währungen ab. Die Situation ist nicht vergleichbar mit historischen Währungskriegen. Gefährlich werden kann es aber trotzdem
Wer den ersten Schuss abgegeben hat, lässt sich gar nicht so leicht sagen. Waren es die Amerikaner nach der Lehman-Pleite 2008? Oder die Japaner Ende 2012? Spätestens seit Anfang März ist auch die Eurozone mit dabei, als die Europäische Zentralbank eine der letzten Waffen aus ihrem Arsenal holte und ihr Aufkaufprogramm für Staatsanleihen startete, mit dem sie 18 Monate lang mehr als eine Billion Euro in die Finanzmärkte drückt.
Und spätestens seitdem EZB-Präsident Mario Draghi den Startknopf für dieses Programm betätigt hat, das im Jargon der Zentralbanker Quantitative Easing oder monetäre Lockerung heißt, taucht auch hierzulande in der ökonomischen Debatte immer häufiger der düstere Begriff des Währungskriegs auf.
Die ersten Konsequenzen eines weltweiten Abwertungswettlaufs der Währungen sind zumindest sichtbar. Ein Blick auf den Kurs des Euro reicht. Der Rückgang ist atemberaubend. Während man vor einem Jahr noch fast 1,40 Dollar hinlegen musste, um einen Euro zu bekommen, sind es jetzt nur noch 1,14 Dollar. Das entspricht einem Kursverlust von knapp 20 Prozent.
Abwertung für den Wettbewerbsvorteil
Und die EZB ist bei weitem nicht die einzige Notenbank, die sich in den letzten Monaten durch eine expansive Geldpolitik hervorgetan hat. Allein seit Dezember haben weltweit mehr als 20 Zentralbanken ihre Geldpolitik gelockert, darunter auch die von China, Indien, einer Reihe europäischer Nicht-Euro-Länder sowie Australien und Kanada.
Die Idee ist überall dieselbe: Durch die Abwertung der eigenen Währung wollen sich die Länder einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Denn wenn beispielsweise der Euro billiger wird, sinken die Preise europäischer Waren für Käufer außerhalb der Eurozone.
Ein Beispiel: Ein deutsches Auto zum Preis von 30 000 Euro kostete in den USA beim oben genannten Wechselkurs von 1,40 Dollar vor einem Jahr noch 42 000 Dollar. Heute bekommt es ein amerikanischer Kunde schon für 34 200 Dollar. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Eurozone hat sich also ohne deren Zutun stark verbessert.
Abhängigkeit von importierten Vorleistungen
Durch höhere Exporte könnten neue Arbeitsplätze entstehen, die Konjunktur würde endlich anspringen, höhere Steuereinnahmen ließen die Staatsschulden sinken, und die Währungsunion könnte endlich aus der Krise herauswachsen. Da gleichzeitig die Importe in die Eurozone teurer werden, könnten sich diese positiven Effekte durch eine anziehende Binnennachfrage sogar noch verstärken.
Fachleute rechnen damit, dass Draghis Politik der Eurozone in diesem Jahr einen halben Prozentpunkt mehr Wachstum bringen wird. Vorausgesetzt, der Euro bleibt auf seinem derzeitigen Niveau.
So weit die Theorie. In der Praxis der globalisierten Welt ist die Lage etwas komplizierter. So sind heutzutage viele Unternehmen in ihrer Produktion von importierten Vorleistungen abhängig. Die verteuern sich nach einer Abwertung natürlich ebenfalls. Dadurch steigen die Produktionskosten, und der Effekt der Abwertung wird reduziert.
Aber erlebt die Welt wirklich gerade einen Währungskrieg? Wenn überhaupt, ist es ein kalter Krieg, und angesichts der vielen Teilnehmer an dem Abwertungswettlauf läuft es auf ein Nullsummenspiel hinaus. Ein Währungskrieg wie in den dreißiger Jahren mit Kapitalverkehrskontrollen, Importverboten, Protektionismus, einer versuchten Rückkehr zum Goldstandard, Hyperinflation und dem daraus resultierenden Zusammenbruch des Welthandels ist heute ohnehin weder denk- noch umsetzbar. Dafür sind die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten viel zu groß, und das Kapital lässt sich international viel zu leicht verschieben.
Gefahr einer hohen Inflation
Trotzdem bleibt die Frage, ob die Abwertungsstrategie Draghis ausreicht, um Europa aus der Krise zu führen. Das hängt davon ab, wie lange die wichtigen Handelspartner außerhalb der Eurozone, wie die USA, China und Großbritannien, seine Politik tolerieren.
Briten und Amerikaner werden die Europäer erst mal gewähren lassen. Alles andere wäre auch absurd, haben sie doch selbst bereits zur Bekämpfung der Folgen der Finanzkrise mit ihrem eigenen Quantitative Easing einen großen Schluck aus der Abwertungspulle genommen. Gerade in Amerika ist die Konjunktur stark. Wegen eines stärkeren Dollars wird sie nicht einbrechen. Auch wenn US-Exportfirmen leiden, wird die US-Wirtschaft auf Kurs bleiben, weil 70 Prozent des US-Sozialprodukts durch die Binnennachfrage erzielt werden. Die größte Sorge der USA gilt nicht dem starken Dollar, sondern dem schwachen Wachstum im Rest der Welt. Beim Weltwirtschaftsforum Ende Januar in Davos hat die US-Handelsministerin Penny Pritzker die EZB sogar ausdrücklich gelobt: „Es ist gut für Europa und die Weltwirtschaft, dass Mario Draghi diesen Stimulus durchführt.“
International könnte es schon eher Richtung eines heißen Währungskriegs gehen: Wenn die Weltwirtschaft dauerhaft abhängig wird vom Gelddoping durch die Notenbanken, dann steigt langfristig die Gefahr einer hohen Inflation.
Große Kursschwankungen mit großen Konsequenzen
Ein anhaltender Abwertungswettlauf der Währungen brächte noch eine weitere Gefahr mit sich: Er würde zu wesentlich stärkeren Schwankungen auf den Devisenmärkten führen, weil internationale Investoren ihr Geld immer schneller in die jeweils gerade am sichersten erscheinenden Häfen transferieren würden.
Größere Kursschwankungen haben ihren Preis. Für international agierende Unternehmen würde es deutlich teurer, sich gegen Kursveränderungen an den Finanzmärkten abzusichern. Deutschland als Exportnation wäre davon besonders stark getroffen, weil die Ausfuhren hier beträchtlich zur Wertschöpfung beitragen. Die durch Abwertungen ausgelösten höheren Absicherungskosten könnten aber auch den Welthandel insgesamt eintrüben zum Schaden aller – ein Währungskrieg moderner Prägung.
Für die Eurozone bringt Draghis Geldpolitik noch weitere Risiken mit sich: Der Exporteffekt eines schwächeren Euro wird sich nämlich innerhalb der Währungsunion sehr unterschiedlich auswirken.
Die Iren stehen aufgrund ihrer engen Verflechtung mit den USA und Großbritannien vor einem kräftigen Aufschwung. Auch die deutsche Wirtschaft, die ohnehin schon vor Kraft strotzt, profitiert kurzfristig vom niedrigen Euro.Für die Südländer der Eurozone bleibt der Effekt dagegen überschaubar, weil sie ihren Außenhandel fast ausschließlich innerhalb der Währungsunion abwickeln.
Strukturreformen für bessere Wettbewerbsfähigkeit
Langfristig müssen die Europäer aufpassen, dass nicht in allen Euroländer die Wettbewerbsfähigkeit leidet. Durch die Abwertung steigen die Gewinne und Löhne ohne Anstrengungen. Das könnte dazu führen, dass die Leistungsbereitschaft sinkt, Forschung und Entwicklung vernachlässigt werden und Innovationen ausbleiben.
Es muss aber genau das Gegenteil passieren. Die Politik muss die Zeit nutzen, die ihr durch die Abwertung gegeben wird. Sie sollte gerade in den Südländern Strukturreformen durchsetzen, die deren Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Sonst könnte auch Draghis letzter Schuss wirkungslos verpuffen.
Dass auch er und seine Kollegen sich derzeit in ihrer Haut nicht immer ganz wohlfühlen, zeigt die Abschlusserklärung des Treffens der 20 wichtigsten Finanzminister und Notenbankchefs in Istanbul im Februar: Darin verdammen sie einen aggressiven Abwertungswettlauf. Zugleich begrüßen sie jedoch die lockere Geldpolitik, wenn damit binnenwirtschaftliche Ziele verfolgt würden.
Besser lässt sich ein Widerspruch kaum formulieren.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.