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Offshore-Leaks - Der schwierige Kampf gegen Steueroasen

Die Empörung über „Offshore-Leaks“ ist allerorts riesig. Die OECD will nun weltweit die Steueroasen lichten. Sollte der Kahlschlag jedoch nur größtenteils und nicht ganz gelingen, droht der Kampf gegen Steuerparadiese geradezu absurd zu enden

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, dass Steueroasen ausgetrocknet gehören. Es gibt keinen deutschen Politiker, der das nicht dieser Tage lauthals fordert. Egal aus welcher Partei: Über das, was nun unter dem Begriff „Offshore-Leaks“ Schlagzeilen macht, was als Riesenenthüllung gilt, sind alle empört. Allein diese unvorstellbare Summe von geschätzten 17 Billionen Euro, mit der doch die halbe Welt saniert werden könnte! So aber ist diese Zahl mit zwölf Nullen nur ein unerreichbarer Schatz, der irgendwo versteckt lagern soll.

Doch gilt Vorsicht bei all den Schlagzeilen und Empörungsrufen. Es klingt zwar sehr konkret, wenn nun von 130.000 Steuerflüchtigen aus mehr als 170 Ländern geschrieben wird, deren Namen und Summen auf 260 Gigabyte existierten.

Selbst wenn es deren Geld gibt und wir durch die Recherchen nun wissen, wo es liegt: Heben kann diesen Schatz alsbald niemand. Nicht einmal lässt sich ahnen, wie viel oder wie wenig davon illegal ist.

Denn es ist in Deutschland nicht grundsätzlich verboten, Geschäfte mit sogenannten Steueroasen zu machen. Es gehört nur zu den politischen Vorschlägen, etwa des Grünen-Finanzpolitikers Gerhard Schick, solche Transaktionen mit einer Extrasteuer zu belegen. Aber ein rigoroses Geschäftsverbot fordern selbst die Grünen nicht.

Die Staatsanwaltschaften in Bochum und Düsseldorf sagen klipp und klar: Eine Briefkastenfirma zu besitzen sei als solches nicht strafbar. Diese Staatsanwälte halten die ganze Enthüllungsgeschichte für eine einzige Medienwelle, in die nun alle reinfielen. Wirklich neues sei da nicht entdeckt worden. Nun muss man diese Maulerei am Scoop ebenso mit Vorsicht nehmen, weil hier Journalisten Ergebnisse präsentieren, die sich viele von staatlichen Steuerfahndern gewünscht hätten.

Die Politik kann jetzt reagieren – und sie will es offenbar auch. Schäuble fordert eine Art FBI, welches Steuerhinterziehern auf die Schliche kommt. Innerhalb der EU versprechen Steuer-Oäschen wie Österreich und Luxemburg, Verstecke zu erschweren. Die OECD will weltweit die Oasen lichten. Doch glaubt niemand ernsthaft daran, dass es eines Tages nirgends mehr welche geben wird.

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Das aber ist Grund zur Sorge: Sollte der Kahlschlag nämlich nur größtenteils und nicht ganz gelingen, könnte das Problem weit größer werden als bisher. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Wissenschaftler; Kai A. Konrad und May Elsayyad vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen haben seit Jahren zu diesem Thema geforscht. Und sie ahnen, welcher ungewünschte Effekt bald eintreten könnte: Die verbleibenden Oasen werden immer lukrativere Geschäfte machen, wenn man ihnen nun systematisch die Konkurrenz zerlegt.

Das Geschäft der Steueroasen ist im Kern ja, Unternehmen aus Staaten mit hoher Steuerquote zu ermöglichen, ihre Gewinne so zu parken, dass sie nicht oder kaum besteuert werden. Weil derzeit von Luxemburg bis zu den Cayman Islands viele dieses simple Geschäftsmodell anbieten, ist die Auswahl riesig und die gegenseitige Konkurrenz groß. “Die Gebühren und Abgaben, die die Steueroasen in diesem Wettbewerb durchsetzen können, sind vergleichsweise niedrig. Entsprechend gering sind die wirtschaftlichen Vorteile der einzelnen Steueroase aus dieser `Geschäftstätigkeit´“, analysieren die Steuerrechtler.

Doch das würde sich schlagartig ändern, wenn die derzeit so forsch angegangene Austrocknung vieler Steueroasen Erfolg hätte. Mit dem Schrumpfen des Wettbewerbs zwischen den Steueroasen wüchse der Gewinnanteil für jene, die sich auf dem Markt hielten. Oder wie die Wissenschaftler es ausdrücken: „Je weniger Steueroasen als solche aktiv bleiben, desto lukrativer wird dieses Geschäftsmodell für die verbleibenden Steueroasen. Diese verbleibenden Steueroasen zur Geschäftsaufgabe zu bewegen, wird dann zu einer fast unmöglichen, oder jedenfalls sehr schwierigen oder teuren Mission.“ Das Geld flösse dann also mit Sicherheit aus Europa ab in irgendwelche Staaten, mit denen bilaterale Abkommen wie es etwa mit der Schweiz versucht wurde, undenkbar wären.

Wir können nur bedauern, dass es keinen Welt-Kurdirektor gibt, der Kapitalflucht verbietet; dass es auch niemals eine auf der ganzen Welt gültige Flattax auf Kapital geben wird. Selbst innerhalb der EU werden Reiche höchst unterschiedlich besteuert. Am Ende könnte also der Kampf gegen Steueroasen geradezu absurd enden, wie Konrad und Elsayyad warnen: “Wo sich früher viele Steuerparadiese mit niedrigen Gebühren Konkurrenz gemacht haben, erheben später einige wenige deutlich höhere Gebühren. Das Geschäft mit denen, die Steuern vermeiden oder hinterziehen wollen, bleibt erhalten.“ Nur der Verdienst für die Versteckanbieter würde immens steigen.

Dennoch ist die gegenwärtige Debatte sinnvoll und wichtig. Denn sie trägt zur gesellschaftlichen Ächtung der Kapitalflüchtlinge und Geldverstecker bei.

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