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(picture alliance) Wolfgang Bosbach, der Podolski der Politik?

Ökonomie und Alltag - ESM, Bosbach und Prinz Peng

Warum fantasiebefreite Fußballmetaphern in Nachrichtensendungen unerträglich sind und was Lukas Podolski mit Wolfgang Bosbach gemein hat – Til Knipper klärt auf. Die Freitagskolumne

Liebe Kollegen von den Tagesthemen, bitte merkt Euch schon mal für alle noch stattfindenden internationalen Fußballereignisse, die parallel zu Eurokrisengipfeln stattfinden, gilt folgende journalistische Grundregel: Bei Berichten aus Brüssel, ja , auch wenn sie in der Halbzeit eines EM-Halbfinales gesendet werden, gilt absolutes Fußball-Metaphernverbot! Nein, auch wenn es verlockend ist, die Kanzlerin steht nicht im Abseits, Mario Montis Politik ist kein Catenaccio, das bei jedem Gipfel aufgenommene Gruppenbild darf nicht als Mannschaftsfoto bezeichnet werden, das Ergebnis des Gipfels ist auch kein Befreiungsschlag im, nein, auch das ist nicht zulässig, Endspiel um den Euro.

Das ist einfach zu abgedroschen, wirklich, da muss schon etwas mehr Phantasie her: Wolfgang Bosbach ist für mich der Lukas Podolski der CDU. Diese Metapher ist erlaubt, weil das vorher noch keiner gesagt und geschrieben hat. Das Bild ist nicht mal besonders schief, sieht man mal darüber hinweg, dass Podolski über links kommt, weil Bosbach auch schon viel zu lange dabei ist, nur im Rheinland Erfolg hat, den Sprung auf die ganz große Bühne nie geschafft hat und Ronald Pofalla gestern vor dem Spiel in kleiner Runde nach unbestätigten Gerüchten gesagt haben soll: „Ich kann Poldis Fresse nicht mehr sehen.“

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Warum ich diesen Groll auf Wolfgang Bosbach hege? Weil er sich heute mal wieder, diesmal als Gastkommentator im Handelsblatt, als Retter des Grundgesetzes, der deutschen Staatsfinanzen oder nach seiner Wahrnehmung der Bundesrepublik Deutschland als Ganzes geriert. „Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) bewirkt nichts als die Infizierung der gesunden noch rettungsfähigen Länder durch die Problemstaaten“, lautet Bosbachs Botschaft. Statt Argumenten gibt es dann noch falsches Pathos des politischen Prinz Peng: „Natürlich fällt es nicht leicht, gegen die überwältigende Mehrheit der eigenen Fraktion zu stimmen. Aber noch viel schwerer würde es mir fallen gegen meine Überzeugung zu votieren.“ Was er allerdings nie sagt, was er statt des ESM machen möchte. Er warnt vor gigantischen Haftungsrisiken, die niemand ernsthaft bestreitet. Den Hinweis, dass ein Zusammenbrechen der Eurozone wesentlich teurer werden würde, verschweigt Bosbach seinen Wählern dagegen gerne.

Seine Forderung, dass die Krisenstaaten ihre Haushalte in Ordnung bringen müssen und ihre noch immer teilweise abgeschotteten Märkte öffnen und ihr Arbeitsrecht entrümpeln müssen, ist zwar richtig, aber das von Bosbach postulierte Sparen in der Rezession führt unweigerlich in den Abgrund – übrigens sowohl nach keynesianischer als auch nach klassischer Wirtschaftstheorie. In der Praxis lässt sich das gerade fast im gesamten Süden Europas beobachten.

Insofern gehen die Ergebnisse des Gipfels in Brüssel in die richtige Richtung: Die bisherige Praxis, Ländern wie Griechenland nur unter härtesten Auflagen Kredite zu vergeben, hat dem Land politisch und wirtschaftlich nur geschadet. Ein erleichterter Zugang zu den Rettungstöpfen kann den anderen Ländern eher wieder auf die Füße helfen. Und die gemeinsame Europäische Bankenaufsicht ist aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten und der Verknüpfungen innerhalb des europäischen Finanzsystems schon lange überfällig. Ihre Einführung ist aber auch deswegen unverzichtbar, um den Gipfelbeschluss umzusetzen, kriselnde Banken direkt mit Geldern aus dem ESM zu rekapitalisieren. Ohne eine funktionierende Aufsicht, die den Einsatz der Mittel kontrolliert, wären die für den ESM garantierenden Staaten wohl kaum zu einem solchen Schritt bereit.

Die direkte Bankenhilfe hilft außerdem Ländern wie Italien und Spanien ihre Staatsschulden abzubauen, weil die Bankenhilfe nicht mehr zu ihren Defiziten dazugerechnet wird – das senkt die Zinsen der Staatsanleihen und hält den Zugang zu den Märkten offen. Sobald eine effiziente Europäische Bankenaufsicht etabliert ist, sollte man bei der direkten Bankenhilfe noch einen Schritt weitergehen, indem der ESM keine Kredite mehr an die Banken vergibt, sondern wahlweise auch die Möglichkeit hat, Anteile der Geldhäuser zu erwerben. Das vereinfacht die Kontrolle und kann bei den derzeitigen Konditionen auch ein gutes Geschäft für den Rettungsfonds werden.

Also Herr Bosbach, vielleicht überprüfen Sie noch mal Ihre Überzeugungen. Im Gegensatz zu Podolski können Sie nämlich nicht einfach nach London wechseln, wenn hier alles zusammenbricht. Oder habe Sie etwa ein Angebot von David Cameron?

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