Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Wetterphänomen - Was macht die Rekordhitze mit uns?

Die Hitze hat uns fest im Griff – am Wochenende könnten neue Rekordwerte erreicht werden. Das beeinflusst das gesamte Leben. Welche Probleme bringt die Wärme?

Autoreninfo

Woratschka, Rainer

So erreichen Sie Rainer Woratschka:

Was macht die Hitze mit den Menschen?

Der Mensch ist ein gleichwarmes Lebewesen. Die Temperatur in seinen inneren Organen liegt bei 37 Grad, erzeugt wird die Wärme im Zellstoffwechsel. In Ruhe wird etwa die Hälfte der Wärme in den inneren Organen erzeugt, hinzu kommen Muskeln (20 Prozent) und Gehirn (15 bis 20 Prozent). Körperliche Arbeit lässt die Wärmeproduktion der Skelettmuskulatur um das 50- bis 100-fache steigern. Die Körperwärme wird durch einen biologischen Thermostat im Hypothalamus gesteuert, einer Schaltzentrale im Zwischenhirn. Das Temperaturzentrum bekommt Informationen aus dem Körperkern wie von der Hautoberfläche. Sie helfen, die 37 Grad trotz schwankender Außentemperaturen und in Ruhe wie Bewegung konstant zu halten.

Wärme wird vom Körper abgestrahlt (Wärmestrahlung), abgeleitet (Wärmeleitung), abtransportiert (Konvektion) und verdunstet. Bei Hitze greift der Organismus vor allem auf drei Mechanismen zurück, um den Körper zu kühlen: 1. Schwitzen über die Schweißdrüsen, beim Verdunsten wird dem Körper Wärme entzogen – allerdings gehen auch Flüssigkeit und Salz verloren. 2. Die Körperhaare werden flach angelegt. Dadurch wird die Haut besser belüftet und mehr Wärme abtransportiert. 3. Die Hautgefäße werden erweitert und so der Blutfluss gesteigert. Dadurch wird mehr Wärme abgestrahlt und über die Luft abtransportiert. Übersteigt die Außentemperatur die Körpertemperatur, kann nur noch durch Schwitzen „gekühlt“ werden – und das wird umso schwieriger, je feuchter die Umgebungsluft ist.

Hitze kann Muskelkrämpfe, Hitzekollaps, Hautausschlag durch exzessives Schwitzen und Hitzeerschöpfung verursachen. Am schwerwiegendsten ist der Hitzschlag, bei dem die Körpertemperatur auf mehr als 40 Grad ansteigt. wez

Sind Ärzte und Kliniken stärker beschäftigt?

Bisher sei der Andrang durch Hitzegeschädigte überschaubar, sagt der Notfallmediziner Marko Böhm von der Berliner Charité. Vier bis fünf zusätzliche Fälle pro Tag, mehr nicht. Für das heiße Wochenende habe man aber „vermehrt Flüssigkeit geordert“ und auch Infusionsvorräte angelegt. Das Hauptproblem sei erfahrungsgemäß Dehydrierung, also die Austrocknung des Körpers durch Wassermangel. Sie äußere sich zunächst vor allem in Schwindel und Blutdruckabfall. Eingeliefert würden aber nicht nur Senioren, die zu wenig getrunken haben, sondern auch Jüngere, die ihre plötzlichen Beschwerden nicht auf die Hitze zurückführten.

Herz- und Kreislauferkrankungen seien auch an kühleren Tagen der zweithäufigste Grund für Klinikeinweisungen, betonte Moritz Quiske von der Deutschen Krankenhausgesellschaft, insofern sei man vorbereitet. Dennoch werde in vielen Häusern etwas mehr Personal vorgehalten als sonst. Das sei wie bei Glatteiswarnungen, da stünden dann auch mehr Knochenbruchspezialisten auf Abruf. Bei Hausärzten und Pflegediensten hieß es, man verlagere vor allem die Aufmerksamkeit. Mit einer Notsituation, die ohne Zusatzpersonal nicht in den Griff zu bekommen wäre, rechne aber keiner.

Wird es ein Hitze-Rekord?

Der Meteorologe Norbert Becker-Flügel von der Berliner Wetteragentur MeteoGroup ist sich ziemlich sicher, dass es an diesem Wochenende zu mehreren Rekorden kommen wird. Am Sonntag erwartet er für Berlin 38 Grad. Das wäre ein Tagesrekord. Der bisher heißeste Wert, der in Dahlem an einem 28. Juli gemessen wurde, war 1994. 34,4 Grad wurden damals registriert. Am Tag zuvor wurden damals 34,2 Grad gemessen. Auch das könnte am heutigen Sonnabend übertroffen werden, wenn knapp 35 Grad erwartet werden. In einigen Gebieten Deutschlands könnten es am Sonntag sogar 40 Grad werden, teilt der Deutsche Wetterdienst mit.

Ob gar ein gesamtdeutscher Hitzerekord gebrochen wird, ist noch unklar. Aber das Rennen ist knapp: Im August 2003 maß der Wetterdienst Meteomedia im saarländischen Perl-Nennig 40,3 Grad. Der Deutsche Wetterdienst gibt als Höchstwert seit Beginn der Messungen 40,2 Grad an – gemessen im Juli 1983 in Gärmersdorf in der Oberpfalz sowie im August 2003 in Karlsruhe und Freiburg im Breisgau. „Am ehesten kommen wir in der Lausitz in diese Bereiche“, sagte Meteorologin Paetzold. Diesmal ist also nicht der Süden, sondern der Osten vorn. Der Juli wird insgesamt nach Schätzungen der Meteorologen als einer der zehn wärmsten in die Geschichte eingehen. Allerdings sei der Juli in den Jahren 2006, dem Jahr des deutschen „Fußball-WM-Sommermärchens“, sowie 1994 und 1983 noch wärmer gewesen. „Da werden wir nicht ganz drankommen“, sagte DWD-Sprecher Gerhard Lux.

Wie leidet Berlin?

Im Monbijoupark wurde wegen der hohen Brandgefahr „bis auf Widerruf“ das Grillen untersagt – womit aber „ausdrücklich kein schleichendes Grillverbot“ eingeführt werden solle, wie das Bezirksamt Mitte mitteilte. Die Alte Nationalgalerie bleibt am Wochenende wegen einer defekten Klimaanlage geschlossen. Die Veranstalter der „Vattenfall-City- Nacht“ entschieden „aus Fürsorgepflicht gegenüber den Teilnehmern“ zwei Läufe auf fünf Kilometer zu reduzieren und auf eine Wettkampf-Wertung zu verzichten. In Tegel protestieren die Gefangenen dagegen, dass es in kleineren Zellen mehr als 35 Grad warm sei. Die Senatsverwaltung teilte mit, die Duschzeiten seien verlängert worden, kalten Tee gebe es „in unbegrenzter Menge“, in der Frauen-JVA sei ein Gartensprenger im Hof angestellt worden.

 

Warum ist es derzeit so warm?

Die derzeitige Hitze ist eigentlich ein ganz normales Phänomen im Sommer. Dann bildet sich über Skandinavien ein stabiles Hoch, das Deutschland über viele Tage, manchmal Wochen sonnige und heiße Tage beschert. Der Höhepunkt wird am Sonntag erwartet, wenn die Temperaturen in Berlin auf bis zu 38 Grad steigen werden. Eine Besonderheit in den vergangenen Tagen war die sogenannte OmegaWetterlage, bei der Luft aus dem hohen Norden nach Deutschland strömt. Diese Luft ist trocken und erwärmt sich mäßig. Die Luftströmung aber hat sich am Freitag geändert. Sie kommt jetzt aus Spanien, also aus südwestlicher Richtung, sie ist subtropisch heiß und feucht. Auch nachts kühlt es nicht mehr so stark ab wie zuvor. Der Höhepunkt am Sonntag ist zugleich ein Endpunkt. In der Nacht zum Montag, bei 100 Prozent Feuchtigkeit, werden schwere Gewitter über Berlin hereinbrechen. Die Hitze zieht dann nach Osten ab, etwas kühlere Luft strömt dann aus westlicher Richtung nach. Es wird unbeständiger.

Das brandenburgische Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat am Montag die höchste Warnstufe IV für Waldbrände ausgerufen. In Brandenburg habe es in der Vorwoche bereits 23 Brände gegeben, den größten bei Teupitz. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt warnt vor Feuern. „Rauchen im Wald oder in dessen Nähe – etwa an den Stränden von Havel und Badeseen – ist ebenso verboten wie das Grill- oder Lagerfeuer in Waldnähe und die achtlos aus dem Autofenster geworfene Zigarettenkippe“, heißt es aus der Senatsverwaltung. Bei Verstößen drohe nach dem Landeswaldgesetz eine Geldstrafe von bis zu 50 000 Euro. In Brandenburg gab es laut Landwirtschaftsministerium im vergangenen Jahr 235 Waldbrände, 76 Hektar Fläche seien zerstört worden. Die einzige natürliche Ursache für Waldbrände seien Blitze, heißt es weiter. In den allermeisten Fällen seien aber Menschen an den Bränden schuld. (rei)

Kann uns durch die Hitze das Wasser ausgehen?

Nein. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist überzeugt: Auch bei anhaltender Hitze ist die Wasserversorgung in guter Qualität gesichert. Die Wasserversorger in Deutschland fördern pro Jahr nur drei Prozent (5,1 Milliarden Kubikmeter) des jährlichen, erneuerbaren Vorrats an Grund-, Oberflächen- und Quellwasser für Haushalte und Gewerbebetriebe. Von allen Nutzern werden nur reichlich 17 Prozent des gesamten Wasserangebots entnommen und anschließend dem Wasserkreislauf wieder zugeführt – etwa 83 Prozent aller verfügbaren Wasserressourcen werden also gar nicht genutzt. Daran ändert auch eine vorübergehende Hitzeperiode wenig. Die Berliner Wasserbetriebe registrieren zwar im Durchschnitt dieser heißen Woche einen täglichen Wasserverbrauch von rund 750 000 Kubikmetern, das sind rund 250 000 Kubikmeter mehr als im Winter. Doch wurden zum Beispiel im Sommer 2010 schon Verbrauchsmengen von 890 000 Kubikmetern täglich registriert. Übrigens: Wenn der Druck in der Leitung nachlässt, geht nicht das Wasser aus. Es bedeutet nur, dass auch die Nachbarn gerade den Rasensprenger laufen lassen.

Wer es zur Abwechslung gern einmal richtig kalt hätte, der sollte einen Flug nach Wostok in der Antarktis buchen. Dort wurde laut der World Meteorological Organization der Vereinten Nationen die bisher niedrigste Temperatur der Welt gemessen: minus 89,2 Grad am 21. Juli 1983. Am Freitag waren in der Antarktis minus 67 Grad. Der kälteste Ort Europas ist Ust ’Schugor in Russland, dort fiel die Temperatur am 31. Dezember 1978 auf minus 58,1 Grad. Historische Hitzerekorde gab es hingegen folgende: In Furnace Creek im kalifornischen Death Valley wurde am 10. Juli 1913 mit 56,7 Grad die bisher höchste Temperatur gemessen. In Europa liegen die griechischen Städte Athen und Elefsina gleichauf: Dort wurden am 10. Juli 1977 unangenehme 48 Grad erreicht. (rei)

Rechnet die Landwirtschaft mit Ernteausfällen?

Für die Landwirtschaft ist die Trockenheit der letzten Monate ein größeres Problem als die derzeitige Hitzewelle, sagt Holger Brantsch, Sprecher des Landesbauernverbandes Brandenburg. „Wir liegen derzeit bei 15 Prozent weniger Niederschlag als im Durchschnitt, daher gibt es hier und da kleinere Trockenschäden“, sagt er, „aber im Großen und Ganzen ist alles in Ordnung.“ Die Getreidebauern hätten mit dem Timing der Hitzewelle Glück: „Die Ernte ist schon in vollem Gange. Wenn nicht Sturm, Hagel, Gewitter und Starkregen dazukommen, ist die Hitze kein Problem.“ Auch für Gemüsebauern bestehe keine große Gefahr – ihre Pflanzen müssten wegen der Trockenheit sowieso bewässert werden. Unter den Tieren, sagt Brantsch, reagierten vor allem Pferde empfindlich auf die Hitze. Schweine und Geflügel hingegen würden sowieso in klimatisierten Ställen gehalten. Da bedeute die Hitze lediglich höhere Stromkosten und größeren Wasserverbrauch. Der Ernte gefährlich werden könnten Urlauber im Rückreiseverkehr: Wer noch glimmende Kippen aus dem Autofenster wirft, kann bei Hitze und Trockenheit leicht einen Feldbrand auslösen. (rei)

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.