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Fußball-Wettskandal - Sportlicher Millionenreibach

Die Europol-Untersuchungen zum Wettskandal offenbaren ein erschreckendes Ausmaß: Fast 700 Fußballspiele auf der ganzen Welt sollen manipuliert worden sein. Für die organisierte Kriminalität ist es ein Millionengeschäft.

Der Fall erhält seine Wucht durch große Zahlen. Fast 700 Fußballspiele auf der ganzen Welt sollen manipuliert worden sein, Ermittler aus 13 Ländern haben insgesamt 13.000 E-Mails ausgewertet. Und selbst jetzt sprechen Ermittler noch von der „Spitze des Eisbergs“. Fußballspiele zu manipulieren scheint für die organisierte Kriminalität ein mindestens ebenso einträgliches Geschäft geworden zu sein wie Schmuggel, Waffen- oder Drogengeschäfte.

Wie kam es zu diesem Skandal?

Vor 18 Monaten richteten Polizeibehörden aus mehreren europäischen Ländern eine „gemeinsame Ermittlungsgruppe“ zur Wettmanipulation ein, wie der Bochumer Staatsanwalt Norbert Salamon erklärte.

Beteiligt waren am Anfang Deutschland, Finnland und Ungarn. Später kamen Länder wie Slowenien und Österreich hinzu. Sie tauschten alle ihre Ermittlungsergebnisse aus, bis Europol am Montag bei einer Pressekonferenz in Den Haag von 380 manipulierten und weiteren 300 verdächtigen Spielen sprach.

Es geht um Fußballspiele in 30 Ländern. „Europol hat den Rahmen geboten, um alle gemeinsamen Ermittlungsergebnisse vorzustellen“, sagte Salamon. Von den 300 noch verdächtigen Spielen fanden 90 Prozent außerhalb von Europa statt, wie Ermittler sagten. Und sie reichten bis aufs höchste Niveau: Betroffen waren von den Betrügereien auch Spiele der WM-Qualifikation für Süd-Afrika 2010.

Wie stark ist Deutschland betroffen?

Bislang ist von 70 Spielen in Deutschland die Rede. 51 Spiele sind bei verschiedenen Prozessen vor dem Landgericht Bochum schon verhandelt worden. Mit Enthüllungen in der Bundesliga ist daher derzeit nicht zu rechnen. Bisheriger Höhepunkt der Spielmanipulationen in Deutschland war der Skandal um den Schiedsrichter Robert Hoyzer, der sogar ein Pokalspiel mit Beteiligung eines Bundesligisten verschoben hatte.

Es war das erste Mal, das Spielmanipulationen durch Wettbetrug ins öffentliche Bewusstsein drangen. Hoyzers Auftraggeber, der Berliner Ante Sapina, wurde daraufhin vom Landgericht Berlin zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Im November 2005 war dieses Urteil ergangen, doch schon 2006 begann Sapina mit neuen Manipulationen. Durch Ermittlungen im Rotlichtmilieu wurde die Staatsanwaltschaft Bochum wieder auf ihn aufmerksam und deckte einen weiteren Wettskandal auf. 270 Spiele in ganz Europa gerieten insgesamt ins Visier der Ermittler. Ante Sapina galt für sie als Drahtzieher. Wegen gewerbsmäßigem Betrug in 22 Fällen verurteilte ihn das Landgericht Bochum im Mai 2011 zu fünfeinhalb Jahren Haft. Manipuliert hatte Sapina Fußballspiele in mehreren Ländern wie der Schweiz, Belgien, Österreich und Deutschland, angefangen von Nachwuchsligen bis hin zur WM-Qualifikation. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil allerdings nicht bestätigt, das Strafmaß gegen Sapina und andere Angeklagte muss nun noch einmal neu festgelegt werden.

Seite 2: Welche Maßnahmen gegen Manipulationen sind geplant?

Welche Konsequenzen hat der Prozess?

Im Verfahren vor dem Bochumer Landgericht war nur angedeutet worden, dass die eigentlichen Hintermänner des Betrugs in Asien sitzen. Sapina hatte seine Wetten über eine Londoner Plattform platziert. Diese Londoner Plattform war jedoch von Chinesen eingerichtet worden, um etwas unauffälliger in Europa auftreten zu können. Sapinas Anwalt Stefan Conen sagt daher nun über die Ermittlungsergebnisse von Europol: „Das überrascht mich nicht.“

Unter dem Dach von Europol sind nun jedenfalls die Ergebnisse aus vielen Ländern zusammengetragen worden und sie kommen alle zu ein und demselben Schluss: dass die Spur nach Asien führt. Von einem „Wettkartell aus Singapur“ sprach Europol-Direktor Rob Wainwright.

In Asien dient Glücksspiel längst als Mittel zur Geldwäsche, gerade auch in der organisierten Kriminalität. Asiatische Wettanbieter begrenzen Wetteinsätze weit weniger strikt als europäische Buchmacher und verlangen auch weniger Sicherheiten. Sie machen ihre Umsätze über die Masse. „Wir konnten zum ersten Mal beweisen, dass die organisierte Kriminalität in der Fußballwelt operiert“, hat Wainwright nun gesagt.

Welche Maßnahmen gegen Manipulation sind geplant?

Der Internationale Fußballverband Fifa will sich nun noch einmal intensiv mit dem Thema beschäftigen. Fifa-Präsident Joseph Blatter twitterte: „Arbeiten mit der Polizei, um im Kampf gegen Matchmanipulation zu helfen. Ich wiederhole, das ist ein großes Thema für den Fußball und die Regierungen, das es zu lösen gilt.“ Auch das Internationale Olympische Komitee hat schon Tagungen zum Thema Wettmanipulationen veranstaltet. Erfolgreiche Instrumente gegen den Betrug haben die Sportverbände bislang jedoch nicht in der Hand. Vor einigen Jahren schon haben sie Frühwarnsysteme eingerichtet, die bei auffallend hohen Wetteinsätzen oder starken Kursschwankungen Alarm schlagen sollen. Doch wie Ermittler auch diesmal wieder bestätigten, hätten diese Systeme bei keinem der verdächtigten Spiele angeschlagen.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich zunächst zurückhaltend geäußert. Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, nannte die Zahl der manipulierten Spiele „beängstigend“, wenn sie sich denn als wahr herausstellen sollte. In die Ermittlungen scheint der DFB auch diesmal nur wenig eingeweiht worden zu sein. Schon die Staatsanwaltschaft Bochum hatte in ihren Ermittlungen den Deutschen Fußball-Bund so gut wie nicht miteinbezogen. Der DFB fand sich bei den Prozessen nur als Beobachter im Zuschauerraum wieder und musste danach seine eigenen sportgerichtlichen Urteile gegen Spieler fällen.

Auch die Politik will sich nun noch einmal mit dem Betrug im Fußball befassen. Die Weltsportministerkonferenz, die Ende Mai in Berlin stattfindet, sieht Wettmanipulation als wichtigstes Thema an.

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