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(picture alliance) Jürgen Fitschen hält den Kopf hin, Anshu Jain duckt sich weg.

Co-Chef der Deutschen Bank - „Anshu Jain duckt sich zu Unrecht weg“

Die Kritik am Gebahren der Deutschen Bank trifft bislang nur Vorstand Jürgen Fitschen. Der Bankprofessor Wolfgang Gerke kritisiert das

Nehmen wir an, Sie hätten gerade Ihr Studium abgeschlossen. Würden Sie bei der Deutschen Bank anfangen, die vergangene Woche Besuch von bewaffneten Polizisten bekam?
So eine Hausdurchsuchung wäre für mich nur ein Punkt bei der Entscheidung der Wahl des Arbeitsplatzes. Da spielen auch die Entfaltungsmöglichkeiten eine Rolle, die ich dort habe. Aber sicherlich, die Reputation ist nicht unwichtig.

Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen und seit 2006 Präsident des „Bayerischen Finanz Zentrums“.Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen beschwerte sich beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier, die TV-Bilder der jüngsten Hausdurchsuchung würden es dem Institut erschweren, die „besten“ Mitarbeiter im Ausland zu finden. Muss die Staatsanwaltschaft da mehr Rücksicht nehmen?
Die Beschwerde ist töricht, da brauchen wir nicht diskutieren. Das ist eine völlige Fehleinschätzung, wie Justiz in Deutschland arbeitet. So ein Versuch der Einflussnahme über die Politik ist inakzeptabel. Herr Fitschen kann sich bei der Staatsanwaltschaft beschweren, wenn er Maßnahmen für unangemessen hält. Deshalb beim Ministerpräsidenten anrufen, das geht nicht, egal mit welchen Argumenten.

Nun hat sich Herr Fitschen inzwischen für seine Äußerungen entschuldigt. Seine erste Reaktion auf die Hausdurchsuchung lässt dennoch tief blicken. Die Argumentation suggeriert doch: die Justiz muss als verlängerter Arm der Regierung auf die Interessen der Deutschen Bank achten. Läuft das so in Deutschland?
Das ist natürlich albern. Es gilt für alle dasselbe Recht. Wir haben die Gewaltenteilung. So ein Anruf ist ein Rückfall in eine alte Kultur.

Was für eine Kultur ist das?
Das ist ein fatales Selbstverständnis nach dem Motto: Wir sind die Deutsche Bank und wir sind etwas Besonderes. Wir müssen uns nicht nach den anderen richten. Die anderen richten sich nach uns.

SPD-Politiker legen Fitschen nahe, nicht wie geplant Chef des Bundesverbands Deutscher Banken (BdB) zu werden. Fitschen lehnt einen Rückzug bisher ab. Zu Recht?
Ich würde nicht sagen, Herr Fitschen muss wegen dieses Telefonats unbedingt darauf verzichten. Aber ich würde es ihm in seinem eigenen Interesse raten. Er ist angeschlagen und muss sich jetzt völlig auf die Deutsche Bank konzentrieren. Es wäre der ideale Moment gewesen, selbst noch halbwegs elegant die Konsequenzen zu ziehen. Jetzt muss er in Kauf nehmen, dass er auch noch als BdB-Präsident ständig in der Kritik steht. Im Fall des Steuerbetrugs im Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten wird ja auch gegen ihn persönlich ermittelt, und diese Verfahren können bis zu einem Jahrzehnt dauern. Das ist eine Dauerbelastung.

Die Deutsche Bank muss einiges aufarbeiten, nicht nur den Verdacht des Steuerbetrugs. Wo lauern aus Ihrer Sicht die größten Gefahren?
Ich kann die Rolle der Deutschen Bank bei der Manipulation des Leitzinssatzes Libor nicht einschätzen. Wenn sie massiv involviert ist, kann das dramatische Konsequenzen haben und Milliarden kosten, wie wir bei der Schweizer Bank UBS gesehen haben. Da kann die Deutsche Bank nur hoffen, dass es sich in ihren Reihen um Einzeltäter handelt.

In der öffentlichen Debatte geht es längst nicht mehr um einzelne Taten, sondern um eine Unternehmenskultur der Überheblichkeit und Gier, die der Deutschen Bank bescheinigt wird. Zu Recht?
Mit dem Aufstieg des Investmentbankings hat sicherlich eine andere Philosophie in das traditionelle Bankgeschäft Einzug gehalten. Die Deutsche Bank ist viele Jahre auf dieser Welle mitgeschwommen, mit all ihren negativen Seiten. Jetzt will man wieder zurück zur alten Seriosität.

Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann scheint gerade im richtigen Augenblick gegangen zu sein. Die Skandale des Investmentbankings müssen jetzt andere ausbaden…
Mich beschäftigt eher die Rolle des aktuellen Co-Chefs Anshu Jain. Er hatte in seiner Abteilung in London den Handel zu verantworten. Hier sind auch die Geschäfte mit den CO2-Verschmutzungsrechten gelaufen. Herr Fitschen hatte mit der Sache eigentlich nichts zu tun, und hält jetzt den Kopf hin. Anshu Jain duckt sich jetzt zu Unrecht weg. Auf Dauer wird das nicht gehen.

Ein weiterer Vorwurf lautet, die Deutsche Bank habe Städten, Kommunen und Landesbanken vor der Finanzkrise Schrottpapiere untergejubelt. Erwarten Sie hier noch die große Aufarbeitung?
Mich stört, dass wir hier die Akteure auf der staatlichen Seite, die jetzt aufschreien, nicht in die Verantwortung nehmen. Die Kämmerer der Städte und die Geschäftsführer kommunaler Energieunternehmen sind Voll-Kaufleute. Das sind Profis. Wenn sie riskante Geschäfte wie Zinswetten nicht durchblicken, müssen sie eben die Finger davon lassen. Die Deutsche Bank hat sicherlich aggressiv Produkte verkauft. Aber die Verantwortung liegt letztendlich bei denen, die sich darauf einlassen. Wer endlich mal auf dem großen Finanzmarkt mitmischen wollte, die großen Gewinne vor Augen, kann sich jetzt nicht über die Verluste beschweren.

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Vielleicht dachten die Kämmerer: Die Deutsche Bank hat doch einen guten Ruf. Was soll da passieren?
Das ist doch eine faule Ausrede. Was für Privatleute gilt, gilt für Stadtwerke genauso. Ich hafte für die Geschäfte, die ich mache, und für die Verträge, die ich unterschreibe.

Vielleicht haben wir uns alle unbewusst vom Namen „Deutsche Bank“ täuschen lassen. Sie ist dem Wohl deutscher Kommunen ebenso wenig in besonderem Maße verpflichtet wie der Staat ihr in besonderem Maße verpflichtet ist. Sie ist ein ganz normaler Finanzkonzern…
So ist es. Die Deutsche Bank sollte nicht meinen, sie sei etwas Besonderes und habe besondere Rechte. Und die Politik und die Kunden sollten auch nicht erwarten, die Deutsche Bank würde weniger profitorientiert oder moralischer handeln als andere Institute.

Paul Achleitner, der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank,  fordert das Ansehen des Instituts „als Eckpfeiler einer modernen Gesellschaft“ wiederherzustellen. Eckpfeiler der Gesellschaft – das klingt für ein ganz normales Unternehmen schon wieder etwas größenwahnsinnig…
Es ist wichtig, dass Achleitner ambitionierte Ziele vorgibt und einen Kulturwandel einfordert. Wir haben bei dem Telefonat von Herrn Fitschen ja gesehen, dass solche Appelle offenbar notwendig sind. Ich kritisiere so ein hehres Ideal nicht. Das kann sich ein Unternehmen ja vornehmen. Es ist doch gut, wenn wir die Deutsche Bank dann daran messen können.

Das CDU-geführte Hessen hat nun mit einer recht martialischen Polizeiaktion Stärke gegenüber der Deutschen Bank demonstriert. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will Institute wie die Deutsche Bank mit einer Finanzmarktreform radikal umbauen, manche sagen zerschlagen. Gibt es im Wahlkampf einen Wettlauf darum, wer in der Öffentlichkeit als härtester Banken-Jäger gilt?
Da wo gejagt werden muss, soll man auch ins Ziel treffen. Ich bin wirklich nicht der Meinung, man sollte schonender mit der Kreditwirtschaft umgehen. Auch politischer Wettbewerb bei der Finanzmarktregulierung ist gut. Strukturreformen müssen aber wohl überlegt sein, denn sie wirken massiv für viele Jahre. Schnellschüsse bringen nichts.

Das Steinbrück-Konzept zur „Bändigung der Finanzmärkte“ ist ein Schnellschuss?
Ich halte nicht viel davon. Die Zerschlagung von Großbanken ist nicht des Rätsels Lösung. Wenn Sie die Investment-Sparte der Deutschen Bank abtrennen, dann bleibt auch diese Investmentsparte systemrelevant. Die kann der Staat im Ernstfall nicht einfach Pleite gehen lassen. Die Trennung ist gut gemeint, der Erfolg aber eine Illusion.

Wo liegt des Rätsels Lösung im Umgang mit offenbar gefährlichen Banken?
Das Entscheidende ist das Haftkapital, das Banken für ihre Geschäfte vorhalten müssen. Das ist der Kern des ganzen Bankenproblems. Banken sollen Risiken eingehen, verarbeiten und verbriefen. Das ist ihre Aufgabe. Aber sie sollen sich dabei nicht übernehmen dürfen. Sie müssen genügend Sicherheiten in der Hinterhand haben. Das würde zugleich bedeuten: Exorbitante Renditen oder Boni wie vor ein paar Jahren sind im Bankgeschäft nicht mehr möglich.

Wann wird das Bankgeschäft endlich langweilig?
Daran wird international gearbeitet. Aber natürlich viel zu langsam.

Das Interview führte Alexander Wragge

Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen und seit 2006 Präsident des „Bayerischen Finanz Zentrums“.

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