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Ex-Steuerfahnder - „Es gibt eine Welle von Selbstanzeigen“

Frank Wehrheim war Steuerfahnder und hat darüber ein Buch geschrieben. Jetzt hilft er Steuersündern wie Uli Hoeneß bei der Selbstanzeige

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

So erreichen Sie Marie Amrhein:

Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, hat sich selbst angezeigt. Er soll der Staatsanwaltschaft die Existenz mindestens eines Schweizer Kontos mit unversteuerten Geldern gebeichtet haben. Können Sie als ehemaliger Steuerfahnder Verständnis für Menschen wie ihn aufbringen?
Mich wundert es nicht so sehr, dass auch Uli Hoeneß Steuern hinterzogen hat. Während meiner fast 30 Jahre als Steuerfahnder habe ich gesehen, dass sich dieses Vergehen quer durch alle Gesellschaftsschichten zieht. Was mich aber schon wundert ist die Dimension, die Hoeneß Fall wohl hat. Da kommen Fragen auf: Wie ist das Geld aus dem Land gebracht worden? Funktionieren in Bayern die Prüfmechanismen nicht oder gab es hier ein interessantes Konstrukt, um das Geld ins Ausland zu bringen? Ist es wirklich versteuert, wie es heißt – oder handelt es sich um Schwarzgeld? Das sind wirklich spannende Fragen.

Als Steuerberater helfen Sie nun Ihren Kunden bei Selbstanzeigen.
Merkwürdig ist, dass eine Hausdurchsuchung stattgefunden haben soll. Das ist bei einer Selbstanzeige eher die Ausnahme. Deren Sinn ja ist, dass dem Finanzamt alle Steuerangaben geliefert werden, um neue Steuerbescheide zu erstellen. Dann wird im Strafverfahren geprüft, ob alles geliefert wurde, alle Steuern mit Zinsen nachbezahlt sind. Und dann wird das Strafverfahren eingestellt. Dass die Behörden wohl in Bayern durchsucht haben, hört sich nicht gut an.

Wenn Uli Hoeneß vorher von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erfahren hat, gilt doch eine Selbstanzeige nicht mehr?
Das kommt sehr auf die Umstände an. Die Selbstanzeige ist so lange möglich, bis ein Amtsträger zur Prüfung erschienen ist oder ein Steuerfahnder bei Ihnen an der Tür klingelt und die Einleitung eines Verfahrens bekannt gibt. Nach meiner Erfahrung kommen über 90 Prozent der Selbstanzeigen um fünf vor zwölf. Dann, wenn etwa bei einer anderen Durchsuchung schon etwas Verdächtiges aufgefallen war oder es eine Steuer-CD gibt. Fast alle Selbstanzeigen, die ich je in die Hände bekommen habe, entstanden im Prinzip nur aus der Notlage heraus.

Woher erfährt der Betreffende, dass er auf so einer Steuer-CD drauf ist?
Er bekommt dann unter Umständen eine Nachricht von seiner Bank aus der Schweiz, die mitteilt, dass etwas Bedauerliches passiert ist, man ein Datenleck habe und nicht garantieren könne, dass derjenige nicht darauf ist.

Was ist denn dann darauf?
Das ist schon hochbrisantes Material. Erstaunlich, welche Daten das sind. Ich sehe das ja jetzt als Steuerberater. Es sind wirklich Daten unterwegs, die auch über Stiftungen, Trusts, Bankkonten und Kunden Auskunft geben.

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Wie kommt es zu solchen Datenlecks?
Ich habe das auch schon gefragt. In den Banken sagen sie dann, man habe bei der Qualität der Mitarbeiter nicht genügend aufgepasst.

Sie halten es also für sinnvoll, dass die Steuer-CDs angekauft werden dürfen?
Ja. Es gab zwar immer auch Leute wie jetzt bei Offshore-Leaks, die auch ohne Geld Daten weitergeben. Mitarbeiter, die in der Bank Kenntnis von Insidergeschäften bekamen und diese anonym durchstecken. Das zum einen und zum anderen ist natürlich Bewegung in die Sache gekommen, weil Daten gekauft werden.

Die rot-grüne Opposition verhinderte ein von der schwarz-gelben Regierung  geplantes Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Hätte Hoeneß davon profitiert?
Bei der Größe seiner Anlage würde es mich wirklich wundern, wenn seine Gelder namentlich angelegt waren. Bei großen Kapitalanlagen wird oft eine Stiftung oder ein Trust zwischengeschaltet, sodass der Name nicht bekannt wird. Hoeneß wäre dann von dem Abkommen gar nicht betroffen gewesen, das nur auf Privatpersonen bezogen war.

Ist es wahrscheinlich, dass Hoeneß ins Gefängnis muss? Das kommt vor, wenn dem Staat mehr als eine Million Euro vorenthalten wurden.
Wenn die Selbstanzeige nicht anerkannt wird und er mehr als eine Million Euro in strafrechtlich relevanter Zeit hinterzogen hat, gelten nach einem Beschluss des BGH von 2008 keine Bewährungsstrafen mehr.  Frühere Täter wie Klaus Zumwinkel oder Boris Becker zum Beispiel, der 1,7 Millionen Euro hinterzogene Steuern hatte, kämen ins Gefängnis.

Ändert sich gerade wirklich etwas oder kommt die Justiz an die großen Fische sowieso nicht heran?
Es ändert sich wohl etwas. Es ist jetzt viel mehr Angst unterwegs. Durch Offshore-Leaks und die angekauften Steuer-CDs ist eine große Unsicherheit entstanden. Die Menschen fragen sich: Bin ich drauf? Welche Daten sind dabei? Auch die eine oder andere Schweizer Bank kann nicht mehr verifizieren, wer alles betroffen ist. So ändert sich wirklich etwas. Es gibt eine Welle von Selbstanzeigen.

 

Das Interview führte Marie Amrhein

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